Es sollte außerdem nicht vergessen werden, daß die Behörde, soviel macht sie auch über das “Wie” besitzt, nach wie vor an die Weisungen ihrer Minister, Regierung und ihres Monarchen gebunden ist. Den Konflikt zwischen dem protestantischen Oberkonsistorium und dem Monarchen über die “illustrierte Geschichte Bayerns” von Thomas Driendl konnte der König klar und deutlich für sich entscheiden, weil eben der Monarch, und nicht die Behörde die Weisungsinstanz ist.

Im Gegensatz dazu zeigt die Entwicklung des Gewerbewesens deutlich die Verfahrensweisen und die Stärke administrativen Handelns und administrativer Macht, aber auch die Schwächen und Konkurrenzverhältnisse was bestimmte Machtbefugnisse angeht.

Das Gewerbe in Bayern war in den Anfangsjahren Ludwigs I. noch in Zünften organisiert, es existierte keine Gewerbefreiheit. Obwohl dies eine Kernforderung der liberalen Abgeordneten im bayerischen Landtag war schlossen sich diese gegen die entsprechenden, liberal zu nennenden Pläne des Königs zusammen und ermöglichten so letztendlich eine konservative Phase der Restauration. Das Innenministerium übernahm an dieser Stelle nur eine Übermittlerrolle ein: Es lieferte statistische Informationen, war aber selbst nicht aktiv an der Entwicklung beteiligt sondern hatte das Heft des Handelns an den Landtag übergeben.25

Mit dem neuen Minister Öttingen-Wallenstein wurde das Innenministerium jedoch aktiv. In Form von Kommissionen erarbeitete das Innenministerium einen neuen Gesetzentwurf der allzu libertäre Auswüchse in der Gewerbepolitik einzudämmen versuchte. So sollte beispielsweise bei einem Antrag auf Zulassung eines Gewerbes zunächst das, ich zitiere, “amtlich ermittelte Vorhandenseyn der erforderlichen Absatz-Gelegenheit und des Fortkommenkönnens des Bewerbers und seiner Familie auf dem nachgesuchten Gewerbe.”26 (Zitat Ende) ermittelt werden. Auch verlangte die Konzession zunächst eine amtliche Ermittlung (Zitat) “auf den fortwährend gesicherten Nahrungsstand der schon bestehenden Meister”27 (Zitat Ende).

Der Staat sollte also nach dem Willen des Ministeriums die Aufgabe und Rolle der Zünfte verstärken, auch bis dato zunftfreie Gewerbe mußten nun Zünfte bilden. Der Landtag, dessen liberaler Widerstand durch die vorhin erwähnte liberale Gewerbepolitik ohnehin geschwächt war, übernahm die meisten Teile des Gesetzes ohne nennenswerten Widerstand, lediglich das Gewerbsgesetz als solches wurde vom König fallengelassen. Das Ministerium beschritt daraufhin einen anderen Weg indem es nach und nach die Vollzugsverordnungen anpasste.

Unter Maximilian II. änderte sich einiges. Die konservative Gewerbepolitik, die auch vom Innenministerium in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts verfolgt wurde, erfuhr eine radikale Neubewertung mit der Revolution von 1848. Die liberale Ausrichtung des Paulskirchenparlamentes und die damit einhergehende, grundsätzlich liberale Sozial- und Gewerbepolitik der Revolutionäre bewegte den Mittelstand dazu, sich von der Revolution abzuwenden.28

Zu Beginn der 1850er Jahr nun wurde das Handelsministerium beauftragt, die Gewerbepolitik weiterzuverfolgen. Bei Konzessionen sollte mehr auf Tüchtigkeit und Ausbildung, aber auch auf das korrekte Verhalten wert gelegt werden. Ende 1852 stand ein Konzept für eine Gewerbeordnung und eine Expertenkomission wurde einberufen um das Gesetz vollständig zu formulieren.

Die Gewerbeordnung von 1853 hatte also eine recht beachtliche, administrative Entwicklung hinter sich: Zunächst als Initiative der Bevölkerung beim Parlament, dann aber rasch, als die Betroffenen sich durch diese Ordnung bedroht fühlten, lag die Initiative wieder bei den Ministerien. Der Idealismus der ersten Zeit wurde mit der Objektivität der Behörde beantwortet. Dieser Objektivität allerdings sind stark konservative Züge anzumerken: Vergleicht man die industriellen und gesellschaftlichen Entwicklungen zwischen 1825 – der ersten Gewerbeverordnung – und 1853, so stellt sich rasch die Erkenntnis ein, daß der Entwicklung kaum Rechnung getragen wurde.

Diesen Zustand wollte Maximilian II. auch im Rahmen seiner Sozialpolitk Rechnung tragen. 1860 bekam der zuständige Ministerialdirektor Braun den Auftrag, eine neue, diesmal liberalere Gewerbeordnung zu entwickeln. Angestoßen wurde diese Tatsache nicht zuletzt von der recht liberalen Gewerbeordnung, die in Österreich 1859 eingeführt worden war.

