Das ist die Transkription einer Folge meines Sternengeschichten-Podcasts. Die Folge gibt es auch als MP3-Download und YouTube-Video.
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Sternengeschichten Folge 81: Der Wilson-Zyklus – ein langsamer Tanz der Kontinente
Astronomen beschäftigen sich nicht nur mit fernen Sternen und Galaxien und dem, was sich sonst noch so am Himmel abspielt. Manchmal muss man auch in die andere Richtung schauen und den Boden unter unseren Füßen untersuchen. Denn auch die Erde ist ein Himmelskörper und derzeit der einzige, denn wir detailliert und gründlich untersuchen können. Will man mehr über die anderen Planeten im Universum erfahren, dann muss man auch ein wenig Ahnung von Geologie und den Vorgängen im Inneren unseres eigenen Planeten haben.
Die sind allerdings auch nicht unbedingt einfach zu beobachten und verbergen sich unseren Blicken genau so, wie es die fernen Planeten im Universum tun. Und deshalb hat es auch ziemlich lange gedauert, bis man herausgefunden hat, wie unser Planet funktioniert.
Die meiste Zeit über dachte man, die äußere Erscheinung der Erde wäre heute im wesentlich so, wie sie auch in der Vergangenheit war. Die Verteilung der Kontinente auf der Erdoberfläche sah man als unveränderlich an. Wenn sich etwas bewegt, dann nur auf und ab. Man wusste schon in der Antike, dass manche Gegenden die heute trocken sind, früher unter dem Meeresspiegel lagen und fand auch Ruinen die zeigten, dass heute überschwemmte Gebiete früher trockenes Land waren. Die Landmassen der Erde konnten sich also offensichtlich heben und senken und diese vertikale Bewegung wurde nie bezweifelt.
Nur eine horizontale Bewegung der Kontinente konnte sich lange Zeit niemand vorstellen. Wie sollte das auch gehen? Kontinente sind keine Boote, die durch die Ozeane schwimmen. Es gab zwar immer wieder Leute, die anmerkten dass die Küstenlinien von Afrika und Südamerika recht ähnlich aussahen, fast so als wäre das früher einmal eine einzige Landmasse gewesen, die dann auseinandergebrochen und auseinander gedriftet ist. Aber da man sich keinen Mechanismus denken konnte, der das bewirken könnte, hielt man diese Beobachtung eher für eine geografische Kuriosität.
Das blieb auch so, als Wissenschaftler immer mehr Hinweise fanden, dass sie irgendwas grundlegendes übersehen hatten. Naturforscher im 19. Jahrhundert entdeckten zum Beispiel auf unterschiedlichen Kontinenten eng verwandte Tier- und Pflanzenarten. Es war nicht möglich, dass sie sich alle unabhängig voneinander so gleich entwickelt hatten. Es musste einen Weg gegeben haben, wie diese Tiere und Pflanzen sich über die von Ozeanen getrennten Landmassen ausbreiten konnten. Die plausibelste Lösung der damaligen Zeit waren sogenannte “Landbrücken” – also Land, das früher über dem Meeresspiegel lag und es den Tieren und Pflanzen ermöglichte, von Afrika nach Asien oder Amerika zu wandern. Später sollten diese Landbrücken dann unter dem Ozean versunken sein. Daraus hat sich übrigens auch die Legende des versunkenen Kontinents “Lemuria” entwickelt. Diese Landbrücke hat der Naturforscher Philip Sclater im 19. Jahrhundert postuliert um die Verbreitung der Lemuren erklären zu können. Ende des 19. Jahrhunderts ist Lemuria dann aber aus der Welt der Wissenschaft in die esoterischen Lehren der Theosophen übernommen worden und lebt dort bis heute weiter, als zweites “Atlantis” und versunkene Heimat von Aliens, übermenschlichen Lichtwesen und anderen esoterischen Bewohnern…
Ein bisschen Bewegung – buchstäblich – kam erst Anfang des 20. Jahrhunderts in die Sache, als sich Alfred Wegener die Sache mit den zusammenpassenden Küstenlinien noch einmal genauer ansah. Er sammelte viele neue geologische und biologische Argumente für die Behauptung, dass die Landmassen früher einmal vereint waren und dann auseinandergebrochen und sich voneinander weg bewegt haben. Aber seine Ideen wurden von den meisten seiner Kollegen abgelehnt und vielleicht aus damaliger Sicht nicht ganz zu Unrecht. Denn auch Wegener konnte keinen Mechanismus angeben, der die von ihm behauptete Bewegung der Kontinente verursacht.
Erst in den 1960er Jahren änderte sich das Bild. Da entdeckte man den mittelozeanischen Rücken im Atlantik. Bei Vermessungsfahrten die die Tiefe des Ozeans messen sollten, erwartete man eigentlich unterseeische Gebirge zu finden, die von Ost nach West verlaufen und Überreste der ehemaligen Landbrücke zwischen Amerika und Afrika sind. Stattdessen fand man ein mächtiges Gebirge, dass sich von Nord nach Süd quer durch den Atlantik zieht! Noch dazu war dieses Gebirge vulkanisch aktviv – ständig strömte geschmolzenes Gestein aus dem Inneren der Erde in den Ozean und bildete dort neues Gestein. Wenn aber so immer neue Landmassen entstehen und die Erde gleichzeitig ganz offensichtlich nicht größer wird: Dann muss irgendwo auch wieder Land verschwinden und Gestein aufgeschmolzen und zurück ins Innere der Erde geschafft werden.
