Der Mond bestimmt mit den Gezeiten aber nicht nur das Leben der Küsten- und Inselbewohner. Schon lange bevor es Menschen gab, hat er Ebbe und Flut durch die Ozeane dirigiert. Die Flut war dabei immer ein klein wenig schneller als der Mond – die Bewegung der Erde hat das Wasser mitgerissen, so dass sich der Flutberg nicht direkt unter dem Mond befindet, sondern ein klein wenig davor. Und auch wenn das bisschen Wasser im Vergleich mit der gesamten Erde nicht viel Einfluss zu haben scheint: Die Gravitationskraft des gesamten Flutberges reicht aus, um selbst wieder ein kleines bisschen am Mond zu zerren. Die Gezeiten ziehen den Mond hinter sich her und beschleunigen ihn und je schneller er wird, desto mehr kann er sich aus dem Griff der Erde winden: Er rückt langsam aber sicher von ihr weg, mit 3,8 Zentimetern pro Jahr. Umgekehrt funktioniert das Spiel aber auch. Aus Sicht des Mondes befindet sich der Wasserberg der Erde vor ihm und er zieht ihn mit seiner Anziehungskraft zurück; bremst also die Erde bei ihrer Rotation. Die Erde wird immer langsamer und der Mond entfernt sich immer weiter. Vor 400 Millionen Jahren war die Erde noch deutlich schneller und der Tag viel kürzer: Nur 22 Stunden dauerte es damals, bis unser Planet eine Drehung absolviert hatte.

IMG_3860 (Andere)

Bis der Mond sich völlig von der Erde losgesagt hat, werden allerdings noch viele Milliarden Jahre vergehen. Die Erde wird sich weiterhin drehen und jedesmal ein klein wenig langsamer werden – was die Tiefdruckgebiete aber nicht davon abhalten wird, die Insel in der Nordsee auch in Zukunft heimzusuchen. Ebbe und Flut werden weiterhin das Leben auf Neuwerk bestimmen. Und irgendwann wird es auch hier eine klare Nacht geben, in der man weitab von den Lichtern der Städte die Sterne in all ihrer Pracht über dem dunklen Meer beobachten kann. Bis dahin gibt es aber auch noch genügend andere Astronomie auf Neuwerk. Man muss nur wissen, wo man sie findet…

Dieser Artikel war das Resultat einer Abstimmung der Leserinnen und Leser dieses Blogs, die mich nach Neuwerk geschickt haben, um über die dort “versteckte” Astronomie zu berichten. Sollte euch diese Reportage gefallen haben, kann man das Projekt in Zukunft gerne an einem anderen Ort wiederholen.

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Kommentare (14)

  1. #1 McPomm
    26. August 2014

    Verstärkt der Flutberg des Wassers die Bremswirkung der Gezeiten? Also, wäre die Gezeitenwirkung schwächer, wenn die Erde keine Ozeane hätte? Die Kontinente unterliegen ja auch der Gezeitenkraft.

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    26. August 2014

    @ FF:

    Sollte euch diese Reportage gefallen haben, kann man das Projekt in Zukunft gerne an einem anderen Ort wiederholen.

    Auf jeden Fall, gerne. Toller Artikel!

    Hoffe, Dir hat es auf Neuwerk auch gut gefallen.

  3. #3 Alderamin
    26. August 2014

    @McPomm

    Nach Wikipedia verursacht das Wasser ganze 98% der gesamten Leistung, die an Gezeitenreibung anfällt.

  4. #4 Witold Ch.
    26. August 2014

    FF at his best! Schöner Text!

    Frage zum Wind: Diese strömenden Luftmassen, werden sie nun aus dem Hochdruckgebiet herausgeblasen oder doch eher vom Tiefdruckgebiet angesaugt?

  5. #5 Berossos
    26. August 2014

    @Alderamin

    Ein bisschen off-topic, passt aber dennoch in den Kontext: Man geht davon aus, dass im Hadaikum vor rund 4 Milliarden Jahren, kurz nach Entstehung des Mondes und der ersten Ozeane, unser Trabant die Erde in einem Abstand von von nur 60.000 km umkreiste (manche Modelle geben noch weniger an). Auf jeden Fall war die Gezeitenwirkung mindestens das Hundertfache stärker als heute. Wobei die Tageslänge nur etwa 10 bis 14 Stunden betrug. Vermutlich muss man sich das Ganze als eine Art von Dauer-Tsunami vorstellen, der über Millionen Jahre hinweg unablässig über den Erdball rollte.

  6. #6 Sepp
    26. August 2014

    Sehr schöner Text! Ich hoffe, dass du eine schöne Reise hattest.

    @Witold Ch.: Gebiete mit niedrigerem Druck können nichts “ansaugen”, es wird immer vom höheren Druck gedrückt. Bei einem Strohhalm ist das gut erkennbar. Ziehst du am oberen Ende, so verringest du den Druck im Halm. Der Luftdruck außerhalb ist nun höher und drückt das Wasser hoch in den Halm. Das ist auch der Grund, warum das Wasser in einem Strohhalm nicht beliebig hoch gezogen werden kann.

