Bei den Asteroiden gibt es noch sehr viel zu verstehen. Gut, wir kennen diese Himmelskörper schon seit über 200 Jahren. Wir sind sehr gut darin geworden sie zu finden und wir wissen, wie wir ihre Bewegung berechnen und vorhersagen können. Aber über die Asteroiden selbst wissen wir noch wenig. Diese Objekte sind einfach zu klein und zu weit weg; alles was wir von der Erde aus sehen. ist ein Lichtpunkt. Aus unmittelbarer Nähe haben wir gerade mal eine Handvoll Asteroiden beobachtet. Es ist daher kein Wunder, wenn diese Dinger immer wieder mal etwas machen, was uns überrascht. Zum Beispiel sich mal eben aufzulösen…
Es geht um den Asteroid P/2013 R3. Dass der kein normaler Asteroid ist, erkennt man schon am Namen. Das “P/” ist nämlich eigentlich etwas, das nur die Namen von Kometen enthalten und zeigt an, dass es sich um ein periodisches Objekt handelt und keinen Kometen, der nur einmal in die Nähe der Sonne kommt und dann wieder verschwindet. Es handelt sich bei dem Himmelskörper also um einen Asteroid und Kometen. Die Grenzen zwischen Asteroiden und Kometen sind ja fließend und es gibt immer wieder Objekte, die Eigenschaften beider Gruppen aufweisen. Beide entstehen auf die gleiche Art und Weise, aber an unterschiedlichen Orten. Dort wo die Kometen entstanden sind, war es kälter und es gab neben dem Staub auch noch Eis als Baumaterial. Kometen enthalten also wesentlich mehr Eis als Asteroiden und wenn sie in die Nähe der Sonne kommen, wird das Eis warm; verwandelt sich in Gas und entweicht ins All. So entsteht der Schweif der Kometen – aber irgendwann ist das Eis dann weg und übrig bleibt nur noch ein inaktiver Kern, der im wesentlichen so aussieht wie ein Asteroid. Andererseits gibt es aber immer wieder auch Asteroiden, die aktiv sind und einen Schweif entwickeln. Oder gleich sechs Schweife, wie bei P/2013 P5, der letztes Jahr entdeckt wurde.
Auch P/2013 R3, um den es hier geht, ist so ein aktiver Asteroid. Er wurde im September 2013 entdeckt und Nachbeobachtungen im Oktober zeigten dann, dass es sich hier um Objekt handelt, bei dem man genauer hinsehen sollte. Man sah kein einzelnes Objekt, sondern drei Brocken, die von einer Staubwolke, so groß wie die Erde, umgeben waren. Weitere Beobachtungen zeigten dann, wie der Asteroid langsam auseinander brach. Es gab immer mehr Brocken und immer mehr Staub. Das sieht man auf diesen Bilder recht schön:
Die Bilder zeigen den Asteroid zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen Oktober und Dezember 2013. Links die normalen Aufnahmen; rechts speziell gefilterte Bilder auf denen nur die Brocken selbst zu sehen sind und das Licht der Staubhülle unterdrückt wurde. Man sieht deutlich, wie sich der Asteroid immer weiter auflöst. Aber warum? Das haben David Jewitt von der Universität Kalifornien in Los Angeles und seine Kollegen probiert herauszufinden (“Disintegrating Asteroid P/2013 R3 (pdf)”).
Von Kometen ist dieser Vorgang ja schon lange bekannt. Wenn sie sich der Sonne nähern, sorgt das entweichende Gas dafür, dass das poröse Gestein auseinander bricht. Dazu kommen die starken Gezeitenkräfte in der Nähe der Sonne und die hohen Temperaturen. Am Ende kann es dann passieren, dass sich ein Komet komplett auflöst (so wie zum Beispiel der Komet ISON Ende letzten Jahres). Aber bei P/2013 R3 kommt das eigentlich nicht in Frage. Dieser Asteroid sitzt mitten im Hauptgürtel der Asteroiden; also zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter und bleibt dort auch. Er kommt der Sonne nicht nahe und die Temperaturen reichen nicht aus, um etwaiges Eis in seinem Inneren zu schmelzen. Außerdem haben Jewitt und seine Kollegen das Lichtspektrum der Staubhülle untersucht und darin keine Spuren von Eis gefunden. Es handelt sich um eine ganz normale Hülle aus Staub und nichts weist auf die Prozesse hin, die normalerweise bei Kometen ablaufen.
