Ein anfangs skurril anmutender Vortrag kam von einem Ex-NASA Mitarbeiter der mit ein paar Kollegen quasi in der Pension eine kleine Firma gründete und dabei offiziell Technik der NASA benutze, die diese nicht mehr benötigte. In den Anfängen der Solarzellenforschung wurden oft Ballone eingesetzt an deren Oberseite Solarzellen befestigt waren und diese zu Messzwecken in große Höhen bis zu 40km gebracht wurden. Durch die ISS und Space Shuttles war diese Technik nicht mehr nötig und deshalb übernahm die “Pensionistengruppe” dieses Projekt. Der Vortragende wirkte dabei wie jemand der von seiner Modelleisenbahn schwärmt. Auf Grund der Veränderungen bei der NASA (kein SpaceShuttle) und einer hohen Nachfrage von kommerzieller Seite, wurde aus der “Nachmittagsbeschäftigung” eine Firma die sich vor Aufträgen kaum retten konnte. Dieser Vortrag war insofern interessant als er zeigte, wie aus einer Idee oder bereits abgelegten Technologie, ein bisschen Glück und persönlichem Einsatz ein florierendes Geschäft werden kann.

Ein weiterer sehr interessanter Vortrag kam von Mitarbeiterinnen vom Frauenhofer Institut die einen Überblick über den Stand in der Solarzellenforschung gaben. Nebenbei bemerkt fiel mir auf, dass die interessantesten Vorträge zu 50% von Frauen gehalten wurden, bei einem globalen Frauenanteil von vielleicht 10%. Das wirft in mir immer wieder die Frage auf, warum in vielen Ländern noch immer auf etwa 50% der möglichen Kreativität verzichtet wird, weil Frauen von Bildung ferngehalten werden. Ich vermute mal weil die Männer dort Angst vor starken Frauen haben. Aber zurück zum Thema. Was ich damals nicht wusste war die Tatsache, dass eine Solarzelle theoretisch das Licht zu 100% in Strom umwandeln kann. Bestimmte Materialien absorbieren aber immer nur einen kleinen Teil des Spektrums des Lichts, d.h. immer nur einen bestimmten Frequenzbereich, oder einfacher ausgedrückt einen bestimmten Farbbereich. Damit nun das gesamte Frequenzspektrum benutzt werden kann, müssen mehrere verschiedene Materialien benutzt werden. Der Trick dabei ist aber, dass diese übereinander gelegt werden müssen und oben liegende Materialien dabei durchlässig sein müssen für Frequenzen die von unterhalb liegenden Materialien absorbiert werden. Der Vortrag umriss dabei mögliche Beschichtungen und Aufdampftechniken die sehr innovativ waren, aber den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen würden.

Nach einem anstrengenden Tag voller interessanter Vorträge und Diskussionen dachte ich dann über einen netten Ausklang nach, fand doch die Konferenz in Südfrankreich in St. Rafael statt. Aber ok, gehen wir noch auf das gemeinsame Abendessen. Dies entpuppte sich dann als wahre Fundgrube an interessanten Diskussionen, da die ganzen Spezialisten nicht mehr an irgendwelche offiziellen Gepflogenheiten gebunden waren, sondern frei sprechen konnten. Ein sehr interessanter Tischgast war ein Wissenschaftler aus England der mir die Funktionsweise eines Ionenantriebs nahebrachte. Bei dem Ionenantrieb denkt man zunächst an Science Fiction oder die berühmten Ionenstürme bei StarTrek, es gibt diese aber auch in der Realität. Im Grunde genommen funktionieren sie ganz einfach: Schwere Ionen (z.B: Xenon) werden mittels magnetischer Felder beschleunigt und dann ausgestoßen. Der Rückstoß treibt das Raumschiff an. Die erzeugten Schubkräfte sind dabei im Bereich von 250mN jedoch beständig und der Kraftstoffverbrauch ist minimal. Es wird aber ein erhebliche elektrische Leistung im Kilowattbereich benötigt, deshalb werden diese Antriebe nur in Sonnennähe benutzt. Ein gutes Beispiel ist die Sonde Bepi Colombo die zum Merkur fliegen wird und zum stetigen Bremsen gegen die Sonnengravitation Ionenantriebe benutzt. Die Ionenantriebe werden auch zur Lageregelung benutzt, da sie keine beweglichen Teile wie zum Beispiel Gyroskope haben.