Auch hier ging das Gesetz zunächst seinen Gang: Zuerst wurden die Kreisregierungen angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. Die entstehenden Schwierigkeiten, auf welche die Ministerien stießen, führten zu einer langsameren Entwicklung was den Landtag dazu brachte, sich einzuschalten. Dieser plädierte nach Beratungen dafür, das ursprüngliche Recht von 1825 wieder anzuwenden aber diesmal liberaler auszulegen, was sowohl dem Innen-, wie auch dem Handelsministerium entgegenkam.29 So waren die Behörden in der Lage, die Entwicklung zu beobachten und die auszuarbeitenden Regeln an die Wirklichkeit anzupassen statt wie beim vorherigen Versuch von 1853 die Wirklichkeit den Regeln anpassen zu wollen.

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Kommentare (7)

  1. #1 Crazee
    12. September 2014

    Zunächst einmal das Lob: Ich habe bisher noch nicht einmal geahnt, dass man sich über so ein Thema gedanken machen kann und auch sollte. Eine geschichtliche Veränderung der Gesellschaft/des Staates über die Veränderungen seiner Verwaltung zu bewerten ist sicherlich interessant. Von daher finde ich es prima, dass dieser Artikel hier das Publikum bekommt.

    Aber: Ich habe es leider nicht geschafft, den Artikel bis zum Ende durchzulesen. Für mich sind es vermutlich zu viele Fakten, die mich daran hindern, die Struktur der Veränderungen mitzubekommen. In diesem Rahmen vielleicht schwierig: Vielleicht wäre das Thema in zwei Happen ggf. mit irgendetwas graphischem für jemand themenfremden besser geeignet.

    Aber danke für den Denkanstoß.

  2. #2 Florian Freistetter
    12. September 2014

    Ich fand das Thema auch interessant; hätte aber ebenfalls einen kürzeren Text bevorzugt; am besten mit ein paar Bildern als Auflockerung. In der Form ist der Text dann doch ein wenig zu “akademisch” für den Laien

  3. #3 Crazee
    12. September 2014

    Selbst ein oder zwei Symbolfotos (z.B. vom aktuellen Ministerium) mit einer munteren Bildunterschrift würden schon helfen (macht Florian auch manchmal). Z. B. hier: https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/08/warum-suchen-wissenschaftler-immer-nur-nach-ausserirdischem-leben-das-dem-auf-der-erde-aehnlich-ist/

  4. #4 Sven
    Berlin
    12. September 2014

    Hey super Text! Echt informativ und spannendes Thema. Die Länge waqr jetzt nicht das Problem, das bin ich gewöhnt. Natürlich schön, dass man anhand der Anmerkungen alles nachvollziehen kann und wenn man will auch den Schneeballeffekt der eigenen Nachforschungen aktivieren…

  5. #5 thomas
    12. September 2014

    Nette Aufarbeitung eines Themas über das ich mir auch noch nie Gedanken gemacht habe. Danke dafür!
    Als Blogartikel IMO ein wenig zu lang…

  6. #6 Dampier
    12. September 2014

    Hallo Last Knight Nik,

    ich muss zugeben, dass ich den Artikel zum Ende hin nur noch quergelesen habe. Ich finde man merkt, dass es ein Vortrag ist, der sich an einen Saal voller Fachleute richtet. (Ich kann fast den Hall im Saal hören, das Rascheln von Kleidung, leises Husten, knarzende Stühle …)

    Von einem Blogartikel würde ich eine direktere Ansprache an die Leser erwarten, hier hätte ich eine Zusammenfassung im Erzählton passender gefunden, die auch ein wenig die Persönlichkeit des Autors durchschimmern lässt und vielleicht dessen Begeisterung für das Thema vermittelt – eher so wie man vielleicht bei einem guten Abendessen im Freundeskreis über sein Fachthema sprechen würde.

    Das macht für mich einen guten Blogartikel aus, wenn ich die Begeisterung des Autors für sein Thema spüre. Deswegen lese ich Florians Artikel so gern und zB. auch Bettina Wurches Meertext, da lasse ich mich gern mitreißen. Das ist hier leider nicht der Fall.

    nix für ungut 😉

    Grüße
    Dampier

  7. #7 Lastknightnik
    16. September 2014

    Hi,

    verstehe ich gut. Ich hatte ihn damals mal online gestellt weil ich das Thema eben interessant fand – undwarum nicht auch mal einen historischen / wissenschaftlichen Vortrag so quasi veröffentlichen.

    Ihr habt aber Recht; Vielleicht bearbeite ich das mal irgendwann und setze es in Häppchen bzw. EInzelartikeln / -ergebnisse um.