Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Die perfekte Theorie: Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie”* (im Original “The Perfect Theory: A Century of Geniuses and the Battle over General Relativity”* von Pedro Ferreira. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier
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Im ersten Kapitel des Buches geht es natürlich um Albert Einstein. Um wen auch sonst? Man kann kein Buch über die Entwicklung der modernen Physik schreiben, ohne Albert Einstein zu erwähnen und schon gar kein Buch über die Allgemeine Relativitätstheorie. Vielen Leuten ist oft gar nicht bewusst, dass Einstein nicht “Die Relativitätstheorie” erfunden hat, sondern zwei unterschiedliche Theorien entwickelte. Die eine stammt aus seinem berühmten “Annus Mirabilis”, dem Wunderjahr 1905, in dem Einstein gleich vier wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht hatte von denen jeder einzelne die Physik maßgeblich beeinflussen sollte.
Einer davon war der Aufsatz “Zur Elektrodynamik bewegter Körper” und er enthält das, was wir heute die “Spezielle Relativitätstheorie” nennen. Ferreiras Buch beschäftigt sich nur kurz damit und nur so weit, wie es nötig ist um zu verstehen, was hier das “spezielle” ist. Einstein machte sich Gedanken über physikalische Inertialsysteme. So nennt man ein Bezugssystem, das sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt. Das klassische Beispiel ist ein mit konstanter Geschwindigkeit fahrender Zug. In diesem Zug müssen und werden genau die gleichen physikalischen Gesetze gelten wie außerhalb. Wenn man sich in so einem Zug befindet und keine Möglichkeit hat, nach außen zu blicken, dann wird man kein physikalisches Experiment machen können, das einem verrät ob sich der Zug bewegt oder gerade still steht. Die Forderung nach der Gleichheit aller Inertialsysteme war nicht neu und schon seit Newton bekannt. Die von Isaac Newton aufgestellten Gesetze zur Beschreibung bewegter Körper, die Newtonsche Mechanik, muss in allen Inertialsystemen gleich funktionieren. Kompliziert wurde es erst mit der Beschreibung des Elektromagnetismus von James Clerk Maxwell im 19. Jahrhundert. Maxwell konnte zeigen, dass Elektrizität und Magnetismus nur unterschiedliche Ausprägungen der selben Kraft sind, des Elektromagnetismus. Das Problem an der Sache war nur: Man konnte Maxwells Elektromagnetismus und Newtons Mechanik nicht unter ein gemeinsames theoretisches Dach bringen. Der Elektromagnetismus genügte nicht der Forderung, dass alle Inertialsysteme identisch sind. Man kann sich Situationen ausdenken, in denen ein bewegter Beobachter eine Kraft misst, aber ein ruhender Beobachter nicht.
Diesen Widerspruch wollte Albert Einstein auflösen, als er “Die Elektrodynamik bewegter Körper” verfasste und seine Lösung war es, die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zu fordern. Egal in welchen Bezugssystem man sich befindet; egal wie schnell man sich bewegt: Man wird immer eine Lichtgeschwindigkeit von exakt 299.792,458 Kilometer pro Sekunde messen. Mit dieser Forderung konnte Einstein Elektromagnetismus und Newtonsche Mechanik vereinen, allerdings mit seltsamen Konsequenzen. Wenn die Geschwindigkeit des Lichts immer konstant ist, egal wie schnell man sich durch den Raum bewegt und da Geschwindigkeit ja nichts anderes ist als Zeit pro Länge, können nun eben Zeit und Länge nicht mehr absolut sein! Einstein zeigte, dass Zeit und Raum fest miteinander verknüpft und austauschbar sind. Jeder Körper bewegt sich immer mit konstanter Geschwindigkeit durch die Raumzeit. Und damit das klappt, muss er sich um so langsamer durch die Zeit bewegen, um so schneller er sich durch den Raum bewegt.
1907 war Einstein gerade dabei, noch einmal alle Konsequenzen zu überdenken, die sich aus seiner Theorie ergeben. Man hatte ihn gebeten, eine Zusammenfassung seiner Theorie zu verfassen und als Einstein an “Über das Relativitätsprinzip und die aus demselben gezogenen Forderungen” arbeitete, merkte er, dass er noch ein wichtiges Problem übersehen hatte. Seine Theorie war noch nicht allgemein gültig. Sie inkludierte zwar die Newtonsche Mechanik, aber nicht die Newtonsche Gravitation. Laut Isaac Newton breitet sich die Gravitationskraft unmittelbar aus, quasi mit unendlicher Geschwindigkeit. Das widerspricht aber Einsteins Forderung, dass sich nichts schneller als Licht bewegen kann.
Einstein dachte also darüber nach, wie der die Gravitation in seine Theorie einbauen könnte. Die Idee, die ihn schließlich auf den richtigen Weg führen sollte, beschrieb Einstein später so:
“Wenn sich eine Person im freien Fall befindet, dann spürt sie ihr eigenes Gewicht nicht.”
Wer fällt, ist schwerelos. Das deutet darauf hin, dass es eine Beziehung zwischen Beschleunigung und Schwerkraft gibt. Einstein musste seine bisherige Theorie irgendwie so abwandeln, dass sie nicht nur in gleichförmig bewegten Inertialsystemen gilt, sondern auch in Systemen wo eine Gravitationsbeschleunigung wirkt. Er hatte zwar noch keine Ahnung, wie er das tun sollte – aber war zuversichtlich, dass es ihn zur Lösung führen würde: Einer allgemeinen Relativitätstheorie, die auch die Schwerkraft inkludiert. Und weil Einstein eben ein Genie war, fügte er dem Aufsatz mit der Zusammenfassung der speziellen Relativitätstheorie gleich noch ein Kapitel an in dem er erklärte, was passieren würde, wenn man das Relativitätsprinzip auch auf die Schwerkraft ausweiten würde. Dann sollte die Gravitation die Ausbreitung des Lichts verändern, Uhren langsamer gehen lassen und eventuell könnte man damit sogar das lange bestehende Problem der Merkurbahn lösen, die sich mit Newtons Gravitationstheorie irgendwie nie vernünftig berechnen ließ. Mit allen drei Vorhersagen sollte Einstein recht behalten. Aber es war noch ein harter Weg, bis er seine Allgemeine Relativitätstheorie tatsächlich veröffentlichen konnte…
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