Das interessanteste Tischgespräch fand aber zu Mittag statt, wo ich das Glück hatte neben einem Repräsentanten der Curiosity Mission zu sitzen, der zusätzlich noch sehr gesprächig war und von Enthusiasmus überquoll. Er erzählte den Plan, Curiosity an Seilen auf dem Mars abzusetzen um die Staubentwicklung in der Griff zu bekommen. Mittlerweile wissen wir, dass das Manöver funktioniert, aber damals war es noch nicht so sicher. Der NASA Mitarbeiter zeigte mir auch ein Video wie es funktionieren soll. Mir fiel dabei auf, dass bei der NASA im Gegensatz zur ESA scheinbar Humor erlaubt ist, denn als im Video der Lander den Rover abgesetzt hatte, flog er weg um dann etwa 20 Sekunden später im Hintergrund elegant an einen Felsen zu knallen. Am nächsten Tag kam dann der offizielle Vortrag, den ich schon kannte, aber die Fragen in der anschließenden Diskussion setzten dem Ganzen noch die Krone auf. Auf die Frage: ‘Wie hoch schätzen sie die Erfolgschance dieser Krantechnik ein’ kam die lapidare Antwort: ‘Is this a trick question?, 100% of course’. Oder wie der Rover mit Energie versorgt wird, da er ja sehr groß ist kam die Antwort: “We are the United States, we have nukes”. Schon beim Mittagessen hat mich die Einstellung dieses Managers gefallen nicht lange zu fackeln und zu diskutieren, sondern einfach die Sache durchzuziehen. Wenn ich da an die endlosen, oft politisch motivierten Diskussion in ESA Gremien denke, dann kam mir diese geradlinige Vorgehensweise direkt erfrischend vor. Einen Satz vom Mittagessen habe ich noch gut im Gedächtnis als wir kurz über den Neueinstieg in den Spacebereich sprachen. Der NASA Manager meinte, dass er einmal ein ernstes Wort mit den Universitätsprofessoren wechseln müsste, da die Abgänger zwar alle genau wussten wie man perfekt Gehaltsverhandlungen führt, aber keine Ahnung haben wie man einen Lötkolben hält.

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Kommentare (7)

  1. #1 Dampier
    23. September 2014

    Vielen Dank für den spannenden Bericht. Hab mich festgelesen und meinetwegen hätte er sogar länger sein können.

    grz
    Dampier

  2. #2 chris
    23. September 2014

    Sicher sind die inoffiziellen “Termine” interessant und ergiebig. Aber man darf eben trotzdem nicht mit eben dieser Erwartung hingehen, sondern sie als das nehmen, was sie sind: Lückenfüller im offiziellen Programm. Sonst nämlich wird auch der Lückenfüller zum quasi-offiziellen Termin, was den Mehrwert zerstört.

  3. #3 Anti-Held
    Ratzecastle
    23. September 2014

    Wunderbar, ein angenehm zu lesender und interessanter Artikel, danke.

  4. #4 Hans
    24. September 2014

    Ich schliesse mich dem Dampier an: Der Beitrag hätte ruhig noch länger ausfallen können. 🙂
    Die Einstellung der Dame, die über die misglückten Versuche mit den “Silizium-batterien” berichtete, finde ich übrigens auch genial. Solche Berichte über misglückte Experimente, erfolglose Entwicklungen oder sonstige Forschungen, die nicht die Ergebnisse lieferten, die man erwartet hat, sollten Standard werden.

  5. #5 Crazee
    24. September 2014

    Ich wiederum schließe mich Hans an:

    Schöner Artikel, sehr kurzweilig. Und ja: Berichte über Forschungsthemen, die nicht geklappt haben, aber trotzdem einen Mehrwert schaffen, sollte man in der Tat öfter bekommen.

  6. #6 Franz
    24. September 2014

    @Chris
    Das stimmt, wenn man mit der Erwartungshaltung möglichst viele ‘Lückenfüller’ zu bekommen zu so einer Konferenz geht , dann wird es wahrscheinlich frustrierend.

    Meine Kernaussage sollte eher in die Richtung gehen: Wagt es auch mal die ‘Profis’ anzusprechen.

  7. #7 stillerleser
    24. September 2014

    @ Franz:
    Gut zu lesender Beitrag.
    Hatte zwar mehr zum konkreten Thema gegenwärtige und zukünftige Energiesysteme erwartet, aber wie gesagt, war auch so interessant zu lesen.
    Nur ein off-topic-Punkt:

    Das wirft in mir immer wieder die Frage auf, warum in vielen Ländern noch immer auf etwa 50% der möglichen Kreativität verzichtet wird, weil Frauen von Bildung ferngehalten werden.

    Dies ist mittlerweile nicht mehr so.
    Über alle 30-jährigen Frauen der Welt gemittlet beträgt die Verweilzeit in Schulen 7 Jahre. 30-jährige Männer haben 8 Jahre in Schulen verbracht.
    Es gibt noch einzelne, bevölkerungsärmere Länder in denen Frauen/Mädchen tatsächlich von Bildung ferngehalten werden, aber die überwältigende Mehrheit des weiblichen Geschlechts geht heute annähernd genauso lange zur Schule wie die männlichen Altergenossen.
    D.h. nicht, dass sie nicht in anderen Gesellschaftsbereichen weiterhin diskriminiert werden. Im Bildungsbereich ist dies aber nicht mehr der Fall.