Ein Leben für die Gerechtigkeit

Hans Litten wurde als Sohn eines konservativ-demokratiefeindlichen und getauften Juden, Fritz Litten, der als Jurist und Lehrer Karriere machte, und einer bürgerlich-aufgeschlossenen Mutter, Irmgard Litten, geboren, die ihn aufgrund des Krieges erzog und sein äußerst starkes Gerechtigkeitsgefühl, sowie seine sozialistisch-pazifistische Haltung förderte. Er war Teil einer jüdischen Jugendgruppe, genannt „Schwarzer Haufen“, in der er sich mit den verschiedensten Denkrichtungen auseinandersetzte und sich seiner Religion zuwandte. Vom Vater zum Jurastudium gezwungen, absolvierte er es dennoch mit großem Erfolg, beobachtete aber währenddessen auch den Verfall der Weimarer Republik und engagierte sich im sozialen Bereich.
Nach dem Studium machte Litten sich einen Namen als Strafverteidiger, besonders für Opfer von Nationalsozialisten. Er bewahrte aber stets seine politische Unabhängigkeit, war kein Kommunist, sah sich selbst eher als links von der KPD stehenden Anarchisten und proletarischen Anwalt. Des weiteren war er nie parteipolitisch aktiv. Kurz darauf arbeitete er auch für die „Rote Hilfe“, eine Organisation, die Arbeitern, unter anderem Rechtsbeistand bot und bis Mitte 1929 bereits 43.000 Menschen geholfen hatte.

In der Spätphase der Weimarer Republik kam es häufig zu Übergriffen von Rechts auf kommunistische Arbeiter. Da die Justiz jedoch meist „auf dem rechten Auge blind“ war, wurden die sich aus Notwehr verteidigenden Arbeiter oft für die Ausschreitungen verantwortlich gemacht und deutlich häufiger und schwerer bestraft als z. B. Anhänger der NSDAP. Die Lage verschlimmerte sich Zusehens, sodass die „Rote Hilfe“ von August bis Dezember 1932 869 Prozesse gegen 3.640 Arbeiter und Antifaschisten zählte, in deren Verlauf nur 604 freigesprochen, einer zum Tode und 3.035 zu insgesamt 2.318 Jahren Haftstrafe verurteilt worden waren. Gleichzeitig gab es nur 263 Prozesse gegen Faschisten, die zu insgesamt 422 Jahren Freiheitsentzug führten. Die ebenfalls fünf verhängten Todesstrafen wurden nie ausgeführt.
Viele Juristen waren der „Roten Hilfe“ feindselig gegenübergestellt und zettelten regelmäßig Prozesse gegen Arbeiter an.
Angesichts dessen forderten die Kommunisten Litten auf, seine Verhandlungen zu Schauprozessen zu machen, um auf das Unrecht hinzuweisen. Er weigerte sich jedoch, da ihm nur das Wohlergehen seiner Mandanten wichtig war, wofür er beinahe übermenschlich arbeitete.
Drei große Gerichtsverfahren sollten nachhaltig in Erinnerung bleiben und Littens Leben entscheidend verändern. Der Erste war der sogenannte „Edenpalastprozess“ 1931, bei dem es um die Erstürmung eines Tanzlokals durch die SA, namentlich des
„Sturm 33“, einer besonders berüchtigten Teilgruppe mit anschließender Schießerei auf die anwesenden Arbeiter ging. Im Vorfeld hatte Hitler bei einer anderen Verhandlung betont, die blutigen NS-Parolen wären nur metaphorisch gemeint, wodurch er den „Legalitätseid“ leistete.

Litten als Nebenkläger vermutete, dass die Parteiführung der NSDAP Kenntnis vom Rollkommando hatte und rief Hitler deswegen in den Zeugenstand, in welchen er Hitler taktisch klug dazu brachte, sich von Goebbels und seiner Propaganda immer wieder zu distanzieren und dann dessen Verfassungstreue zu beschwören, wozu Litten zwei Stunden lang Hitler und Goebbels zitierte, was zu einem, aus heutiger Sicht, Meineid Hitlers führte. Dieser musste immer wieder beschwören, dass die NSDAP mit legalen Mitteln an die Macht kommen wolle. Litten hingegen fand heraus, dass Goebbels, Gauleiter von Berlin, in der Broschüre „Bekenntnis zu Illegalität“, welche vom Parteiverlag übernommen wurde, forderte, Gegner zu Brei zu zerstampfen und das Parlament zu sprengen. Außerdem ergaben Littens Recherchen, dass die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Spenden aus der Schwerindustrie erhielt und damit eine Partei des Kapitals war. Damit bewirkte Litten eine Entlarvung der Demagogie. Hitler wirkte wenig überzeugend, für ihn war es eine Blamage, die er nicht vergessen sollte. Die Angeklagten kamen jedoch mit skandalösen zweieinhalb Jahren Gefängnis oder Freispruch davon.
Ein Jahr später kam es zum Felseneckprozess, in dem es wieder um bewaffnete Übergriffe von SA-Leuten auf Kommunisten und Sozialdemokraten ging, diesmal in einer Arbeitersiedelung, in deren Verlauf ein SA-Mann und ein Kommunist getötet wurden. Da wieder die Arbeiter beschuldigt wurden, wollte der unbequeme Litten die Verteidigung übernehmen, wurde jedoch ohne Grund ausgeschlossen. Kurz nachdem dieser Beschluss aufgehoben wurde kam es zu einem erneuten Ausschluss, weil Litten angeblich die Zeugen beeinflusst und Prozesse mit parteipolitischer Propaganda aufgeladen hätte. Daraufhin kam es zu einem Aufruhr in der Anwaltschaft, sogar von Gegnern Littens, jedoch ohne Konsequenzen.

