Dieser Artikel ist Teil einer fortlaufenden Besprechung des Buchs “Die perfekte Theorie: Das Jahrhundert der Genies und der Kampf um die Relativitätstheorie”* (im Original “The Perfect Theory: A Century of Geniuses and the Battle over General Relativity”* von Pedro Ferreira. Jeder Artikel dieser Serie beschäftigt sich mit einem anderen Kapitel des Buchs. Eine Übersicht über alle bisher erschienenen Artikel findet man hier
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Im ersten Kapitel des Buchs haben wir erfahren, was eigentlich das allgemeine an der Allgemeinen Relativitätstheorie ist und wie Albert Einstein überhaupt auf die Idee kam, sie zu entwickeln. Im zweiten Kapitel hat Einstein dann mühsamer Rechnerei endlich herausgefunden, wie er diese Theorie formulieren kann. Das dritte Kapitel hat gezeigt, dass wir aus der allgemeinen Relativitätstheorie überraschend viel über die Entstehung des Universums lernen können. Kapitel 4 hat erklärt, dass man aus ihr auch faszinierende Erkenntnisse über sterbende Sterne erhalten kann. In Kapitel 5 ging es um Einsteins Gegner und die sind auch noch das Thema von Kapitel 6.
Albert Einstein war 1955 gestorben. Seine Forschung über eine einheitliche Theorie aller Kräfte brachte kein Ergebnis. Alle Welt beschäftigte sich mit der Quantenmechanik und niemand mehr mit der Relativitätstheorie. Aber zumindest war da noch die wissenschaftliche Revolution, die Einsteins Theorien in den 1920er Jahren ausgelöst haben. Das alte Weltbild des ewig statischen Kosmos war gestürzt und durch das Urknallmodell eines Universums mit einem Anfang ersetzt worden. Aber plötzlich schien auch der Urknall zu wanken und eine alternative Kosmologie zumindest in den Augen der Öffentlichkeit die Oberhand zu gewinnen.
Verantwortlich für diesen Wandel war Fred Hoyle. Der britische Wissenschaftler gehört wahrscheinlich zu den bedeutendsten Astronomen des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeit erklärte, wie die Elemente in den Sternen entstehen und hat die komplette moderne Astrophysik beeinflusst. Aber Hoyle war in jeder Hinsicht genial – und hatte oft auch radikal geniale falsche Ideen. Er war zum Beispiel davon überzeugt, dass Krankheiten durch Lebewesen aus dem Weltall verbreitet werden. Und er lehnte das Urknallmodell komplett ab.
Der Begriff “Urknall” bzw. “Big Bang” stammt übrigens von Hoyle selbst und wurde von ihm im Jahr 1949 in einer BBC-Radiosendung verwendet, um auszudrücken, wie lächerlich er die Theorie eines Universums mit einem Anfang hielt. Hoyle fand es absurd, dass die gesamte Materie früher in einem einzigen Punkt vereint war und auf einmal geschaffen wurde. Inspiriert durch den Film “Traum ohne Ende” entwickelte er mit seinen Kollegen Thomas Gold und Hermann Bondi eine alternative Kosmologie, in der das Universum keinen Anfang hatte. Es war zwar nicht statisch und dehnte sich aus – die Beobachtungen von Hubble & Co konnte auch Hoyle nicht ignorieren – aber es hatte keinen Anfang in der Zeit, bei dem alles entstand.
In Hoyles Steady-State-Universum durchzog ein sogenanntes “C-Feld” das gesamte Universum durch das überall ständig neue Materie geschaffen. Das All dehnte sich zwar aus, aber in den ständig neu geschaffenen Zwischenräumen zwischen den Galaxien entstand dank des C-Felds auch ständig neue Materie und so sah der Kosmos trotzdem immer gleich aus. Mir persönlich erscheint es zwar ein wenig unlogisch, warum es eine Verbesserung darstellt, wenn man statt einem einzigen Ereignis bei dem Materie entsteht unzählige viele Ereignisse postuliert, bei denen Materie entsteht – aber Hoyle, Bondi und Gold hielten es für eine gute Alternative. Und da Hoyle in der Öffentlichkeit extrem populär war und sich sehr intensiv um die Öffentlichkeitsarbeit kümmerte, wurde seine Theorie in der Öffentlichkeit auch sehr bekannt. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft kam die Steady-State-Theorie dagegen nicht so gut an.
Besonders der britische Radioastronom Martin Ryle war ein erbitterter Gegner von Hoyle. Die Radioastronomie war in den 1950er Jahren noch ganz am Anfang. Es war noch nicht lange her, dass er Ingenieur Karl Jansky herausgefunden hatte, dass man am Himmel nicht nur das Licht der Sterne beobachten, sondern auch Radiostrahlung empfangen kann, die von Sternen und Galaxien kommt. Die Astronomen ignorierten die neue Technik anfangs und es war der Hobbyastronom Grote Reber, der 1937 das erste brauchbare Radioteleskop baute und damit den Himmel kartografierte. Er fand dabei etwas, das man “Radiostern” nannte: Isolierte Punkte am Himmel, von denen jede Menge Radiostrahlung ausging und für die man damals kein sichtbares Gegenstück fand.
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