Es scheint einen Mechanismus zu geben, der dazu führt, dass es in Systemen mit mehreren Planeten weniger heiße Supererden gibt. Valsecchi und ihre Kollegen schlagen folgende Hypothese vor: Die heißen Supererden waren früher eigentlich ganz normale Gasriesen. Sie entstanden dort, wo Gasplaneten normalerweise entstehen, also in den ferneren und kühleren Regionen eines Planetensystems. Dann begannen sie zu migrieren und kamen ihrem Stern immer nahe. So nahe, dass sie irgendwann die sogenannte Roche-Grenze überschritten haben. Das ist die Grenze, hinter der die Anziehungskraft des Sterns so stark wird, dass ein Planet sich mit seiner eigenen Gravitationskraft nicht mehr zusammenhalten kann, sondern auseinander gerissen wird. Der Stern saugt nun quasi Gas aus der Atmosphäre des heißen Jupiters ab, bis nur noch der innere Kern übrig bleibt. Aus dem heißen Jupiter ist eine heiße Supererde geworden. Durch den Verlust an Masse rückt der jetzt kleinere Planet wieder ein bisschen vom Stern ab und bleibt auf einer stabilen Bahn.
Diesen Vorgang haben die Wissenschaftler durch Computersimulationen nachvollzogen und gezeigt, dass er zumindest im Modell funktioniert und am Ende jede Menge verschiedene Supererden produziert die in etwa so aussehen wie das, was man auch tatsächlich beobachtet. Einige der bekannten Supererden (zum Beispiel bei den Sternen Kepler-98 und Kepler-78) scheinen sogar exakt der Entwicklungswegen im Modell gefolgt zu sein.
Diese Ergebnisse sind faszinierend. Sie zeigen uns, dass die Planeten nicht nur durch ein System wandern können, sondern dabei auch massiven Transformationen unterworfen sind. Wir stellen uns so ein Planetensystem ja oft immer noch so vor, wie das im 19. Jahrhundert üblich war; als mechanisches und genau vorhersagbares Uhrwerk auf dem die Himmelskörper präzise nach Plan vor sich hin “ticken”. Aber diese alte Vorstellung entfernt sich immer mehr von der Realität. Nicht nur haben wir zwischenzeitlich das Chaos entdeckt und herausgefunden, dass die Migration große Verschiebungen zwischen den Planeten verursacht (vermutlich haben sogar bei uns im Sonnensystem Neptun und Uranus ihre Plätze getauscht). Nun scheint es auch so, als seien nicht einmal die Planeten selbst beständig sondern genau so wandelbar wie ihre Bahnen.
Und auch für die Interpretation der Beobachtungsdaten sind diese Erkenntnisse relevant. Wenn wir aus den entdeckten Planeten Rückschlüsse über die Gesamthäufigkeit der verschiedenen Gruppen ziehen wollen oder verstehen wollen, wie und unter welchen Umständen Planeten entstehen, dann müssen wir berücksichtigen, dass die Planeten die wir heute sehen vielleicht nicht mehr die gleichen Planeten sind, die sie bei ihrer Entstehung waren.
Egal wie oft man hinaus ins Universum blickt: Man findet immer wieder etwas, mit dem man nicht gerechnet hat.
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