Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.

sb-wettbewerb

Dieser Beitrag wurde von Niklas Götz eingereicht.
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Litten-Büste im Gebäude des Landgerichts Berlin („Berlin-HansLitten1-Bubo“ von Bubo - selbst fotografiert - own work. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.)

Litten-Büste im Gebäude des Landgerichts Berlin („Berlin-HansLitten1-Bubo“ von Bubo – selbst fotografiert – own work. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.)

Als der von Krankheit gezeichnete, römische Kaiser Vespasian seinen Tod und die darauf folgende Divinisierung vorhersah, soll er gesagt haben: „Vae, puto deus fio!“ (Sueton, Vespasian 23) – Wehe, ich glaube, ich werde ein Gott. Im Hinblick auf das Aufsehen, das sein Schicksal in England erregte, aber auch auf die Verehrung als Volksheld der DDR hätte Hans Litten dies wohl ebenfalls sagen können, als er sich nach 5 Jahren Folter in verschiedenen KZs am 5. Februar 1938 in Dachau das Leben nahm.
Dennoch ist dies mit Einschränkungen zu sehen, denn während in der DDR jedes Schulkind den proletarischen Anwalt kannte, ließen sich in der Bundesrepublik bis zur Wende kaum Werke über ihn finden. Einzig bekannt waren das Buch seiner Mutter, Irmgard Litten, die ihren Kampf um die Freilassung ihres Sohnes schildert, sowie das Buch seines Jugendfreundes Max Fürst, welches ihre gemeinsame Kindheit in Königsberg beschreibt. Die mangelnde Rezeption Littens ging sogar so weit, dass man, als 1988 bei einer Veranstaltung über Litten in seinem Todesort Dachau ein Referent gesucht wurde, niemand anderen fand als einen DDR-Historiker.

Hans Litten galt als proletarischer Anwalt der Weimarer Republik, was nicht heißt, dass er aus einer Arbeiterfamilie stammte, sondern dass er sich für die Arbeiter einsetzte. Kaum ein Proletariersohn konnt sich ein Studium der Rechtswissenschaften leisten, vielmehr waren es Menschen, die sich von den Paradigmen ihrer Klasse lösten und sich für die weniger begüterten Zeitgenossen einsetzten. Zwar hatte es von dieser Gattung einige Exemplare gegeben, doch die meisten sind mittlerweile vollständig vergessen. Dies liegt einerseits daran, dass viele andere Juristen der damaligen Zeit im Dritten Reich zu Kollaborateuren wurden und alle Spuren der Anhänger gegensätzlicher Ideologien auslöschten, d. h. den antifaschistischen Widerstand aus ihren Akten entfernten. Andererseits besaß das juristische Milieu lange Zeit ein gewisses Traditionsbewusstsein, welches eine Identifizierung mit der gutbürgerlichen Klasse, ihrem Verhalten und ihrem Denken verlangte. Hans Litten war dazu jedoch ein Gegenmodell, welches eine vollständige Negierung darstellte.
Doch während Letzteres keinesfalls ausreicht, um einen Menschen aus der Geschichte zu entfernen, wird Ersteres aus einer Vielzahl von Gründen widerlegt. Genauso wie bei seinen Leidensgenossen Karl Liebknecht, Kurt Rosenfeld, Felix Halle, Rolf Helm, Franz und Hilde Neumann sind zwar viele Dokumente über den proletarischen Anwalt verschwunden, dennoch erlangten sie alle eine außerordentliche Berühmtheit in der DDR. Demzufolge muss noch genügend Material zur Verfügung stehen, um sich ein Bild des Lebens dieser Ikonen machen zu können. Gerade bei Hans Litten ist dies offensichtlich, denn bereits während des Krieges hatte seine Mutter Irmgard Litten ein Buch über die grausamen Aufenthalte in verschiedenen Konzentrationslagern ihres Sohnes und ihre erfolglosen Versuche, ihn zu befreien, unter dem Titel „Eine Mutter kämpft gegen Hitler” veröffentlicht. Es erschien in England, Frankreich, den Vereinigten Staaten, Mexiko und sogar China. Nach dem Krieg, schon im Jahre 1947, brachte es der Greifenverlag heraus, und 1984 gab es vom Röderberg-Verlag in Frankfurt eine Neuauflage. Eine weitere Quelle bieten die Lebenserinnerungen von Max Fürst aus dem Jahre 1973. Aber wohingegen in der DDR einige Biographien, wenn auch teilweise mit sozialistischer Propaganda, erschienen, so sollten sich in Westdeutschland erst nach der Wende Werke von besserer Qualität finden.
Um den Grund hierfür zu finden, ist es notwendig, tiefer in das Leben Hans Littens einzudringen, was im Folgenden in einem kleinen Exkurs geschehen soll.

