Pluto und sein Mond Charon sind im Sonnensystem ziemlich einzigartig. Pluto hat einen Durchmesser von 2310 Kilometer und Charon durchmisst 1207 Kilometer. Im Vergleich mit den Planeten ist das nicht viel; aber relativ gesehen hat kein Himmelskörper des Sonnensystems so einen großen Begleiter. Aber das eigentlich einzigartige des Pluto-Charon-Systems ist das Resultat der Gezeitenkräfte, die zwischen ihnen wirken. Von Pluto aus gesehen kann man immer die selbe Seite von Charon beobachten, so wie man auch von der Erde aus immer die selbe Seite des Mondes sieht. Aber auch von Charon aus sieht man immer die selbe Seite des Pluto und hier unterscheidet sich die Situation von der bei Erde und Mond. Irgendwann in ferner Zukunft wird man auch vom Mond aus immer die selbe Seite der Erde sehen, aber noch ist es nicht so weit. Die Gezeitenkräfte, die der Mond auf die Erde ausübt sind nicht so stark und es dauert, bis die Rotation der Erde ausreichend abgebremst wird. Bei Pluto und Charon ist es schon so weit und das lässt interessante Rückschlüsse auf deren Inneres zu.
Die Gezeitenkräfte, die zwischen zwei Himmelskörpern sind ein wenig knifflig zu beschreiben und für eine ausführliche Erklärung verweise ich auf meine frühere Erklärung. Im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass die Gezeiten die von einem Himmelskörper auf den anderen wirken, dessen Rotation bremsen. Die Erde bremst also die Rotation des Mondes und der Mond die Rotation der Erde. Erst wenn eine Drehung um die eigene Achse genau so lange dauert wie ein Umlauf der Himmelskörper umeinander, stellt sich ein Gleichgewicht ein und die Gezeitenbremse verliert ihre Wirkung. Die starken Gezeitenkräfte der großen Erde haben die Rotation des Mondes schon entsprechend gebremst und er braucht nun für eine Drehung um seine Achse genau so lange wie für einen Umlauf um die Erde. Der kleinere Mond hat die Erde aber noch nicht ausreichend bremsen können. Da Pluto und Charon aber beide annähernd gleich groß und schwer sind, hat sich dort das Gleichgewicht schon eingestellt und beide Himmelskörper zeigen einander immer die gleiche Seite.
Die Planetologen Amy Barr und Geoffrey Collins haben diesen Umstand ausgenutzt, um die tektonischen Vorgänge auf Pluto und Charon zu untersuchen (“Tectonic Activity on Pluto After the Charon-Forming Impact”). Man geht heute davon aus, dass Charon – so wie der Mond der Erde – aus einem großen Einschlag in der Frühzeit des Sonnensystems entstanden ist. In der Zeit seit damals haben die Gezeitenkräfte dann für eine Synchronisation der Umlauf- bzw. Rotationszeiten gesorgt und das könnte tektonische Aktivitäten auf den Himmelskörpern verursacht haben. Leider weiß man nicht, wie Pluto oder Charon tatsächlich aussehen, da bis jetzt keine Raumsonde die Himmelskörper besucht hat. Aber das wird sich nächstes Jahr ändern, wenn New Horizons am 14. Juli 2015 die fernen Objekte endlich erreicht. Dann wird man auch sehen können, ob es dort tatsächlich tektonische Strukturen auf der Oberfläche gibt und daraus lassen sich dann Informationen über die frühere Entwicklung des Pluto-Charon-Systems ableiten.
Um darauf vorbereitet zu sein, haben sich Barr und Collins genau überlegt, wie diese tektonischen Strukturen aussehen könnten und wie sie vom inneren Aufbau des Plutos abhängen. Sie haben sich dazu drei verschiedene Modelle angesehen. Im ersten besteht Pluto aus einer homogenen Mischung von Fels und Eis. Im zweiten Modell ist Pluto ein differenzierter Himmelskörper mit einem Kern aus Fels der von einer Hülle aus Eis umgeben ist. Und im dritten Modell befindet sich zwischen Felskern und Eishülle noch ein Ozean aus flüssigem Wasser. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es zumindest früher einmal so einen Ozean gegeben hat. Nach dem Impakt bei dem Charon entstand könnte ein Teil des Eises geschmolzen sein. Es wäre aber auch möglich, dass Pluto von Anfang an genug Wärme aus der Zeit seiner Entstehung gespeichert hat, um einen Teil seines Inneren geschmolzen zu halten. Oder aber die durch die Gezeitenkräfte auftretende Reibung hat genug Wärme erzeugt, um den Ozean auch später noch flüssig zu halten (so wie die Gezeitenreibung ja auch die inneren Jupitermonde enorm stark aufheizt und dort Vulkanismus und andere Phänomene verursacht). Ein Aufschmelzen des Eises könnte auch dafür gesorgt haben, dass ein ursprünglich homogener Pluto sich im Laufe der Zeit zu einem differenzierten Körper mit Felskern und Eishülle gewandelt hat.
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