Lila Tretikov (Geschäftsführerin der WMF) und ihr Deputy Erik Möller verweigerten jede Kursänderung und ließen – nach kurzem Hinundher – die strittige Konfiguration gegen die gewählten Administratoren unbefristet sperren. Die passende Sperrstufe “super-protection” mußte Chefprogrammierer Tim Starling mitten in der Nacht mit heißer Nadel zusammencoden.
Well, “code is law” (Lawrence Lessig). Seither laufen die Communities Sturm (siehe die zahlreichen Links [https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Diskussionen_mit_WMF/Links_zu_Medienbetrachter_und_Superschutz]). Die normale Arbeit der deutschsprachigen Regulars ist seit einer Woche fast zum Stillstand gekommen. Viele der Freiwilligen empfinden einen emotionalen Widerwillen gegen die technokratische Wilkür der Festangestellten, die – so sagt man – ihr Gehalt letztendlich den unentgeltlichen Beiträgen des Schwarms verdankten. Die Streitfrage hat sich längst vom “Media Viewer” gelöst und lautet nun, verkürzt auf vier Worte: wem gehört die Wikipedia?
Mißtrauen macht sich auf beiden Seiten bemerkbar: Mißtrauen gegen die Manager und Programmierer, aber auch umgekehrt Mißtrauen gegen die amorphe Masse von Unbekannten, Pseudonymen, Selbsternannten, die sich da vermessen, mitentscheiden zu wollen bei der Gestaltung einer Webseite, die zu den fünf meistgenutzten Webseiten der Welt zählt. Die hunderte Millionen gegenwärtige, Milliarden potentieller Nutzer hat. “Think in billions!” (CEO Tretikov). Dabei war Vertrauen in die vielen Tausend Mitstreiter ein Grundpfeiler unseres Projekts. Wir nennen diesen Pfeiler “geh von guten Absichten aus” [https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Geh_von_guten_Absichten_aus].
Was nun: suchen sich die Wikipedianer eine neue Stiftung? Oder schafft es die Stiftung, mit verbesserter Usability und klaren Strukturen Neuautoren zu gewinnen, die die streikenden Anarchisten ersetzen? Oder kommt ein Schisma?
Ich weiß nicht, wie der aktuelle Konflikt ausgeht. Aber ich bin optimistisch und vertraue der Schwarmintelligenz: es wird eine Lösung geben, und mit ihr werden beide Seiten leben: die Foundation und die Community. Wir haben dasselbe Ziel und “assumen good faith”. (schlimmer Insiderslang). Vielleicht konstruieren wir klarere Regeln und Selbstverpflichtungen für die Stiftungsleitung, vielleicht setzen wir eine Art Ombudsmann ein, oder es wird eine ständige gewählte Vertretung der Basis in den Gremien der Foundation geben…
Wie auch immer: es wird etwas Neues entstehen, das es im Netz und in der Welt bisher nicht gab: Cyber- und Wetspace, Anarchie und Stiftungsrecht, Selbstverwaltung und CEO vereint im Dienst der gemeinsamen Sache. Die Antwort auf die oben genannte Streitfrage ist: Wikipedia gehört allen Menschen! Sie steht noch am Anfang ihrer Entwicklung. Wir werden gemeinsam an ihr weiterbauen. Und die Basis dafür ist: Vertrauen.
„Imagine a world in which every single person on the planet is given free access to the sum of all human knowledge.“ J. Wales 2004 [https://en.wikiquote.org/wiki/Jimmy_Wales]
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Der Autor ist Administrator und Bürokrat in der deutschsprachigen Wikipedia
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