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Kommentare (21)

  1. #1 Florian Freistetter
    16. September 2014

    Ein sehr schöner Artikel! Sehr informativ und er liest sich auch sehr gut und packend. Vielen Dank!

  2. #2 Maximilian
    16. September 2014

    Beeindruckend ist vor allem auch der Mensch Hans Litten, der nicht opportunistisch seinem Ego dient, sondern einem höheren Ideal der Gerechtigkeit.
    Ich kannte diesen Menschen bislang nicht und er ist es wirklich wert, ihn in Erinnerung zu behalten.

  3. #3 Gregor
    16. September 2014

    Dem muss ich beipflichten. Sehr interessante Thematik über einen leider kaum erwähnten, wichtigen und für die gerechte Sache kämpfenden Anwalt der Weimarer Republik. Davon gibt es auch heutzutage viel zu wenig.

  4. #4 Peroppi
    16. September 2014

    Danke für diesen Artikel. Ich kann mich Maximilian nur anschließen.

  5. #5 Lulu
    16. September 2014

    Der Artikel hat mir sehr gut gefallen. Ich kannte Hans Litten bisher nicht. Es ist sehr schade, dass dieser integre Mensch so wenig bekannt ist.

  6. #6 Hans
    16. September 2014

    Es ist wirklich bedauerlich, dass über Menschen wie diesen so wenig bekannt ist. – In der Tat ein beeindruckender Artikel.

  7. #7 T
    16. September 2014

    Appell von über 100 britischen Juristen und Politikern an Reichspräsident Hindenburg Ende 1935

    Hindenburg ist am 2. August 1934 gestorben, es kann also nur Ende 1933 gewesen sein.

  8. #8 CM
    17. September 2014

    Danke. Sehr wichtiger Artikel.

  9. #9 Krypto
    17. September 2014

    Ein ebenso schöner wie packender Beitrag zu einem Menschen, von dem ich in dieser Ausführlichkeit noch nichts gelesen hatte, danke!
    Störend empfinde ich jedoch den zu sozialistisch geprägten Stil dieses Gastbeitrages, insbesondere im Schlusswort.

  10. #10 Dampier
    17. September 2014

    Was waren wir doch für ein verschissenes Drecksland, und das ist gerade mal zwei Generationen her … wenn ich daran denke, wird mir immer noch schlecht. Deshalb lese ich auch keine Nazigreuel mehr im Detail, ich hab mich viel damit beschäftigt als ich jünger war, aber mittlerweile nimmt mich das zu sehr mit …

    Aber den Artikel finde ich sehr gut, hatte von Hans Litten auch noch nichts gehört und es ist sehr wichtig, gerade diese mutigen Helden zu kennen.
    Umso skandalöser, dass Litten in der BRD kaum bekannt ist, offenbar ist es auch heute immer noch verwerflicher, Anarchist gewesen zu sein als Nazi. Das ist schon ein echtes Armutszeugnis.

    Der letzte Satz irritiert mich etwas, er erscheint wie eine weitere Zwischenüberschrift. Kann es sein, dass der Text schonmal woanders erschienen ist und hier gekürzt wurde?

    (P.S. Hab gerade mal gesucht und das hier gefunden. Ein Hinweis auf jenes Blog wäre gut gewesen, damit man bei Interesse den ganzen Text lesen kann.)

    viele Grüße
    Dampier

  11. #11 Dampier
    17. September 2014

    @Krypto, wo siehst du da denn “sozialistisch geprägten Stil”??!

    Lies vielleicht mal den ganzen Text (erschienen auf cato-online.blogspot.de – einfach nach der Überschift googlen, mein Post mit dem Link steckt noch in der Moderation).
    Da wirst du sehen, dass sich der Autor mit der Rezeption in der DDR ebenso kritisch auseinandersetzt.

    Diese allergische Reaktion gegen alles, was auch nur im entferntesten sozialistisch sei könnte ist sicher ein Grund, warum Litten hierzulande aktiv vergessen wurde.

  12. #12 Florian Freistetter
    17. September 2014

    @Dampier: ” Ein Hinweis auf jenes Blog wäre gut gewesen, damit man bei Interesse den ganzen Text lesen kann.”

    Ich habe absichtlich nirgendwo Links auf Blogs o.ä. gesetzt. Die Beiträge sollte für sich stehen und nicht durch andere Blogtexte beeinflusst werden.