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Kommentare (21)

  1. #1 Florian Freistetter
    16. September 2014

    Ein sehr schöner Artikel! Sehr informativ und er liest sich auch sehr gut und packend. Vielen Dank!

  2. #2 Maximilian
    16. September 2014

    Beeindruckend ist vor allem auch der Mensch Hans Litten, der nicht opportunistisch seinem Ego dient, sondern einem höheren Ideal der Gerechtigkeit.
    Ich kannte diesen Menschen bislang nicht und er ist es wirklich wert, ihn in Erinnerung zu behalten.

  3. #3 Gregor
    16. September 2014

    Dem muss ich beipflichten. Sehr interessante Thematik über einen leider kaum erwähnten, wichtigen und für die gerechte Sache kämpfenden Anwalt der Weimarer Republik. Davon gibt es auch heutzutage viel zu wenig.

  4. #4 Peroppi
    16. September 2014

    Danke für diesen Artikel. Ich kann mich Maximilian nur anschließen.

  5. #5 Lulu
    16. September 2014

    Der Artikel hat mir sehr gut gefallen. Ich kannte Hans Litten bisher nicht. Es ist sehr schade, dass dieser integre Mensch so wenig bekannt ist.

  6. #6 Hans
    16. September 2014

    Es ist wirklich bedauerlich, dass über Menschen wie diesen so wenig bekannt ist. – In der Tat ein beeindruckender Artikel.

  7. #7 T
    16. September 2014

    Appell von über 100 britischen Juristen und Politikern an Reichspräsident Hindenburg Ende 1935

    Hindenburg ist am 2. August 1934 gestorben, es kann also nur Ende 1933 gewesen sein.

  8. #8 CM
    17. September 2014

    Danke. Sehr wichtiger Artikel.

  9. #9 Krypto
    17. September 2014

    Ein ebenso schöner wie packender Beitrag zu einem Menschen, von dem ich in dieser Ausführlichkeit noch nichts gelesen hatte, danke!
    Störend empfinde ich jedoch den zu sozialistisch geprägten Stil dieses Gastbeitrages, insbesondere im Schlusswort.

  10. #10 Dampier
    17. September 2014

    Was waren wir doch für ein verschissenes Drecksland, und das ist gerade mal zwei Generationen her … wenn ich daran denke, wird mir immer noch schlecht. Deshalb lese ich auch keine Nazigreuel mehr im Detail, ich hab mich viel damit beschäftigt als ich jünger war, aber mittlerweile nimmt mich das zu sehr mit …

    Aber den Artikel finde ich sehr gut, hatte von Hans Litten auch noch nichts gehört und es ist sehr wichtig, gerade diese mutigen Helden zu kennen.
    Umso skandalöser, dass Litten in der BRD kaum bekannt ist, offenbar ist es auch heute immer noch verwerflicher, Anarchist gewesen zu sein als Nazi. Das ist schon ein echtes Armutszeugnis.

    Der letzte Satz irritiert mich etwas, er erscheint wie eine weitere Zwischenüberschrift. Kann es sein, dass der Text schonmal woanders erschienen ist und hier gekürzt wurde?

    (P.S. Hab gerade mal gesucht und das hier gefunden. Ein Hinweis auf jenes Blog wäre gut gewesen, damit man bei Interesse den ganzen Text lesen kann.)

    viele Grüße
    Dampier

  11. #11 Dampier
    17. September 2014

    @Krypto, wo siehst du da denn “sozialistisch geprägten Stil”??!

    Lies vielleicht mal den ganzen Text (erschienen auf cato-online.blogspot.de – einfach nach der Überschift googlen, mein Post mit dem Link steckt noch in der Moderation).
    Da wirst du sehen, dass sich der Autor mit der Rezeption in der DDR ebenso kritisch auseinandersetzt.

    Diese allergische Reaktion gegen alles, was auch nur im entferntesten sozialistisch sei könnte ist sicher ein Grund, warum Litten hierzulande aktiv vergessen wurde.

  12. #12 Florian Freistetter
    17. September 2014

    @Dampier: ” Ein Hinweis auf jenes Blog wäre gut gewesen, damit man bei Interesse den ganzen Text lesen kann.”

