Wie schon am Dienstag angekündigt haben Astronomen etwas ziemlich cooles in unserem Sonnensystem entdeckt: Einen Asteroiden, der Ringe hat!
Es geht um den Asteroid Chariklo. Der gehört zu einer Gruppe, die man die Zentauren nennt (ich habe sie in meiner Asteroiden-Übersicht schon mal beschrieben). Dabei handelt es sich um Asteroiden, die sich im äußeren Sonnensystem zwischen den Bahnen von Jupiter und Neptun befinden. Sie sind quasi das Gegenstück zu den erdnahen Asteroiden im inneren Sonnensystem, die sich zwischen den Bahnen von Mars und Merkur bewegen. So wie die erdnahen Asteroiden sind auch die Zentauren nicht auf stabilen Bahnen unterwegs. Da sie immer wieder mal in die Nähe der großen Gasriesen kommen, sorgen die dabei auftretenden gravitativen Störungen für abrupte Bahnänderungen. Am Ende werden die Zentauren dann aus dem Sonnensystem geworfen, kollidieren mit einem Planeten oder stürzen in die Sonne.
Wenn nicht immer irgendwo her neue Zentauren nachgeliefert würden, dann könnten wir heute keine mehr beobachten. Man geht davon aus, dass immer wieder Mal neue Asteroiden aus dem fernen Kuipergürtel in die Zentaurenregion transportiert werden. Genau so wie gravitative Störungen von Jupiter bzw. Kollisionen zwischen Asteroiden im Asteroiden-Hauptgürtel immer mal wieder Himmelskörper in die Region der erdnahen Asteroiden werfen, können auch Kollisionen im Kuipergürtel hinter der Neptun-Bahn bzw. Störungen von Neptun selbst den Nachschub für die Zentauren liefern.
Eine zweite Quelle könnten Kometen sein. Auch von denen kommen immer wieder Mal welche in die Nähe der Gasriesen, wo sie dann auf Zentauren-Bahnen umgelenkt werden können. So weit von der Sonne entfernt zeigen die Kometen kaum Aktivität und keinen Schweif und unterscheiden sich kaum von Asteroiden. Die Grenzen sind aber sowieso fließend, denn dort draußen enthalten alle Kleinkörper jede Menge Eis. Das hat mit der Entstehungsgeschichte und der “Schneelinie” zu tun (ich habe das in meinem Podcast ausführlich erklärt); also der Grenze im Sonnensystem, hinter der es kühl genug ist, damit auch Wasser oder Methan in gefrorener Form vorliegen und für den Bau von Himmelskörpern verwendet werden können.
Die Zentauren zeigen sowohl charakteristische Anzeichen von Kometen als auch von Asteroiden. Ein schönes Beispiel dafür ist Chiron, der 1977 als erster “offizieller” Zentaur entdeckt wurde (man hatte schon davor einen Asteroiden aus dieser Gruppe entdeckt, aber noch nicht erkannt, dass es sich um eine eigene Gruppe handelt). 1991 fand man dort auch eine kometentypische Koma, also eine Hülle aus Gas und Staub, die den Asteroiden/Kometen umgibt.
Der größte der (bekannten) Zentauren ist aber Chariklo, der 1997 entdeckt wurde. Er durchmisst 260 Kilometer und wird wegen dieser Größe auch als potentieller Zwergplanet eingeschätzt. Er befindet sich auf einer leicht exzentrischen Bahn und ist durchschnittlich 16 Mal weiter entfernt von der Sonne als unsere Erde. Damit befindet er sich in der Region zwischen Saturn und Uranus; also ungefähr in der Mitte des äußeren Sonnensystems. Zumindest jetzt noch, denn auch die Bahn von Chariklo ist nicht für alle Zeiten stabil. Computersimulationen allerdings zeigen, dass er auf jeden Fall noch ein paar zehntausend Jahre mehr oder wenig auf seiner jetzigen Bahn verbringen wird, bevor er sich dem Uranus regelmäßig annähert und auf eine neue Bahn geschleudert werden kann.
