Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Die perfekte Theorie: Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie”* (im Original “The Perfect Theory: A Century of Geniuses and the Battle over General Relativity”* von Pedro Ferreira. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier
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Im ersten Kapitel des Buchs haben wir erfahren, was eigentlich das allgemeine an der Allgemeinen Relativitätstheorie ist und wie Albert Einstein überhaupt auf die Idee kam, sie zu entwickeln. Im zweiten Kapitel hat Einstein dann mühsamer Rechnerei endlich herausgefunden, wie er diese Theorie formulieren kann. Und nun geht es daran herauszufinden, was man damit anstellen kann…
Gleichungen aufzustellen ist nur der erste Schritt. Und meistens viel einfacher als der nächste Schritt: Eine Lösung für die Gleichungen zu finden. Einstein wollte natürlich auch der erste sein, der eine Lösung für die Feldgleichungen findet. Als Studienobjekt suchte er sich das gesamte Universum aus. Seine Gleichungen beschreiben ja, wie sich die Raumzeit unter dem Einfluss einer Gravitationskraft verhält und warum soll man nicht mal nachsehen, wie sich die gesamte Raumzeit unter dem Einfluss der gesamten Masse verhält. Einstein wollte das ganze Universum beschreiben und stellte fest, dass es sich nicht so verhielt, wie er es sich vorgestellt hatte.
Einstein stellte fest, dass sich das Universum laut seinen Gleichungen verändern sollte. Entweder sollte es expandieren oder kontrahieren. Aber es wäre auf keinen Fall statisch und Einstein war fest davon überzeugt, dass sich das Universum in seiner Gesamtheit nicht verändern konnte. Es war schon immer statisch und sollte immer statisch bleiben. Und dieses eine Mal versagte das Genie von Einstein. Er vertraute seinen eigenen Gleichungen nicht und modifizierte sie, um doch noch zu seinem Wunschergebnis kommen zu können. Er führte eine weitere Zahl in die Gleichung ein, die den Effekt einer Expansion bzw. Kontraktion aufhebt, die berühmte “Kosmologische Konstante”.
Andere Wissenschaftler waren offener. Der Belgier Willem de Sitter zum Beispiel. Er erkannte, dass es noch viel mehr Lösungen der Feldgleichungen gibt als die eine, die Einstein gefunden hatte. Je nachdem wie viel Materie im All vorhanden ist, verhält sich das Universum anders. De Sitter fand zum Beispiel ein Modell, in dem das Universum selbst auch statisch war und nicht kontrahierte bzw. expandierte. Aber die Sterne und Galaxien in diesem Universum bewegten sich alle voneinander fort. Einstein hielt das für absurd: “Es scheint unsinnig, solche Möglichkeiten einzuräumen.” war seine Antwort auf de Sitters Vorschlag.
Und auch von den Berechnungen Alexander Friedmanns hielt er nicht viel. Friedmann fand heraus, dass es noch viel mehr Lösungen gibt. Je nach Einfluss von Materie und kosmologischer Konstante kann die Geometrie der Raumzeit ganz unterschiedlich aussehen. Die statischen Universen von Einstein und de Sitter waren nur ein Spezialfall einer viel allgemeineren Lösung, die besagte, dass sich das Universum eben doch verändert. Es konnte expandieren, kontrahieren, es konnte sogar zyklisch zuerst expandieren und dann wieder kontrahieren. Alles hing nur von der Menge der Masse im Universum ab. Friedmann zeigte nicht nur, dass die Feldgleichungen jede Menge Lösungen zuließen, sondern auch, dass es keinen Sinn macht, der kosmologischen Konstante irgendeinen konkreten Wert zuzuweisen, wie Einstein das getan hatte und dass man sie eigentlich auch gleich ganz weglassen konnte.
Einstein war von Friedmanns Arbeit nicht überzeugt und dachte, dass er sich irgendwo verrechnet haben musste. Er fand tatsächlich einen Fehler und veröffentlichte eine kurze Notiz in der er erklärte, das Friedmann sich geirrt hatte. Friedmann allerdings merkte, dass nicht er, sondern Einstein falsch lag. Einstein erkannte das glücklicherweise auch, war aber immer noch überzeugt, dass rein mathematisch zwar ein veränderliches Universum möglich war; es in er Realität aber trotzdem statisch sein musste.
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