Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.
Dieser Beitrag wurde von Pardel Lux eingereicht.
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Etikettenschwindel
False labeling? Spurious labeling? Label fraud? Bogus claims? Oder gleich juristisch korrekt false or deceptive advertising? Auf Spanisch also publicidad engañosa, ganz einfach. Nur, dass Etikettenschwindel auf Deutsch auch in einem weniger juristischen Sinn verwendet wird, in Situationen, in denen es streng genommen nicht um Etiketten oder Werbung geht, sondern um die gewollte Wirkung einer Darstellung nach außen, beispielsweise bei einer Person oder einer Partei. Etikettenschwindel ist kein definierter Straftatbestand, im Gegensatz zu false or deceptive advertising und publicidad engañosa (was nicht deckungsgleich mit publicidad ilícita ist). In Deutschland hieße der Straftatbestand wohl irreführende Werbung. Sowohl die Federal Trade Commission in den USA wie auch das Verbraucherschutzgesetz in Deutschland und Spanien (Ley de protección del consumidor) verbieten diese Praxis, aber logischerweise decken diese Gesetze nicht den Bereich ab, der nicht Gegenstand juristischer Auseinandersetzung sein kann, eben der Bereich, der interessant ist. Woher kommt diese interessante Komponente des Begriffs? Vermutlich stammt sie daher, dass das Wort eine fast poetische Wendung durch den Begriff „Schwindel“ bekommt, womit er in die Umgangssprache eingegangen ist, was einem rein juristischen Begriff nicht vergönnt ist. Ein Schwindel klingt fast verspielt, im Gegensatz zum Englischen fraud, spurious, deceptive oder zum Spanischen fraude bzw. engañoso. Und es ist gerade diese Erweiterung der Bedeutung ins Kolloquiale, die auf der einen Seite interessant, auf der anderen aber schwierig zu übersetzen ist.
Kulanz
Etwas, was aus Kulanz gewährt wird, wird nicht aus einer Pflicht heraus gegeben, sondern aus Nachsicht, aus Freundlichkeit oder als eine besondere Art von Service. Kulanz wird freiwillig gewährt, dadurch können ausdrücklich keine Verantwortung und kein Recht auf einen Schadensersatz abgeleitet werden. Durch Kulanz verzichtet man auf ein Recht und gewinnt dafür seine Ruhe (und vielleicht einen guten Ruf als Firma). Die englische Sprache muss für diesen Sachverhalt auf das Lateinische zurückgreifen, dann heißt es, etwas wird Ex Gratia gewährt. Lateinisch ist kein Englisch, und daher ist der Ausdruck unter Anglophonen nicht sehr weit verbreitet, außer unter Juristen vielleicht. Der Begriff hat also einen ganz anderen Stellenwert innerhalb des Deutschen und des Englischen. Spanisch hingegen scheint diesen Ausdruck gar nicht zu kennen, man kann zwar manchmal über Umwege ähnliches ausdrücken, z. B. in dem man sagt, etwas va a cargo (o a cuenta) de la casa. Das ist aber nur ein Teilaspekt der Kulanz, obendrein kann es auch etwas anderes bedeuten (wenn ein Wirt eine Runde ausgibt, macht er das zwar a cuenta de la casa, aber das ist keine Kulanz). Mir scheint es, in der spanischsprachigen und in der englischsprachigen Welt hätten es die Verbraucher einfacher, um im Streitfall mit Unternehmen zu argumentieren, wenn es einen der Kulanz entsprechenden Begriff gäbe. Heute mache ich mir das Leben einfach und schlage für Spanisch culancia (oh, ich sehe schon die Häme ob der Assoziationen aufkommen!) und für Englisch culancy vor. Oder hat jemand einen anderen Vorschlag?
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