(Gill, S. 80)
Ein weiterer Grund für Dampier, als Freibeuter zu fahren, mag die enorme Mobilität der Piratenschiffe sein, die Spontaneität und Unerschrockenheit, mit der die Mannschaften sich die Welt erschlossen.
Diese Freiheit des Reisens war in der Handelsmarine nicht zu finden, in der Royal Navy schon gar nicht. Wo sonst könnte ein junger Mann, der vor allem die Welt sehen will, fast nach Belieben das Schiff wechseln, und sogar die Richtung mitbestimmen? Ebenso klar ist aber, dass man bei Freibeutern nicht einfach als Passagier mitfahren konnte – man musste schon selbst Freibeuter sein und voll mitziehen. Dampier scheint sich in militärischen Dingen nicht besonders hervorgetan zu haben, hat aber sicher an Überfällen etc. teilgenommen. Das schildert er auch recht unbefangen – eine moralische Bewertung bleibt er uns schuldig.
Das Goldene Zeitalter der Piraterie, als sich die Outlaw-Nation der „Enemies of all Mankind“ bildete, brach erst etwas später an und hatte seinen Höhepunkt nach Dampiers Tod. Die Freibeuterei war jedenfalls kein Grund, warum Willam Dampier heute nahezu vergessen ist.
Vielleicht eignet er sich einfach nicht als Held.
Wer war William Dampier?
Sich der Persönlichkeit Dampiers anzunähern ist schwierig. In seinen Schriften hält er sich sehr zurück und verrät nur mittelbar das ein oder andere über sich selbst.
Sein Schreibstil ist nüchtern und erfrischend unbarock. Weitgehend frei von Vorurteilen und Aberglauben, sind seine Berichte auch im englischen Original noch heute sehr gut zu verstehen, was für Texte seiner Zeit nur selten der Fall ist. Zuweilen zeigt er, dass er durchaus empathiefähig ist, etwa wenn er sehr liebevoll die Begegnung schildert, als sich zwei Indios das erste mal seit Jahren wiedersahen (Der eine hatte auf derselben Insel festgesessen wie Alexander Selkirk, aber das ist eine andere Geschichte …). Überhaupt scheint er die Indios (welche die Freibeuter oft begleiteten) mit Respekt zu behandeln und als Persönlichkeiten ernst zu nehmen.
Natürlich war auch Dampier nicht frei vom Rassismus seiner Zeit, Sklaven wurden beispielsweise ganz natürlich als Ladung (und eben auch als Beute) angesehen.
Einmal kam Dampier auf eine glorreiche Idee, als sie gerade eine Ladung von tausend Sklaven vor der Küste Ecuadors gekapert hatten. Er wusste von einer früheren Reise, dass es im Dschungel von Darién (Landenge von Panama), Goldminen der Spanier gab, die diese wegen der feindlichen Indios aufgegeben hatten. Diese Indios waren aber den Freibeutern gute Bekannte und Verbündete. Man solle doch also mit diesen tausend Sklaven die Minen wieder in Betrieb nehmen, dann könne man Freibeuter aus aller Welt anlocken und an dieser strategisch wichtigen Stelle einen Freibeuterstaat gründen. Aus irgendwelchen Gründen wurde dieser Vorschlag nicht weiter verfolgt. Die „Beute“ wurde zurückgelassen.
Schon der junge Dampier war ein sehr guter Navigator, und sein Urteil zählte durchaus etwas unter den Freibeutern, wie viele kleinere Episoden belegen, in denen es um die weitere Fahrtroute oder die (Ab)wahl eines Anführers ging. Er hat aber selbst nie einen Kommandoposten als Freibeuter gehabt.
Er schien sich eher zurückzuhalten, möglicherweise war er ein ziemlicher Eigenbrötler. In den Journalen seiner Mitreisenden wird er so gut wie nie erwähnt. (Viele haben damals Tagebuch geführt. Der große Hans Sloane hat viele davon gesammelt und der Nachwelt erhalten. Hier seien Lionel Wafer und Basil Ringrose erwähnt, die mit Dampier (und hunderten anderen) den Treck durch Darién und die anschließenden Kaperfahrten unternahmen, und deren Tagebücher erhalten blieben.)
Spätere Dokumente legen nahe, dass Dampier auch ein ziemlicher Stinkstiefel sein konnte.
Bei seinen eigenen Kommandos hatte er kein glückliches Händchen. Vieles ging schief, sicher nicht alles seine Schuld, aber vielleicht war er auch, trotz seiner unbestrittenen Fähigkeiten, einfach nicht zum Kommandanten geboren.
Nach einem Kriegsgerichtsprozess gegen ihn lieferte er sich mit seinen Feinden, zum Gaudium der Londoner Gesellschaft, einen zähen Kleinkrieg in dem sich alle Beteiligten gegenseitig mit Prozessen, Schmäh- und Verteidigungsschriften überzogen. Ein eher unschönes Kapitel in dieser spannenden Geschichte.
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