    Ich habe absichtlich nirgendwo Links auf Blogs o.ä. gesetzt. Die Beiträge sollte für sich stehen und nicht durch andere Blogtexte beeinflusst werden.

    Aber du hast Recht, der eingereichte Text ging noch weiter. Da ist wohl bei der Formatierung etwas verloren gegangen und das ist wohl meine Schuld! Ich habe das nun geändert und werde im Laufe des Wettbewerbs noch einmal extra auf den nun viel längeren Beitrag verweisen. Es tut mir leid.

  13. #13 Krypto
    17. September 2014

    @Dampier#11: Der 1. Post endete mit “schamhaftes und ideologisches Schweigen in der BRD”, welcher meine Kritik rechtfertigte. Nun liest sich der Beitrag anders.

  14. #14 Krypto
    17. September 2014

    @ Dampier: “Diese allergische Reaktion…” Deiner Bewertung meiner sachlich richtigen Kritik am unvollständigen Beitrag kann ich nun überhaupt nicht folgen!!!

  15. #15 Dampier
    17. September 2014

    @Florian

    Ich habe absichtlich nirgendwo Links auf Blogs o.ä. gesetzt. Die Beiträge sollte für sich stehen und nicht durch andere Blogtexte beeinflusst werden.

    Das wäre auch Sache des Autors gewesen, von dir kann das keiner verlangen 🙂

    @Krypto, ich fand es etwas weit hergeholt, dem Autor eine sozialistische Prägung zu unterstellen. Auch ohne den fehlenden Teil fand ich es deutlich, dass er die Rezeption in BRD und DDR kritisch sah.

    Nun liest sich der Beitrag anders.

    Jo. Deswegen ist auch gut jetzt 😉

    Gruß
    Dampier

  16. #16 Gregor Euler
    17. September 2014

    Sehr interessanter Beitrag zu einem mir vorher unbekannten Menschen. Allerdings emfinde ich Stil und Sprache als holprig und störend. Mehrfache Schreibfehler, falsche sprachliche Wendungen, unvollständige Sätze. Ein wenig Lektorat hätte diesem Artikel nicht geschadet, vor allem auf Grund seiner doch beträchtlichen Länge und Ausführlichkeit.
    Aber für mich überwiegt das wichtige Thema und die ausführliche Beleuchtung der Littenrezeption in beiden Ländern. Weitermachen! 🙂

  17. #17 Dampier
    17. September 2014

    @Gregor Euler, der Autor ist offenbar erst 19. Da finde ich das doch einen sehr bemerkenswerten Text. Andere können ihr Leben lang nicht so gut schreiben.

  18. #18 Gregor Euler
    17. September 2014

    @Dampier Egal welchen Alters der Autor ist, mein Kommentar wirkte vllt schärfer als gewollt. Das war eher als Ermunterung gemeint, weiter an solchen Themen zu arbeiten und gleichzeitig etwas am Stil zu feilen. Ich dachte, das hätte ich ausreichend durch die Würdigung der Themenauswahl und Beleuchtungstiefe ausgedrückt. Aber um es nochmal klar auszudrücken: Ich fand den Artikel sehr gut, lediglich an der Sprache könnte man etwas feilen. Und um meinen Schlussappell zu wiederholen: Weitermachen!

  19. #19 Dampier
    17. September 2014

    mein Kommentar wirkte vllt schärfer als gewollt

    Ja, das passiert mir auch immer mal 😉

  20. #20 Skeptikskeptiker
    Randpolen
    18. September 2014

    “während in der DDR jedes Schulkind den proletarischen Anwalt kannte”

    als Jg.´63 hinreichend in der DDR geschult, inkl. Pionierorganistaion, FDJ, 3 Jahre Marxismus-Leninismus während des Studiums, aber – wenn auch vlt. manches vergessen – den Name Hans Litten höre ich zum ersten Mal.
    Er entsprach aber auch nicht, trotz seiner Verdienste für die Arbeiterbewegung, dem in der DDR gezeichneten Idealbild des antifaschistischen Widerstandskämpfers (Arbeiterkind, Arbeiter, KPD), als Sohn eines Juden, Lehrers und Juristen, dann selbst Jurist, na ja.
    Sicher, es gab schon auch Straßenbenennungen nach ermordeten Sozialdemokraten und ein paar anderen jenseits der KPD, aber selbst der 20. Juli war in der DDR kaum ein Thema.

  21. #21 knut
    köln
    24. November 2014

    skeptikskeptiker hat natürlich recht. das was da über den littenkult in der ddr geschrieben wurde stimmt hinten und vorne nicht. ich finde es natürlich interessant wenn man sich mit Litten beschäftigt, aber der text ist schon auch ein seltsames konglomerat von angelesenem und falsch widergegebenen.
    anderes ist schlicht ärgerlich. Wie kann man “halbjude” ohne anführungszeichen schreiben, als ob es sich dabei um eine Tatsache und nicht um eine nationalsozialistische konstruktion handeln würde.