Es ist auch unwahrscheinlich, dass irgendwas auf P/2013 R3 eingeschlagen hat um so die vielen Fragmente zu erzeugen. Solche Kollisionen zwischen Asteroiden kommen auch immer wieder mal vor; nur sollten dann die davon fliegenden Trümmerteile bestimmte Geschwindigkeiten haben und vor allem sollten sie alle zur gleichen Zeit davon geflogen sein. Eine genaue Untersuchung der Bruchstücke hat aber gezeigt, dass sie teilweise viel zu langsam sind, um bei einer Kollision entstanden zu sein und andererseits auch nicht alle gleichzeitig entstanden sind, sondern sich nach und nach gelöst haben.
Deswegen kommen Jewitt und seine Kollegen zu dem Schluss, dass hier etwas anderes passiert sein muss. Und zwar etwas, das den schönen Namen Yarkovsky-O’Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt trägt. Man kürzt das normalerweise zu YORP-Effekt ab und beschreibt damit den Einfluss der Sonnenstrahlung auf die Rotation eines Asteroiden. So wie alles andere im Universum drehen sich auch Asteroiden um ihre Achse. Manche schneller, manche langsamer und manche zuerst langsam und dann schnell. Der Grund dafür ist der YORP-Effekt: kleine Himmelskörper wie die Asteroiden haben oft zu wenig Masse, um unter ihrem eigenen Gewicht zusammenzufallen und eine runde Form anzunehmen. Sie können völlig unregelmäßig geformt sein, wie man es zum Beispiel erst kürzlich wieder beim Asteroid Itokawa festgestellt hat. Wenn sie nun von der Sonne angestrahlt werden, dann erwärmen sie sich natürlich. Und geben diese Wärme dann wieder zurück ins All. Wären sie regelmäßig geformt, dann würde auch die Abgabe der Wärme ins All regelmäßig erfolgen. Da sie das aber eben oft nicht sind, wird die Wärme nicht gleichmäßig abgestrahlt und es entsteht eine kleine Kraft, die sich auf die Rotation des Asteroiden auswirkt. Das sind wirklich nur winzige Änderungen, aber wenn man lange genug wartet, dann summiert sich das auf und irgendwann wird es kritisch. Denn dann hat sich die Rotation so sehr beschleunigt, dass der Asteroid auseinanderfällt. Dazu braucht es keine gewaltigen Drehgeschwindigkeiten; die meisten Asteroiden sind eher fliegende Geröllhaufen und keine soliden Festkörper und es braucht nicht viel, sie aufzulösen.
Bei P/2013 R3 haben Jewitt und seine Kollegen berechnet, dass es nur knapp eine Million Jahre braucht, um mit dem YORP-Effekt die Geschwindigkeit so sehr zu erhöhen, dass sich einzelne Brocken ablösen und alles langsam auseinander driftet. Und eine Million Jahre sind für ein Asteroiden nicht lange; das ist nicht weiter bemerkenswert. Sehr bemerkenswert ist aber die Tatsache, dass wir gerade im richtigen Moment hingesehen haben um die Auflösung von P/2013 R3 zu beobachten. Dieser Vorgang zeigt uns, dass wir die Asteroiden noch immer nicht ganz verstanden haben und es hier noch viel zu entdecken gibt. Die Sonne scheint nicht nur mit ihrer Gravitation das Schicksal der kleinen Himmelskörper zu bestimmen, sondern auch mit ihrem Licht…
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