  7. #7 Kallewirsch
    26. August 2014

    @Witold

    Ich würds so sagen:
    Zwichen Gebieten mit Überdruck und Gebieten mit Unterdruck entsteht eine Kraft, die dafür sorgt, dass das Medium strömt. Man kann nicht sagen, dass der Überdruck schiebt oder das der Unterdruck saugt. Beides ist der Fall und eine reine Frage der Sichtweise. Denn zu jedem Überdruck gehört per Definition immer auch ein Unterdruck. Das impliziert schon die Bezeichnung, denn einen ‘Über-‘Druck kann es nur geben, wenn der Druck irgendwo anders niedriger ist.

    Und natürlich kann man auch der Sichtweise anhängen, dass der Unterdruck in einem Strohhalm das Wasser ‘ansaugt’. Auch hier lässt sich zeigen, dass Wasser nicht beliebig hoch gesaugt werden kann, denn man kann ja nicht beliebig tiefen Unterdruck erzeugen.
    Rein rechnerisch kommt bei beiden Sichtweisen ein identisches Ergebnis heraus. ‘Schieben’ oder ‘Ziehen’ ist nicht die Frage, denn das einzig relevante ist die Differenz.

  8. #8 Witold Ch.
    26. August 2014

    @ Sepp

    Vielen Dank für die plausible Antwort.

    (Hätte ich eigentlich selber drauf kommen müssen …)

  9. #9 Witold Ch.
    26. August 2014

    @ Kallewirsch

    Vielen Dank für Deine präzisierenden Worte.

    … entsteht eine Kraft, die dafür sorgt, dass das Medium strömt.

    (… früher der der pauspäckige Aiolos, der milde Zephyros oder der rauhe Boreas …)

  10. #10 Moss
    Ladenburg
    26. August 2014

    Es gibt Gezeitenkraftwerke, die Energie aus Ebbe und Flut holen. Das erhöht die Gezeitenreibung und damit die Geschwindigkeit, mit der der Mond sich entfernt. Ich frage mich, wieviel Energie man da entziehen müßte, um einen (mit unseren derzeitigen Mitteln) messbaren Effekt zu bekommen – die paar GW, die derzeit entnommen werden, dürften ja ziemlich irrelevant sein.

  11. #11 Alderamin
    26. August 2014

    @Moss

    Ich frage mich, wieviel Energie man da entziehen müßte, um einen (mit unseren derzeitigen Mitteln) messbaren Effekt zu bekommen – die paar GW, die derzeit entnommen werden, dürften ja ziemlich irrelevant sein.

    Aus dem Wikipedia-Link von oben: 3,75 TW an Gezeitenreibung fallen an, davon 98% durch das Wasser, das macht 3,675 TW. Ein paar Gigawatt mehr spielen da offenbar keine Rolle. Interessant allerdings, dass der Weltenergieverbrauch an elektrischem Strom mit fast 23800 TWh/a (17% von 140 PWh/a), das entspricht 2,72 TW Dauerleistung über ein Jahr, bereits in der Größenordnung der gesamten Gezeitenreibung sind. Da man diese nie komplett und verlustfrei wird nutzen können, reichte also die Gezeitenreibung auf der ganzen Erde nicht aus, um die Menschheit mit Strom zu versorgen. Selbst wenn wir diese durch entsprechende Kraftwerke noch weiter erhöhen würden – man müsste das gesamte Flutwasser aller Ozeane ausbeuten, was schwerlich gelingen dürfte.

    Die größten Gezeitenkraftwerke (siehe Wikipedia) leisten aber nur maximal 20 MW. Zum Vergleich: die Windkraftanlage Alpha Ventus leistet mit 12 Windrädern maximal 60 GW, im Jahresmittel 2012 268 GWh entsprechend einer Durchschnittsleistung von 30 MW.

  12. #12 Karl Mistelberger
    26. August 2014

    > “Im Jahr 1687, als der große Leuchtturm auf Neuwerk schon 377 Jahre alt war, hat der ebenfalls große Isaac Newton sein Buch “Philosophiae Naturalis Principia Mathematica” veröffentlicht und darin erklärt, wie man die Gravitationskraft berechnet.”

    Von der Begründung der Newtonschon Mechanik bis zur präzisen Vorhersage der Gezeiten war es ein weiter Weg. Erst Pierre-Simon Laplace gelang der entscheidende Durchbruch (unter Zugrundelegung von Newtons Mechanik): Laplace’s tidal equations. Selbst von da ab dauerte es noch sehr lange bis praktischer Viorhersagen möglich wurden: Gezeitenrechenmaschine

  13. #13 Alderamin
    26. August 2014

    @myself

    Vergleich: die Windkraftanlage Alpha Ventus leistet mit 12 Windrädern maximal 60 GW

    Ups, 60 MW waren hier gemeint, so stark bläst der Wind dann auch nicht…

  14. #14 PDP10
    26. August 2014

    @ Florian:

    Sollte euch diese Reportage gefallen haben, kann man das Projekt in Zukunft gerne an einem anderen Ort wiederholen. “

    Schliesse mich noch’n Flo an.
    Schöner Bericht! Mehr davon wäre toll.