Der Stern HR 5171 A wurde schon im Jahr 1971 das erste Mal beobachtet. Damals wusste man schon, dass man etwas besonderes entdeckt hat: Einen gelben Hyperriesen. So nennt man Sterne, die verdammt groß sind, dabei aber weder enorm heiß, wie die blauen Hyperriesen und weder sehr kühl, wie die roten Hyperriesen. Die gelben Hyperriesen sind selten – man kennt bis jetzt gerade mal 12 Stück von ihnen. Und es ist eigentlich überraschend, dass man überhaupt so viele entdeckt hat! Denn sie führen ein so kurzes Leben, dass man schon sehr viel Glück braucht, um einen zu finden. Ganz besonders einen so interessanten Hyperriesen wie HR 5171A.
Das Leben eines Sterns wird maßgeblich von seiner Masse bestimmt. Je schwerer ein Stern ist, desto mehr Masse drückt auf sein Zentrum und desto heißer wird es dort. Je heißer es wird, desto schneller verbrennt er sein Material, desto heller leuchtet er und desto kürzer ist seine Lebensdauer. Am Ende seines kurzen Lebens bläht er sich auf und wird zu einem Riesenstern. Das machen alle Sterne; auch die kleinen und auch unsere Sonne. Sie wird sich am Ende ihres Lebens allerdings “nur” bis ungefähr zur Erdbahn ausdehnen. Die großen Sterne, die ungefähr die 25fache Sonnenmasse habe, werden dagegen viel größer. Sie leben nur ein paar Millionen Jahre lang und werden gegen Ende ihres Lebens enorm groß, heiß und hell. Das sind dann die blauen Hyperriesen. Wenn sie dann später noch ein bisschen größer werden und weiter abkühlen, werden sie zu roten Hyperriesen. Aber auch das ist kein stabiler Zustand. Bei solchen Sternen herrscht ein gewaltiger Sternenwind; der Stern leuchtet so hell und setzt so viel Energie frei, dass Teile seiner äußeren Atmosphäre ins All geschleudert werden. Der zurückbleibende Sternrest fällt unter seinem eigenen Gewicht weiter zusammen und wird dadurch wieder heißer, heller und kehrt zurück zum Stadium eines blauen Hyperriesen. Sterne können vermutlich ein paar Mal zwischen blauen und roten Riesenzuständen wechseln. Und dazwischen sind sie gelbe Hyperriesen.
Man geht heute davon aus, dass es sich bei den meisten der bekannten gelben Hyperriesen um ehemalige rote Hyperriesen handelt, die durch den Sternwind schon große Teile ihrer Atmosphäre verloren haben. Manche könnten sich aber auch in die andere Richtung entwickeln. Das genau herauszufinden ist schwer, denn das hängt von der Ursprungsmasse der Sterne ab, die sich nicht so einfach bestimmen lässt. Vor allem dann nicht, wenn man so wenig Daten hat. Denn die gelben Hyperriesen bleiben nur ein paar zehntausend Jahre lang in ihrem Zustand und wir haben Glück, überhaupt ein paar von ihnen beobachten zu können!
Den in den 1970er Jahren entdeckten Hyperriesen HR 5171 A haben Olivier Chesneau vom Observatiore de la Côte d’Azur in Nizza und seine Kollegen nun nochmal neu und genauer beobachtet als zuvor (“The yellow hypergiant HR 5171 A: Resolving a massive interacting binary in the common envelope phase”). Man wusste ja bisher schon, dass HR 5171 A Teil eines Doppelsternsystems ist. Der Begleiter HR 5171 B ist allerdings weit entfernt. Was man nicht wusste, ist, dass HR 5171 A selbst ein Doppelstern ist! Obwohl es sich dabei kaum noch um zwei getrennte Objekte handelt. Die beiden Komponenten von HR 5171 A sind einander so nahe, dass sie ein einziges großes Objekt bilden. Als sich der gelbe Hyperriese immer weiter ausgedehnt hat, gelangte er irgendwann in den gravitativen Einflussbereich seines Nachbarsterns und seitdem gehören sie zusammen. So ungefähr stellen sich Chesneau und seine Kollegen HR 5171 A vor:
Man sieht den großen Stern und seinen kleinen Partner und außerdem noch eine Achse, die einen Größenvergleich mit unserem Sonnensystem bietet. Würde man die Sonne mit HR 5171 A ersetzen, dann würde der Riesenstern bis hinter die Bahn des Jupiters reichen und rechnet man den Partnerstern dazu, reichen beide bis hinter die Bahn des Saturn. Und die Sternwinde und die Atmosphäre die beide Sterne umgibt reicht noch viel weiter hinaus; knapp 6000 Astronomische Einheiten, also weiter weg als alle Objekte die wir in unserem Sonnensystem kennen.
Die Entdeckung des kleinen Partners war nicht die einzige Überraschung. Chesneau und seine Kollegen haben auch herausgefunden, dass HR 5171 A viel größer ist, als gedacht. Bisher ging man davon aus, dass gelbe Hyperriesen höchsten 700 Mal größer als die Sonne sind. HR 5171 A ist aber 1300 Mal größer! Er gehört damit zu den 10 größten bisher bekannten Sternen (liegt dabei aber ganz hinten auf Platz 10). Man muss jetzt natürlich erst Mal herausfinden, wie sich der Partnerstern auf den großen Stern auswirkt; wie viel Masse er von ihm abzieht; wie das die Entwicklung des Hyperriesen beeinflusst, und so weiter. So ein Objekt konnte man bis jetzt noch nicht untersuchen und es gibt jede Menge Fragen, auf die man Antworten haben möchte…
Es handelt sich tatsächlich um ein ziemlich beeindruckendes Objekt – vor allem auch, weil man den Stern schon so lange beobachtet hat. Die Daten die seit 1971 gewonnen werden konnten zeigen, dass der Hyperriese in ständiger Veränderung begriffen ist. In den letzten 40 Jahren hat sich die Helligkeit immer wieder geändert, wie diese Daten zeigen:
(Hier sind auch ein paar Daten aus den 1960er Jahren eingezeichnet, die gewonnen wurden als man noch nicht wusste, dass es sich um einen Hyperriesen handelt).
Die starken Änderungen in der Helligkeit werden natürlich einerseits durch den Umlauf des kleineren Sterns um den großen verursacht, der sich mit einer Periode von 1300 Tagen um den Hyperriesen herum bewegt. Die Helligkeit ändert sich aber auch, wenn der Stern wieder mal Teile seiner Atmosphäre ins All schleudert. Das Material absorbiert dann das Licht des Sterns und gibt es als Infrarotstrahlung wieder ab. Die visuelle Helligkeit ändert sich dadurch immer wieder und es ist knifflig, den Stern selbst zu beobachten. Aber es ist wichtig! Gerade solche schwer zu beobachtenden und kurzlebigen Übergangsstadien sind es, aus denen wir viel über die Entwicklung von Sternen lernen können und an denen wir unsere Modelle kalibrieren müssen. Unsere Sonne ist ein gelber Zwergstern und hat ein ganz anderes Schicksal vor sich. Aber die Riesensterne sind es, die am Ende ihres Lebens in gewaltigen Explosionen vergehen und dabei all die schweren Elemente im All verteilen, die nötig sind, damit Planeten entstehen können. Wenn wir wissen wollen, wie das Universum zu dem wurde, was es heute ist, dann müssen wir auch diese schnelllebigen Riesensterne verstehen!
Kommentare (14)