Es muss also eine Dynamik geben; die Kontinente müssen sich bewegen und der Motor, der diese Bewegung antreibt ist der Vulkanismus entlang der Mittelozeanischen Rücken in den Meeren der Welt. Später entdeckte man auch die sogenannten Subduktionszonen, wo sich Gestein wieder zurück ins Innere der Erde schiebt und schmilzt. Wegeners Theorie der Kontinentaldrift wurde wieder aktuell und zur modernen geophysikalischen Theorie der Plattentektonik weiter entwickelt.
Heute ist durch verschiedenste Messungen einwandfrei erwiesen, dass sich die Landmassen der Erde tatsächlich bewegen. Wir wissen, dass Afrika, Amerika, Asien und all die anderen Kontinente früher nicht getrennt voneinander waren, sondern einen Superkontinent gebildet haben. Vor 200 bis 300 Millionen Jahren gab es nur eine einzige große Landmasse auf unserem Planeten die von einem einzigen großen Ozean umgeben war. Dieser riesige Kontinent hat den Namen “Pangäa” bekommen. Vor ungefähr 150 Millionen Jahren begann Pangäa langsam, auseinanderzubrechen. Vulkanische Tätigkeit sorgte dafür, dass sich Pangäa zuerst in die zwei großen Landmassen Gondwana und Laurasia aufspaltete aus denen dann durch weitere Fragmentierung die heutigen Kontinenten wurde.
Die bewegen sich immer weiter um die Erde, ungefähr mit der Geschwindigkeit mit der auch ein menschliches Haar wächst. Und da die Erde eine Kugel ist, stoßen die Kontinente irgendwann zwangsläufig wieder zusammen. 250 Millionen Jahre in der Zukunft wird wieder ein einziger Superkontinent die Erdoberfläche beherrschen: Pangäa Ultima. Aber auch das wird nicht der letzte Superkontinent bleiben. Der Tanz der Kontinente läuft schon seit Milliarden Jahren und wird noch lange weiter laufen. Alle paar 100 Millionen Jahre bildet sich ein Superkontinent, der danach wieder auseinanderbricht, bevor sich die Bruchstücke im Laufe der nächsten paar 100 Millionen Jahre wieder zusammen finden.
Diesen langsamen geologischen Rhythmus nennt man den “Wilson Zyklus”, nach dem amerikanischen Geologen John Wilson, einem der Pioniere der Plattentektonik. Wilson definierte 8 Phasen, die die Entwicklung eines Superkontinents beschreiben. Alles beginnt mit einer “Ruhephase”, also einem Superkontinent, auf dem erstmal nicht viel weiter passiert. Die Erosion von Wind und Wetter trägt langsam die Gebirge dieses Kontinents ab und die Landmasse harrt der Dinge, die da kommen mögen. Es folgt die nächste Phase, die “Graben-Phase”. Hier sorgen Hotspots unter den Kontinenten für eine Grabenbildung. Ein Hotspot ist ein Bereich, in dem heißes Material aus dem Inneren der Erde aufsteigt. Die Hotspots können die Kruste ausdünnen, bis sie aufbricht und sich lange Gräben bilden, entlang derer ein Superkontinent auseinanderbrechen kann. Danach folgt als nächste Phase das junge ozeanische Stadium. Entlang des Grabens bildet sich nun ein neuer mittelozeanischer Rücken, die Kruste ist so instabil geworden, dass beständig geschmolzenes Gestein an die Oberfläche dringt und der Graben wandelt sich in ein ozeanischen Becken; die Basis eines neues Meeres.
Auf der Erde können wir so etwas zum Beispiel beim roten Meer beobachten, entlang dem Afrika langsam auseinander bricht. Die vierte Phase des Wilson Zyklus ist das reife Ozeanische Stadium. Aus dem kleinen neuen Meer ist mittlerweile ein richtiger Ozean geworden, so wie der heutige Atlantik. Danach kommt die Inversion des Ozeanbeckens: Die Erde kann nicht größer werden und deswegen muss Landmasse an den Rändern des Ozeans wieder versinken. Wenn sich die kontinentalen Platten über- und untereinander schieben, entstehen Gebirge und vulkanische Regionen. In der nächsten Phase beginnt der Ozean sich zu schließen. Die Platten wandern aufeinander zu und das Meer wird immer kleiner, so wie es momentan mit dem Mittelmeer passiert, das in der geologischen Zukunft der Erde ebenfalls verschwinden wird, da Afrika immer weiter auf Europa zuwandert. In der letzten Phase des Wilson-Zyklus ist der Ozean verschwunden, die Kontinente sind aufeinander geprallt und gewaltige Gebirge falten sich auf, so wie das zum Beispiel passiert ist, als Indien mit Asien kollidierte und den Himalaya bildete.
Jetzt haben wir wieder einen großen Superkontinent wie in der ersten Phase und der Wilson-Zyklus beginnt von vorne. Die Kontinente sind zwar langsam, aber beständig in Bewegung. Die Erdoberfläche verändert sich immer und das hat durchaus Auswirkungen. Die Bildung und Zerstörung von Superkontinenten mag zwar für unsere Augen unsichtbar langsam ablaufen. Aber im großen Ganzen der Dinge bestimmt der Tanz der Kontinente unter anderem wie das Klima auf der Erde aussieht und war für einige der größten Massensterben in der Geschichte der Erde verantwortlich. Aber dazu dann mehr in der nächsten Folge der Sternengeschichten.
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