*Einfache Heilmittel*
Hahnemann lässt nur einfache Heilmittel zu, also eine einzige, sorgfältig ausgewählte ungemischte Arznei für jedes durch seine Symptome definierte Krankheitsbild.
„Die Widersinnigkeit der Arzneigemische haben selbst Männer aus der gewöhnlichen Arzneischule eingesehen, ob sie gleich in der Praxis selbst diesem ewigen Schlendriane, wider ihre Einsicht, folgten.“
*Exklusivität*
Kombination von homöopathischen mit „allopathischen“ Heilmethoden schließt Hahnemann kategorisch aus:
„Bei der so nöthigen als zweckmässigen Kleinheit der Gaben beim homöopathischen Verfahren ist es leicht begreiflich, daß in der Cur alles übrige aus der Diät und Lebensordnung entfernt werden müsse, was nur irgend arzneilich wirken könnte, damit die feine Gabe nicht durch fremdartig arneilichen Reitz überstimmt und verlöscht werde.“
„Die sanftesten Flötentöne, die aus der Ferne in stiller Mitternacht ein weiches Herz zu
überirdischen Gefühlen erheben und in religiöse Begeisterung verschmelzen winden, werden unhörbar und vergeblich, wenn das nächtliche Gezänk der Katzen oder der heisere Schrei der Eule sie unterbricht.“
Mit einer Reihe von mitunter skurrilen Verboten bekräftigt Hahnemann, dass vom Kranken alles ferngehalten werden muss, was „arzneilich“ wirkt und die Heilung stört:
„Kaffee ; feiner chinesischer und andrer Kräuterthee ; … ; gewürzte Schokolade ; Riechwasser und
Parfümerieen mancher Art ; stark duftende Blumen im Zimmer; … ; hochgewürzte Speisen und Saucen ; gewürztes Backwerk und Gefrornes ; … ; Gemüße aus Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln … ; Stubenhitze; schafwollene Haut-Bekleidung; langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften …“
Hierbei wurde Hahnemann nach eigener Aussage von seinen Schülern noch übertroffen: „Einige meiner Schüler scheinen durch Verbieten noch weit mehrer, ziemlich gleichgültiger Dinge die Diät des Kranken unnöthig zu erschweren, was nicht zu billigen ist.“
**Medizin 200 Jahre nach Hahnemann**
Homöopathie und die von ihm so genannte Allopathie waren vor 200 Jahren konkurrierende Schulen. Beide beruhten auf unzureichend verstandenen Grundlagen und unzureichender Evidenz und erzielten eher Zufallstreffer. In etlichen Fällen war Hahnemann hier wohl erfolgreicher als seine Konkurrenten, beispielsweise bei der großen Choleraepidemie 1831. Hahnemanns Lehren haben jedoch nach 200 Jahren medizinischer Forschung und großen Fortschritten der Naturwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie) im allgemeinen den Test der Zeit nicht bestanden:
* Für die Gültigkeit des Ähnlichkeitsprinzips gibt es wenig Hinweise.
* Für die allermeisten Krankheiten kennt die heutige Medizin handfeste materielle Ursachen, seien es Erreger wie Bakterien oder Viren, Gendefekte, Umwelteinflüsse, Mangelerscheinungen usw. „Geistige Wirkungen“ haben in der modernen Medizin höchstens noch ihre Entsprechung in der Psychosomatik.
* Die moderne Pathologie ist der Hahnemannschen Definition von Krankheiten nach ihren Symptomen weit voraus.
* Sein Beharren auf „einfachen Heilmitteln“ lässt sich mit heutigem Wissen von Chemie, Biologie und Pharmakologie nicht vereinbaren. Ein pflanzliches Heilmittel, das für Hahnemann „einfach“ ist, kann eine Vielzahl von Alkaloiden beinhalten. Moderne Therapien mit kombinierten Medikamenten sind oft höchst erfolgreich.
Anders als vor 200 Jahren, als Hahnemann auch und vor allem schwere Erkrankungen wie die Cholera homöopathisch behandelte, wird Homöopathie heutzutage hauptsächlich als „Wohlfühl-Medizin“ bei Wehwehchen und Befindlichkeitsstörungen eingesetzt, wo sie auch keinen großen Schaden anrichten kann. Kaum jemand kommt – Gott sei Dank – auf die Idee, eine akute Lungenentzündung homöopathisch zu behandeln.
Im Vorwort zum vierten Teil der Reinen Arzneimittellehre schreibt Hahnemann in einem seltenen Anflug von Selbstzweifel, dass die Homöopathie eines Tages überholt sein könnte:
„So lange genaue Beobachtung, unermüdete Forschung und sorgfältige Vergleichung nicht dahin gelangt ist, der bei Menschen vorkommenden, unglaublichen Menge von Krankheitserscheinungen und Krankheitsfällen, welche die Natur immerdar verschieden und höchst abweichend hervorzubringen scheint, wirklich festständige Urübel nachweisen zu können, so lange ist es offenbar, daß jede einzelne Krankheitserscheinung, so wie sie sich zeigt, nach dem Umfange der sich in jedem Falle zeigenden Symptome homöopathisch behandelt werden müsse, wodurch sie alle doch unendlich besser beseitigt werden, als nach allem bisherigen Cur-Schlendriane des gemeinen Arztwesens.“
Kommentare (33)