Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.
Dieser Beitrag wurde von Johannes Heinle eingereicht.
———————————————————————————————————————–
1. das anthropische Prinzip
Das anthropische Prinzip (kurz: AP) ist eine Tautologie, die meistens zur Argumentation gegen die Auffassung, die Entstehung irdischen Lebens ohne metaphysische Hilfsmittel sei höchst unwahrscheinlich, verwendet wird. Es besagt, dass die Erde und die Gegebenheiten im Allgemeinen (z.B.: Naturkonstanten) zwingend so lebensfreundlich sind, weil wir darauf leben. Wäre Erde oder umliegendes Universum nicht lebensfreundlich, dann wären wir auch nicht da um festzustellen, dass sie das nicht sind.
2. starkes und schwaches Prinzip
Es ist also notwendig, dass wir eine lebensfreundliche Umgebung wahrnehmen, da es uns als Wahrnehmer ja sonst gar nicht geben würde. Der Ort, an dem wir leben, muss durch die Bedingungen, dass wir auf ihm existieren können, eingeschränkt sein. Dies entspricht dem anthropischem Prinzip im Allgemeinen. Diese Aussage kann verschieden gedeutet werden. Grob unterschieden wird daher zwischen einem schwachem, und einem starkem anthropischem Prinzip.
2.1. schwaches Prinzip
Gemäß dem schwachen anthropischen Prinzip ist unsere Erde in Hinsicht auf die herrschenden, lebensfreundlichen Umstände eventuell ein privilegierter Ort im Universum. An anderen Orten und zu anderen Zeiten herrschen und herrschten die Bedingungen wohlmöglich nicht, die mit unserer Existenz als Beobachter vereinbar sind. Also ist das, was wir beobachten vielleicht auch nicht zwingend das, was häufig im Universum vorkommt. Unsere Erde ist folglich unter Umständen zwar ein besonderer Ort, dass wir auf ihm leben jedoch nichts Besonderes. Da Leben nun einmal allein auf solch einem speziellen Ort entstehen kann.
2.2. starkes Prinzip
Gemäß dem starken anthropischen Prinzip muss das Universum als Ganzes zumindest zeitlich vorübergehend derart sein, dass die Entstehung von Leben möglich ist. Es muss somit eine zwingende Erklärung für die lebensermöglichenden Umstände geben. Sei es beispielsweise die Stringtheorie, welche die Naturkonstanten (würden diesen andere Werte zukommen, hätten z.B. nie Sterne entstehen können) nicht mehr als beliebig hinstellt, sondern natürlich erklären kann, Gott oder Vergleichbares.
2.3. Zwischenfazit
Das starke und das schwache anthropische Prinzip unterscheiden sich also grundsätzlich hinsichtlich der in Bezugnahme von Naturkonstanten, Grundkräften u.Ä. Beim schwachen werden diese als gegeben hingenommen, beim starken Prinzip als theoretisch variabel angesehen. Natürlich bringen nun sowohl die allgemeine, die schwache und die starke Version des anthropischen Prinzips Missverständnisse, Kontroversen und Vereinnahmungen durch ideologische Gruppierungen mit sich. Letzteres erstaunlicherweise sowohl durch Naturalisten, als auch durch Idealisten. So sehen Esoteriker, Kreationisten oder Anhänger der Intelligent-Design Bewegung im starken Prinzip ein Beweis für einen Gott als Hüter der fundamentalen Parameter unseres Universums.
Wir betreten, metaphorisch gesprochen, einen Raum und sehen einen Pfeil inmitten einer Dartscheibe stecken. Daraus schließen die Idealisten jetzt, dass der Schützling ein Gott des Darts sein muss. Die Naturalisten entgegen aber, dass es auch ein absoluter Dart-Amateuer sein könnte, der einfach unendlich viele Versuche hatte. Mehr dazu jetzt.
3. eine naturalistische Deutung
Unser blauer Planet scheint perfekt darauf abgestimmt zu sein, Leben hervorzubringen. Die Weltanschauung des Naturalismus lässt sich ganz grob mit den Worten „alles geht mit rechten Dingen zu“ umschreiben. Naturalisten sehen im anthropischen Prinzip einen Gedanken, der den Verdacht auf eine teleologische, d.h. nicht unbedingt intentional, aber zielgerichtete, Kraft hinter dieser auffallenden Feinabstimmung entkräftet.
Meistens wird dabei von Paralelluniversen, Multiversen, einem enorm oder einem unendlich großem Universum ausgegangen. Diese Annahmen entnehmen sie verschiedenen, nicht oder nicht genau empirisch verifizierten, physikalischen Theorien. Zwei davon sind die Stringtheorie und die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. So legen Teile der Stringtheorie nahe, dass neben unserem sehr, sehr viele Universen (ca.10500) existieren (Multiversum-Hypothese). Auch die Viele-Welten-Interpretation geht von Myriaden weiteren Universen aus, die sich anders als in der Stringtheorie jedoch sehr ähneln sollen.
Vertreter der naturalistischen Deutung des anthropischen Prinzips sehen uns quasi in der Situation eines Lottogewinners, der gerade von seinem Glück erfahren hat. Er wundert sich, dass ausgerechnet er gewonnen hat. Dass aber irgendjemand gewinnt, ist bei der extrem hohen Anzahl an Lottospielern nicht verwunderlich und dass sich der Gewinner von Fortuna überrascht sieht, ebenso wenig. Die anderen Teilnehmer sind die riesigen räumlichen und zeitlichen Weiten dieses Universums oder anderer Universen. Der Gewinn das Leben.
In vielen der anderen Raumausschnitte herrschen vielleicht wüste Leere, Schwarze Löcher und nicht etwa die für uns scheinbar maßgeschneiderten Naturkonstanten. Diese Raumausschnitte werden wir aber nie zu Gesicht bekommen. Und wie es bei einem Glücksspiel mit entsprechend vielen Beteiligten auch mindestens einen Gewinner gibt, ist es nur logisch dass hier und vielleicht noch an anderen Orten die Rahmenbedingungen uns fein abgestimmt scheinen. Vielleicht herrschen in einem etwas jüngeren Paralleluniversum noch Umstände wie im antiken Rom und in wieder einem anderen delphinähnliche Wesen über einen blauen Planeten? Wenn man unendlich viele Universen, oder ein in Raum und / oder Zeit unendliches Universum postuliert, so muss es gar zwangsläufig Leben geben, ganz egal wie unwahrscheinlich die Entstehung von Leben ist (da diese offensichtlich möglich, daher die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben größer Null ist). Das wir uns über unsere lebensfreundliche Erde (schwaches Prinzip) oder die Feinabstimmung des Universums (starkes Prinzip) wundern, liegt in unserer Natur, wäre dann, so die Argumentation, aber völlig unberechtigt. Ein Schöpfungsmythos wäre dahingehend überflüssig.
Kommentare (38)