Im Juni 2013 zog Chariklo von der Erde aus gesehen genau vor dem Stern mit dem langweiligen Namen UCAC4 248-108672 vorüber. Solche Sternbedeckungen sind eine gute Gelegenheit, um die Größe eines Asteroiden mit hoher Genauigkeit zu bestimmen. Das wollten auch der brasilianische Astronom Felipe Braga-Ribas und seine Kollegen machen und haben beobachtet, wie das Licht des Sterns für kurze Zeit von Chariklo ausgeblendet wurde. Sie haben allerdings nicht damit gerechnet, dass der Stern auch knapp vor der Bedeckung kurz dunkler wurde und das gleiche auch nochmal kurze Zeit nach der Bedeckung passierte.
Leute, die sich mit Sternbedeckungen auskennen, wissen, was das bedeuten kann. Im März 1977 beobachteten die Astronomen James L. Elliot, Edward W. Dunham und Douglas J. Mink, wie der Uranus einen Stern bedeckte. Sie wollten sehen, wie das Licht des Sterns beim Durchgang durch die äußeren Schichten von Uranus’ Atmosphäre abgeschwächt wird und so mehr über seine Zusammensetzung erfahren. Und auch sie wurden durch unerwartete Verdunkelungen vor und nach der eigentlichen Bedeckung überrascht. Der Grund dafür waren die Ringe des Uranus, die man auf diese Art das erste Mal zweifelsfrei nachweisen konnte. Ringe sind im Sonnensystem nicht außergewöhnlich. Alle vier großen Gasplaneten haben sie und auch der Mars könnte welche haben (ich habe die Geschichte der planetaren Ringe in Folge 36 meiner “Sternengeschichten” erzählt). Ringe bei Planeten sind normal – aber Ringe bei Asteroiden?
Doch genau das ist es, was Braga-Ribas und seine Kollegen entdeckt haben: Chariklo hat zwei Ringe, insgesamt knapp 20 Kilometer breit mit einer 8 Kilometer großen Lücke dazwischen. Man hat sie (provisorisch) nach den brasilianischen Flüssen “Oiapoque” und “Chuí” benannt und vermutet, dass sie von einer früheren Kollision stammen. Und wenn das so war, dann sind da vermutlich auch noch größere Brocken. Es ist also wahrscheinlich, dass Chariklo auch noch von einem (oder mehreren) kleinen Monden umkreist wird.
So einen schmalen und kleinen Ring zu entdecken, ist keine leichte Aufnahme. Es war nur möglich, weil die Astronomen mit ihren Kameras bis zu 10 Bilder pro Sekunde machen konnten und so den kurzen Zeitraum nicht verpasst haben, in dem der Ring das Licht des Sterns verdunkelte. Man hatte auch die Möglichkeit, das Lichtspektrum zu untersuchen und fand Wassereis im Ring – das heißt, dass zumindest ein Teil der Partikel, die den Ring bilden, aus kleinen Eisbrocken bestehen muss. Wie der Ring von Chariklo genau entstanden ist, weiß man allerdings noch nicht. Möglichkeiten gibt es einige und Kollisionen sind immer eine gute Quelle für Ringteilchen. Es könnte zu Beispiel ein anderer Asteroid mit Chariklo zusammengestoßen sein und dabei Eis von seiner Oberfläche ins All geschleudert haben, wo es dann einen Ring gebildet hat. Oder der einschlagende Asteroid bestand selbst aus Eis und hat sich aufgelöst. Viele Asteroiden sind aber auch generell nur ein Haufen lose zusammengehaltener Schutt und wenn die schnell genug rotieren, kann sich Material ablösen. Es kann sich um einen Doppelasteroiden gehandelt haben, die sich zu nahe gekommen sind. Oder es war ein ganz anderer und bisher unbekannter Prozess…
Asteroiden mit Monden bzw. Doppelasteroiden kennt man schon viele. Aber einen beringten Asteroiden hat man bisher noch nicht entdeckt. Das ist einerseits ein Zeichen dafür, dass die Kollision, sofern es eine war (astronomisch gesehen) noch nicht allzu lange zurück liegt. Andererseits zeigt uns die Entdeckung wieder einmal, dass unser Sonnensystem vielfältiger ist, als man bisher dachte.
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