Es gibt kaum ein Thema aus der naturwissenschaftlichen Forschung, dass in der breiten Bevölkerung so heftig diskutiert wird wie der Klimawandel. Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung dieses Phänomens ist daher mehr als nur angebracht. Die Kooperation zwischen Natur- und Sozialwissenschaftlern läuft zwar gut, könnte aber besser laufen. Um zu analysieren, wie sich die Änderung des Klimas auf die Situation der Menschen auswirkt und welche Anpassungsstrategien in der Bevölkerung am ehesten akzeptiert oder gewünscht werden, muss die Sozialwissenschaft selbstverständlich von den Naturwissenschaften lernen und ihre Studien auf deren Forschungsergebnissen aufbauen. Der Wissensfluss in die andere Richtung findet dagegen eher selten statt. Dabei könnten die Naturwissenschaften gerade in diesem Bereich stark profitieren. Beim Klimawandel befindet man sich als Forscher in einer besonderen Situation. Man arbeitet an einem Thema, dessen Ergebnisse direkte Auswirkungen auf die Zukunft der Menschen haben werden. Es ist ein Thema, an dem sehr viele Menschen aktiv interessiert sind (was in der Naturwissenschaft nicht so oft vorkommt) und es ist ein Thema, bei dem viele Ängste und viele Fehlinformationen verbreitet sind. Mit den Ergebnissen der sozialwissenschaftlichen Forschung könnten die Naturwissenschaftler ihre eigene Wissenschaftskommunikation viel direkter und effizienter gestalten. Sie könnten auf die spezifischen Probleme und Ängste der Menschen vor Ort eingehen, da diese ja schon vorab von den interdisziplinären Kollegen erhoben worden sind.
Aber dazu müsste diese Art des Wissenstransfers nicht nur speziell in den Projekten eingeplant werden. Es müsste auch das viel größere allgemeine Problem der Wissenschaftskommunikation gelöst werden. Und das besteht nicht darin, dass die Forscher keine Lust hätten, ihre Forschungsergebnisse mit der Bevölkerung zu teilen. Sie können es sich meistens einfach nicht leisten, Zeit für Öffentlichkeitsarbeit aufzuwenden, da dieser Einsatz bei der Beurteilung des akademischen Erfolgs und damit bei der Beurteilung der eigenen Karriere so gut wie nie berücksichtigt wird. Auch wenn konkrete Handlungsganweisungen von Seiten der Sozialwissenschaften bereit gestellt würde, könnten sich die wenigsten Forscher die Zeit für die Wissenschaftskommunikation leisten. Um das zu ändern müsste die gesamte Forschungs- und Förderpolitik umgestaltet werden – was leider nur sehr, sehr langsam passiert.
Auch die sozialwissenschaftliche Klimaforschung an der Universität Lüneburg muss sich wieder um neue Fördergelder bewerben, um ihr erfolgreiches Projekt fortsetzen zu können. Aber – und an der Fakultät für Nachhaltigkeit war das nicht anders zu erwarten – man hat sich schon vorab darum gekümmert, dass die Ergebnisse von A-KÜST in der Bevölkerung verankert bleiben, auch wenn die Forschung in der derzeitigen Form nicht weiter geführt werden sollte. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die wissenschaftliche Arbeit zwar in der entsprechenden Fachliteratur überlebt, aber nicht dort, wo es darauf ankommt: Bei den Menschen, die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden. Verlassen Wissenschaftler nach Einstellung eines Projekts eine Region, dann fühlt sich von den Leuten mit denen man dort kooperiert niemand mehr verantwortlich und alles bleibt liegen. “Das ist bei uns anders”, erklärt Gesa Lüdecke, “weil wir tatsächlich die Leute schon so früh dabei hatten, dass sich bei ihnen auch viel bewegt hat und sie das Thema zu ihrem eigenen gemacht haben.”
Die Menschen haben sich die Wissenschaft genommen und behalten sie. Das Klima wird sich in Zukunft verändern, das ist sicher. Der Klimawandel wird nicht kommen, er ist schon längst da und das weiß niemand besser als die Bewohner an der Küste. Es geht nicht mehr darum, den Klimawandel zu verhindern, sondern mit seinen Folgen zurecht zu kommen. Das wird um so besser funktionieren je mehr die Wissenschaft über die Einstellung der Bevölkerung weiß und je mehr die Menschen von der Wissenschaft lernen.
Alle Artikel aus meiner Serie zum Klimawandel gibt es hier.
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