Es geht weiter mit dem Astrodicticum-Simplex-Buchclub. Wir lesen gemeinsam ein Buch und zwar “Die Vermessung des Universums” von Lisa Randall (Hinweis: Das hier ist keine komplette Rezension des Buches. Ich erwähne hier nur ein paar interessante Themen und gebe keinen vollständigen Überblick. Ich gehe davon aus, dass jeder der am Buchklub-Projekt mitmacht, das Buch auch selbst gelesen hat und über den Inhalt Bescheid weiß). Im ersten Teil haben wir über Sinn und Unsinn von langen Einleitungen diskutiert und über Randalls Erklärung der wissenschaftlichen Methodik. Im zweiten Teil haben wir gelesen, wie Randall Wissenschaft gegenüber Kunst und Religion abgrenzt. Im dritten Teil gab es eine Einführung in die Grundlagen der Teilchenphysik und die Funktionsweise eines Teilchenbeschleunigers und in Teil 4 hat Randall erzählt, was man mit so einem Beschleuniger alles entdecken kann und wie die Technik dahinter aussieht. Darum geht es auch in den Kapitel 8 und 9, die wir heute besprechen. Darin spricht Randall von der spannenden Konstruktionsgeschichte des LHC und den angeblichen Gefahren, die von ihm ausgehen.
Kapitel 9 (“The Return Of The Ring”) gibt noch einmal einen kompletten Überblick über die Geschichte des Europäischen Kernforschungszentrum CERN und den Bau des Teilchenbeschleunigers LHC. Ich bin ja immer wieder beeindruckt davon, wie lange es dauert, solche großen wissenschaftlichen Projekte umzusetzen. Das ist ja bei Satelliten nicht anders als bei Teilchenbeschleunigern. Das braucht Jahrzehnte, bis die Dinger endlich fertig sind. Der erste Vorschlag für den LHC wurde im Jahr 1984 gemacht – fertig gestellt wurde er im Jahr 2008. Was dazwischen alles passiert, erzählt Randall ziemlich spannend. Sie beginnt mit der Gründung des Kernforschungszentrums CERN im Jahr 1952 (dessen Akronym aber schon lange nicht mehr mit dem eigentlichen Namen übereinstimmt), als die Länder Europas nach dem Krieg den Anschluss an die Forschung nicht verlieren wollten. Randall schreibt:
“International collaborations would do well to study CERN’s evolution and its current operations. It is perhaps the most successful international enterprise ever created.”
Ja, was die internationale Zusammenarbeit angeht läuft das in der Wissenschaft immer ziemlich gut. Im Gegensatz zur Politik verfolgen die Wissenschaftler meistens immer ein gemeinsames Ziel und haben kein Interesse an irgendwelchen nationalen Streitereien. Deswegen ist es bei Organisationen wie CERN auch kein Problem, wenn die unterschiedlichsten Nationen auf einen Haufen zusammengeschmissen werden. Wenn etwas problematisch ist, dann eher die Finanzierung. Hier sind es leider immer wieder die nationalen Interessen der Politiker, die das große internationale Ganze gefährden (auch Österreich wollte ja vor ein paar Jahren bei CERN aussteigen was dann glücklicherweise doch nicht passiert ist). Randall beschreibt, wie der in den USA geplante riesige SSC-Beschleuniger von den Politikern wieder gestoppt wurde (wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich dieses Buch) und wie wenig Geld so ein Beschleuniger eigentlich kostet, verglichen mit anderen Ausgaben (“ein Bier pro Europäer pro Jahr”).
Interessanterweise ist es immer wieder Deutschland, dass die Planungen für den Bau des Beschleunigers durcheinander bringt, weil im Zuge der Wiedervereinigung die Beitragszahlungen an CERN gekürzt wurden…
Interessant waren auch die vielen technischen Probleme, die man beim Bau des Beschleunigers hatte. Der Fund einer römischen Villa; der Boden der ausgegrabenen Höhlen der sich plötzlich zu heben begann oder die ganzen teuren Magneten, die am CERN-Parkplatz gelagert werden mussten, weil der Rest noch nicht fertig war. Und als der riesige CMS-Detektor am Stück in die Kaverne hinab gelassen wurde, hätte ich gerne dabei zugesehen. Sehr ausführlich beschreibt Randall auch die Freude, die nach dem erfolgreichen Start des Beschleunigers geherrscht hat und den Frust, als ein Defekt den Betrieb wieder stoppte.
Die Geschichte von CERN und LHC fand ich ziemlich spannend und ich hätte gern noch mehr davon gehört. Aber klar, das hier ist ein Buch über Teilchenphysik und nicht über Wissenschaftsgeschichte. Aber mich würde schon interessieren, ob es irgendwie eine verständlich geschriebene komplette Geschichte des CERN/LHC gibt, die ebenso packend und locker zu lesen ist wie die Kapitel in Randalls Buch. Wenn jemand da was kennt, sagt bitte Bescheid!
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