Dampier hat mit seinen Freibeuterfahrten nie hinterm Berg gehalten, hat diese Tätigkeit allerdings auch nie glorifiziert sondern ebenso nüchtern beschrieben wie seine Naturbeobachtungen. (Zitat sinngemäß: „Es war ein besonders hübsch gelegenes Städtchen mit einer schön geschmückten Kirche. (…) Als sie uns das Lösegeld verweigerten, brannten wir es nieder.“)
Allerdings war die Freibeuterei auch häufig zumindest halblegal – das hing vor allem davon ab, ob Krieg oder Frieden herrschte. Im Krieg (meist gegen Spanien) wurden vom Englischen König selbst Kaperbriefe ausgegeben, die Kapitäne ermächtigten, die Handelsschiffe des Feindes aufzubringen. Kaperfahrten waren zu der Zeit echte, seriös durchgerechnete Wirtschaftsunternehmen, der Gewinn wurde zwischen der Krone, der Besatzung und den Investoren geteilt. In solchen Zeiten war es durchaus ehrenvoll, als Freibeuter seiner Majestät zu fahren.
Nur leider kam immer wieder der Frieden dazwischen. Bestandteil nahezu jedes Friedensvertrages war auch eine „Ächtung“ der Freibeuterei. Aber natürlich gingen die Freibeuter nicht brav nach hause und machten was anderes, viele von ihnen machten einfach weiter, auch wenn sie jetzt außerhalb des Gesetzes standen – ein Gesetz, das in der Karibik eh nur begrenzte Gültigkeit hatte – das Gebiet war zu groß und zu weit weg und bot Millionen von Schlupfwinkeln und Verstecken. Spanien hatte sich sowieso längst überdehnt und konnte das Gebiet nie vollständig kontrollieren; Großbritannien hatte mit Jamaica gerade mal einen Fuß in die Tür bekommen; Karibische Provinzgouverneure handelten fröhlich mit den Piraten und boten Unterschlupf und Unterhaltung.
Dazu kam, dass die Royal Navy in Friedenszeiten immer Personal abbaute und tausende junger, tatkräftiger und abenteuerlustiger Seeleute in die Arbeitslosigkeit entließ. Jede Phase des Friedens ließ also die Piraterie erst recht aufblühen – bis wieder ein Krieg ausbrach, die Kaperbriefe wurden erneuert und man konnte wieder im Dienste für König und Vaterland kapern gehen. Viele Seeleute fuhren mal bei Händlern, mal bei Freibeutern, und so manche Schiffe waren beides zugleich.
Die Siedler und Kolonisten der Karibik machten gute Geschäfte mit den Piraten, die ja auch ihre Beute irgendwo versaufen wollten und Handelsgüter aus aller Welt im Angebot hatten. Viele Gouverneure kleiner Karibikinseln gaben selbst Kaperbriefe heraus, und auch wenn deren Gültigkeit eher zweifelhaft war, waren sie doch gefragte Dokumente. Piratenkapitäne betrieben sogar einen schwunghaften Handel mit ihnen, auch Blanko-Kaperbriefe waren im Umlauf, wo sich jeder selbst eintragen konnte, um sich zumindest einen Anschein von Legitimität zu bewahren.
Their licences were known as Letters of Marque (…), issued and controlled by admiralties. Letters of Marque were impressive documents, festooned with seals and dressed in impenetrable legalese.
(Gill, S. 73)
„Kaperbriefe waren beeindruckende Dokumente, behangen mit Siegeln und in undurchdringlichem juristischen Kauderwelsch gehalten …“
Einige redeten sich sogar erfolgreich damit heraus, sie hätten in der Ecke der Welt wo sie gerade unterwegs waren, nichts von dem Friedensschluss mitbekommen (was auch tatsächlich nicht abwegig war).
Natürlich kann man das alles als Rechtfertigunsversuche von Kriminellen abtun, aber die ganze Welt war damals äußerst gewalttätig. Bei der Royal Navy waren Körperstrafen Gang und Gäbe, bei sehr kurzen Rationen und schmalem Sold, in London wurden kleine Jungs gehenkt, wenn sie ein Brot oder einen Shilling gestohlen hatten. Öffentliche Folter und Hinrichtungen gehörten zum Kulturprogramm Londons.
In jenen Zeiten, in denen von britischer Fairness noch keine Rede sein konnte, war es nur ein gradueller Unterschied, ob man zur Handelsmarine ging oder Pirat wurde. Oder, wie Bartholomew Roberts es ausdrückt: der Preis für ein Piratenleben ist allenfalls, dass man beim Hängen kurz ein langes Gesicht macht.
„In honest service there is thin rations, low wages and hard labour; in this [Piraterie], plenty and satiety, pleasure and ease, liberty and power; and who would not balance creditor on this side, when all the hazard that is run for it, at worst, is only a sour look or two at choking. No, a merry life and a short one shall be my motto.“
Bartholomew Roberts
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