Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.
Dieser Beitrag wurde von Harald Havas eingereicht.
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Nach aktuellem Wissenstand ist das „Problem“ der Homosexualität keines mehr. Und das lässt sich in wenigen Sätzen beweisen.
Im Grunde wurden und werden hauptsächlich drei Argumente gegen Homosexualität vorgebracht: Gründe des Glaubens, Gründe der Natürlichkeit und Gründe der Zwecklosigkeit. Sehen wir uns diese der Reihe nach an.
Glaube
Wenn jemand daran glaubt, dass gewisse Passagen in einem alten Buch seiner Wahl bedeuten, dass sein Gott (oder seine Götter) homosexuelle Aktivitäten ablehnen oder verbieten, dann kann man diesen Glauben nicht argumentieren. Selbst wenn der oder die betreffende Gläubige andere oft gleich gewichtete Passagen seiner oder ihrer Heiligen Schrift mit gleicher Vehemenz herzhaft ignoriert. Etwa das jüdisch-christliche, alttestamentarische Verbot des Verzehrs von Meeresfrüchten, der Scheidung, dem Tragen von aus Mischgeweben bestehenden Kleidungsstücken oder der Bejahung der Sklaverei. Wieso etwa evangelikale Christen in den USA oder wohlhabende orthodoxe Gläubige in Russland beim Cocktail Dinner ein Shrimpsbrötchen in der Hand, in Polyester- oder Baumwoll-Leinen-Kleidung gehüllt moderne Fälle von Sklaverei anprangern und bedauern – und gleichzeitig Homosexualität verabscheuen, müssen sie mit ihrem eigenen Gewissen (oder eben ihrer eigenen Religion) ausmachen. Argument gegen Homosexualität kann dieser bigotte, selektive Glaube in der weltlichen Gesetzgebung und Gesellschaft jedenfalls keines sein.
Übrigens haben nicht alle Gottheiten der Menschheit Homosexualität abgelehnt. Manche waren sogar selbst schwul oder lesbisch. Oder zumindest bi. Wie etwa Loki, Thors Bruder. Oder Göttervater Zeus, der neben unzähliger weiblicher Geliebten auch (zumindest) einen männlichen hatte, den Jüngling Ganymed. Nach Ganymed ist auch folgerichtig und völlig gleichberechtigt einer der Monde Jupiters benannt, die nämlich alle nach den Sexpartnern des Obergottes heißen.
Natürlichkeit
Was ist natürlich? Das ist freilich eine Frage der Definition. Aber in den meisten Fällen wird man etwas dann als natürlich bezeichnen, wenn es in der Natur – häufig – vorkommt.
Daher war der Satz, Homosexualität sei gegen die Natur, nur Menschen täten so etwas Perverses, bei Tieren käme das nicht vor, ein altes, oft wiederholtes Argument. Und es ist falsch. Mittlerweile kennt die Forschung hunderte Tierarten quer durch die Zoologie, von Primaten bis zu Vögeln und Fischen, bei denen Homosexualität, lesbische wie schwule, regelmäßig vorkommt und oft in lebenslangen Partnerschaften mündet. (Übrigens sind die Prozentzahlen der homosexuellen Individuen einer tierischen Population denen der von Menschen verblüffend ähnlich.) All das wussten NaturforscherInnen auch schon immer, schoben das beobachtete Verhalten aber gerne auf „Spieltrieb“ unter (Jung-)Tieren oder Ausnahmen einzelner – eventuell mental gestörter – Individuen.
Auch Adoption von verwaisten Tierbabys durch homosexuelle Paare kommt in der Natur durchaus vor.
Tja. Da kann man nichts (mehr) argumentieren. Das Thema ist von Tisch. Natura locuta, causa finita. Auf zum nächsten Thema.
Ach so, eines noch. Wer nachdem er Jahrzehnte behauptet hat, Homosexualität sein unnatürlich, weil in der Natur nicht vorhanden, jetzt umschwenkt und sagt, der Mensch sei schließlich mehr als ein Tier und müsse sich über das perverse Treiben im Tierreich erheben, erntet dafür hoffentlich nur amüsiertes Grinsen und gelangweilte Blicke.
Das wäre nur natürlich.
Zwecklosigkeit
Wer mittlerweile zugeben muss, dass Homosexualität eine Naturkonstante ist, und nach immer mehr Forschungsergebnissen eindeutig angeboren, bezeichnet sie dafür oft gerne als „evolutionäre Sackgasse“, als „Irrtum der Natur“. Nun, was das Tierreich betrifft, liegen noch nicht genug einschlägige Forschungen vor. Was den Menschen betrifft ist dazu zweierlei zu sagen.
Zum einen gab es und gibt es auch unfruchtbare heterosexuelle Menschen. Und auch immer schon kinderlose Paare. Dennoch wagt kaum jemand diese Menschen als „Irrtum der Natur“, „evolutionäre Sackgasse“ oder für die Gesellschaft nutzlos zu bezeichnen.
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