    Aber du hast Recht, der eingereichte Text ging noch weiter. Da ist wohl bei der Formatierung etwas verloren gegangen und das ist wohl meine Schuld! Ich habe das nun geändert und werde im Laufe des Wettbewerbs noch einmal extra auf den nun viel längeren Beitrag verweisen. Es tut mir leid.

  13. #13 Krypto
    17. September 2014

    @Dampier#11: Der 1. Post endete mit “schamhaftes und ideologisches Schweigen in der BRD”, welcher meine Kritik rechtfertigte. Nun liest sich der Beitrag anders.

  14. #14 Krypto
    17. September 2014

    @ Dampier: “Diese allergische Reaktion…” Deiner Bewertung meiner sachlich richtigen Kritik am unvollständigen Beitrag kann ich nun überhaupt nicht folgen!!!

  15. #15 Dampier
    17. September 2014

    @Florian

    Ich habe absichtlich nirgendwo Links auf Blogs o.ä. gesetzt. Die Beiträge sollte für sich stehen und nicht durch andere Blogtexte beeinflusst werden.

    Das wäre auch Sache des Autors gewesen, von dir kann das keiner verlangen 🙂

    @Krypto, ich fand es etwas weit hergeholt, dem Autor eine sozialistische Prägung zu unterstellen. Auch ohne den fehlenden Teil fand ich es deutlich, dass er die Rezeption in BRD und DDR kritisch sah.

    Nun liest sich der Beitrag anders.

    Jo. Deswegen ist auch gut jetzt 😉

    Gruß
    Dampier

  16. #16 Gregor Euler
    17. September 2014

    Sehr interessanter Beitrag zu einem mir vorher unbekannten Menschen. Allerdings emfinde ich Stil und Sprache als holprig und störend. Mehrfache Schreibfehler, falsche sprachliche Wendungen, unvollständige Sätze. Ein wenig Lektorat hätte diesem Artikel nicht geschadet, vor allem auf Grund seiner doch beträchtlichen Länge und Ausführlichkeit.
    Aber für mich überwiegt das wichtige Thema und die ausführliche Beleuchtung der Littenrezeption in beiden Ländern. Weitermachen! 🙂

  17. #17 Dampier
    17. September 2014

    @Gregor Euler, der Autor ist offenbar erst 19. Da finde ich das doch einen sehr bemerkenswerten Text. Andere können ihr Leben lang nicht so gut schreiben.

  18. #18 Gregor Euler
    17. September 2014

    @Dampier Egal welchen Alters der Autor ist, mein Kommentar wirkte vllt schärfer als gewollt. Das war eher als Ermunterung gemeint, weiter an solchen Themen zu arbeiten und gleichzeitig etwas am Stil zu feilen. Ich dachte, das hätte ich ausreichend durch die Würdigung der Themenauswahl und Beleuchtungstiefe ausgedrückt. Aber um es nochmal klar auszudrücken: Ich fand den Artikel sehr gut, lediglich an der Sprache könnte man etwas feilen. Und um meinen Schlussappell zu wiederholen: Weitermachen!

  19. #19 Dampier
    17. September 2014

    mein Kommentar wirkte vllt schärfer als gewollt

    Ja, das passiert mir auch immer mal 😉

  20. #20 Skeptikskeptiker
    Randpolen
    18. September 2014

    “während in der DDR jedes Schulkind den proletarischen Anwalt kannte”

    als Jg.´63 hinreichend in der DDR geschult, inkl. Pionierorganistaion, FDJ, 3 Jahre Marxismus-Leninismus während des Studiums, aber – wenn auch vlt. manches vergessen – den Name Hans Litten höre ich zum ersten Mal.
    Er entsprach aber auch nicht, trotz seiner Verdienste für die Arbeiterbewegung, dem in der DDR gezeichneten Idealbild des antifaschistischen Widerstandskämpfers (Arbeiterkind, Arbeiter, KPD), als Sohn eines Juden, Lehrers und Juristen, dann selbst Jurist, na ja.
    Sicher, es gab schon auch Straßenbenennungen nach ermordeten Sozialdemokraten und ein paar anderen jenseits der KPD, aber selbst der 20. Juli war in der DDR kaum ein Thema.

  21. #21 knut
    köln
    24. November 2014

    skeptikskeptiker hat natürlich recht. das was da über den littenkult in der ddr geschrieben wurde stimmt hinten und vorne nicht. ich finde es natürlich interessant wenn man sich mit Litten beschäftigt, aber der text ist schon auch ein seltsames konglomerat von angelesenem und falsch widergegebenen.
    anderes ist schlicht ärgerlich. Wie kann man “halbjude” ohne anführungszeichen schreiben, als ob es sich dabei um eine Tatsache und nicht um eine nationalsozialistische konstruktion handeln würde.