Dass die Forschung aber in den letzten Jahrzehnten durchaus Fortschritte gemacht hat und recht gut weiß, wie die Elemente in Sternen synthetisiert werden; welche Sterne welche Elemente erzeugen können und durch welche Prozesse das passiert, scheint Robitaille entgangen zu sein (dabei würde ein Blick in die Wikipedia schon reichen.
Ich will jetzt nicht noch mehr auf die diversen “Argumente” eingehen. Robitailles “Theorie” unterscheidet sich nicht allzu sehr von diversen anderen physikalischen Privattheorien, die überall im Internet auftauchen. Er hat zwar jede Menge wissenschaftlich aussehende Artikel geschrieben, die alle voll sind mit Zitaten, Quellen, Formeln und Diagrammen. Aber bei näherer Betrachtung steckt keine harte Physik hinter dieser Fassade. Anstatt einen lange Artikel mit 40 “Argumenten” für seine Hypothese zu schreiben, hätte es schon gereicht, eine einzige konkrete Beobachtung vorzuschlagen, die einwandfrei zeigen kann, dass Robitailles Modell des flüssigen metallischen Wasserstoffs korrekt ist bzw. das bestehende Bild der Sonne falsifiziert.
Alexander Unzicker schreibt in seinem Artikel:
“Geradezu bizarr ist, dass Robitaille im Internet als “Crank”, als Spinner, bezeichnet wird, dessen Thesen völlig unhaltbar seien, schließlich sei er ja kein Astronom, sondern nur Nuklearmediziner.”
Das ist falsch. Robitaille wird deswegen als “Spinner” bezeichnet, weil seine Thesen unhaltbar SIND. Dass er kein Astronom ist, spielt keine Rolle. Die Astronomie hat in den letzten Jahren durch unzählige Beobachtungen ein recht gutes Bild vom Verhalten der Sterne gewonnen. Wir beobachten, wie sie entstehen, wie sie leben und wie sie wieder sterben und die theoretischen Vorhersagen der Modelle stimmen mit dem überein was wir tatsächlich beobachten. Auch diverse andere Disziplinen der Astronomie (Spektroskopie, Photometrie, etc) bestätigen durch viele, viele Beobachtungen das aktuelle Bild der Sonne. Wenn Robitaille das alles widerlegen möchte, dann muss er nicht nur viel bessere “Argumente” bringen, er muss vor allem auch erklären, wieso so viele verschiedene Disziplinen mit so vielen verschiedenen Methoden immer und immer wieder zum gleichen Ergebnis kommen.
Robitailles Theorie der flüssigen Metallsonne ist aber an sich nicht weiter bemerkenswert. Solche pseudowissenschaftlichen Thesen findet man überall im Internet. Viel bemerkenswerte ist, dass Telepolis solchen Thesen eine große Bühne bietet und dann auch noch jemanden wie Alexander Unzicker völlig unkritisch darüber berichten lässt. Selbst wenn man vom seltsamen Inhalt absieht, ist der Artikel meiner Meinung nach auch rein qualitativ völlig schlecht. Das Hauptthema ist die Frage, die auch in der Überschrift gestellt wird: Ist die Sonne gasförmig? Und trotzdem Unzicker lange über die angeblich revolutionären Ideen von Robitaille schreibt, erfährt man doch nirgends, wie die eigentlich konkret aussehen und was die angebliche Alternative zur gasförmigen Sonne wäre. Das muss man sich dann selbst zusammensuchen… Unzicker schreibt auch, dass er mit Astronomen und Physikern über das Thema gesprochen hat – bleibt dann aber vage, was deren konkrete Reaktionen und Aussagen angeht. Ein vernünftiger und objektiver Artikel zu so einem Thema hätte ein paar echte Zitate namentlicher genannter Wissenschaftler benötigt und nicht nur den Hinweis auf ein Gespräch mit einem “alten Studienfreund”.
Der Artikel bei Telepolis hat meines Erachtens nach nichts mit Wissenschaftsjournalismus zu tun; nicht einmal was mit Wissenschaftsberichterstattung. Aber das ist ja leider auch nichts neues. Schon früher gab es bei Telepolis ähnlich pseudowissenschaftliche Artikel und sogar Leute wie der LHC-Panikmacher Ottor Rössler durften dort publizieren. Ich weiß nicht, wer dort für die Wissenschaft zuständig ist. Aber die für ein seriöses Medium nötige Distanz zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft scheint mir da nicht gegeben zu sein.
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