Dieser Gastartikel ist ein Beitrag zum ScienceBlogs Blog-Schreibwettbewerb. Alle eingereichten Beiträge werden im Lauf des Septembers hier im Blog vorgestellt. Danach werden sie von einer Jury bewertet. Aber auch alle Leserinnen und Leser können mitmachen. Wie ihr eure Wertung abgeben könnt, erfahrt ihr hier.
Dieser Beitrag wurde von Henning Wenzel eingereicht.
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Als ich neulich vom Besen fiel, weil die Frau, die für gewöhnlich vorne mit der schwarzen Katze auf der Schulter sitzt, das Ding nicht richtig steuern konnte, war ich erst einmal bedient, weil ich mich wieder habe von ihr überreden lassen, anstatt selbst zu fliegen. Ich klopfte mir den Feenstaub von den Flügeln, als mich das drängende Bedürfnis überkam, mich mal wieder nach Herzenslust zu betrinken.
Wenn man sich jedoch als gefiedertes Phantasiewesen, das ich nun mal bin, einmal auf den esoterischen Parcours begeben hat, lässt man richtig viele Federn, also Geld, meine ich. Beispielsweise in magnetische Armbänder, Himalaya-Kristalle, Wünschelrutenschnitzanleitungen, Aurabrillen oder Astralleibfallen. An ein reelles, herkömmliches, materialistisches Besäufnis ist da nicht mehr zu denken. Eine alternative oder auch komplementäre Lösung musste her. Alternativ-komplementär soll ja funktionieren, wird schließlich weltweit, zwar nicht bewiesen, aber immerhin behauptet, und behaupten reicht für viele Weichhirne eben aus. Das sehen wir jedes Mal bei Wahlen oder bei Rechtswählern im Land.
Um es abzukürzen, meine finanziellen Mittel reichten noch, um mir exakt eine Flasche Bier zu kaufen. Nun kann ich mich mit dem Inhalt einer einzigen Flasche Bier, selbst mit dem einer 0,5 Literflasche (man möge mir das vorwerfen, aber es würde nichts daran ändern) nicht betrinken. Was also tun? Ich könnte mich umsehen und schauen, ob ich jemanden finde, den oder die ich überreden kann, mir beim Biertrinken finanziell auszuhelfen, sprich mich einzuladen. Aber wer hat jemals einem Engel Bier ausgegeben? Ich kenne keinen. Es musste mir demnach etwas anderes einfallen und es fiel mir ein. Besser gesagt, ich klaute eine phantastische Idee.
Ich flog zur nächsten Bierschwemme und kaufte dort eine Flasche Bier der edleren Sorte und trug sie nach Hause. Dort angekommen legte ich alles zurecht, was ich brauchen würde. Omas alten Fingerhut, diverse Eimer, Pipetten, Fläschchen, ein paar Tüten Milchzucker und eine Option auf den Erwerb mehrerer Tankwagen. Dann schritt ich zur Tat.
Ich öffnete die Flasche mit dem wohltuenden Labsal und schüttete Omas Fingerhut voll Bier. Die Flasche stellte ich anschließend zurück in den Kühlschrank. Den Inhalt des Fingerhutes kippte ich in einen der Eimer und alles Weitere beschreibe ich nun in prosaischem Zeitraffer:
Man gebe 100 Fingerhüte voll Milchzucker dazu, schütteln, rütteln, mischen, einen Fingerhut des so entstandenen Gemisches wird wieder entnommen und in den nächsten Eimer gekippt, um danach erneut 100 Fingerhüte voll Milchzucker dazu zu geben, schütteln, rütteln, mischen, Pipette nehmen und 500 Tropfen Wasser abzählen, ab damit in einen weiteren Eimer und in diese 500 Tropfen hinein kommt ein Fingerhut voll des letzten Biergemisches und löst sich in der Flüssigkeit auf.
Nach Bier sah das Ganze nun zwar nicht mehr aus, aber ein versierter Chemiker würde es mir bestimmt noch nachweisen können. Ich reinigte die Pipette und saugte einen Tropfen der aktuellen Flüssigkeit ab und mischte sie wiederum mit 100 Tropfen Wasser.
Langsam begann ich zu ahnen, dass ich mir gerade den Biervorrat meines gesamten Lebens produzierte und machte hoch motiviert weiter. Das so gewonnene Bier in der Konzentration von ca. 1:5 mit ungefähr zehn Nullen hinten dran, passte in ein kleines Fläschchen und dieses verschloss ich gründlich. Danach verpasste ich dem Inhalt 100 starke Schüttelstöße auf eines meiner ledergebundenen Bücher und dann war es fertig. Ich hielt die erste Potenz meines Bieres in den Händen.
Ich war wie dynamisiert und wusste, wenn ich diese Prozedur noch ein paar Mal wiederholen würde, verstärkte sich die Wirkung des Bieres immer weiter. 1 Milliliter Bier auf 50 Millionen Liter Wasser, welch ein Vorrat.
Das würde wahrscheinlich nicht nur für mich reichen, sondern auch für meinen Sohn, meinen Enkel, dessen Enkel und so weiter und so fort.
Die Chemie und andere Naturwissenschaften, sowie sämtliche bekannten Naturgesetze, die mich hätten mit dem Zeug besoffen machen können, hatten sich längst verabschiedet, aber das war mir egal. Ich wollte schließlich den Sturz vom Besen besaufen und nicht irgend etwas beweisen. Mit jedem weiteren Verdünnen erhöhte sich laut moderner Alchemie nämlich die Wirksamkeit des Bieres. Ich brauchte demnach nur von der letzten Mischung einen Fingerhut entnehmen und den Inhalt dessen mit immer wieder 100 oder 500 oder 50 000 Fingerhüten voll Wasser verschütteln, verrütteln und vermischen und schon konnte ein neues Gelage starten, dass mir anständig die Rübe wegballern würde.
Was für eine geniale Methode. Warum kam da vor mir niemand drauf? Diese Methode war doch nicht neu und wird aktuell und allgemein von Ärzten, Apothekern, Wissenschaftlern, Krankenkassen und Politikern anerkannt.
Mir egal, wusste ich doch nun, wie ich mich ein Leben lang höchst wirksam und effektiv betrinken konnte. Ich musste nur fest genug daran glauben.
Nun stellte sich jedoch die Frage, was mache ich mit der anfangs geöffneten Flasche Bier? Entweder lasse ich sie im Kühlschrank stehen, man kann ja nie wissen oder ich bringe sie zu meinem Einhorn in den Stall? Ein anständiges Bier ist schließlich auch für so ein Tier nicht von schlechten Engeln.
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