Sind schwarze Löcher “mathematisch unmöglich” und existieren gar nicht? Die kurze Antwort lautet: Nein. Die längere Antwort ist, wie üblich, ein wenig komplizierter. Es geht dabei um eine kürzlich veröffentlichte Arbeit der Physikerin Laura Mersini-Houghton (“Backreaction of Hawking Radiation on a Gravitationally Collapsing Star I: Black Holes?” und “Back-reaction of the Hawking radiation flux on a gravitationally collapsing star II: Fireworks instead of firewalls”) die derzeit die Runde durch die (vorerst noch meistens englischsprachigen) Medien macht: Mersini-Houghton habe nachgewiesen, dass schwarze Löcher nicht existieren können. “Ich bin immer noch schockiert”, wird die Wissenschaftlerin in der Pressemitteilung zitiert, in der auch angemerkt wird, dass diese neue Erkenntnis sogar die heute gültige Urknalltheorie zu Fall bringen könnte.
Das klingt natürlich alles reichlich spektakulär. Aber damit war zu rechnen, denn schwarze Löcher sind nicht nur tatsächlich sehr spektakulär; sie sind auch sehr verwirrend und vermutlich die Himmelskörper, über die am meisten Vorurteile und falsche Vorstellungen im Umlauf sind. Schwarze Löcher sind keine Staubsauger, die alles gnadenlos ansaugen; es sind keine “Portale” in fremde Welten oder sonst etwas von dem, was man in den gängigen Science-Fiction-Werken sehen können.
Ein schwarzes Loch ist das, was von einem großen Stern am Ende seines Lebens übrig bleibt. Endet die Kernfusion im Kern des Sterns, fällt der nach außen gerichtete Strahlungsdruck weg und der Himmelskörper kollabiert unter seinem eigenen Gewicht. Ist die Masse groß genug, kann keine bekannte Kraft den Kollaps mehr aufhalten und der tote Sternenrest wird immer kleiner und dichter. Irgendwann ist so viel Masse auf so kleinem Raum vereint, dass die Fluchtgeschwindigkeit von seiner Oberfläche die Lichtgeschwindigkeit übersteigt: Dann kann nichts mehr aus seiner Nähe entkommen und aus dem Stern ist ein schwarzes Loch geworden. Die Grenze, hinter der das passiert, wird “Ereignishorizont” genannt und das, was sich dahinter tatsächlich abspielt ist noch ziemlich unklar. Dem aktuellen Stand des Wissens nach würde die Masse des Sterns immer weiter in sich zusammenfallen, bis sie in einem einzigen Punkt, einer “Singularität”, vereint ist. Den meisten Forschern ist allerdings klar, dass diese mit ziemlicher Sicherheit nicht die Realität darstellt. Dass die Gleichungen bei der Beschreibung eines schwarzen Lochs immer bei einer Singularität enden liegt daran, dass wir noch nicht verstehen, wie man extrem kleine und gleichzeitig extrem massereiche Objekte theoretisch vernünftig beschreiben kann. Sollten wir irgendwann eine passende Theorie der “Quantengravitation” finden, würden wir vermutlich besser verstehen, was ein schwarzes Loch wirklich ist.
Bis es so weit ist, werden die Dinge weiterhin verwirrend bleiben. Oder vielleicht auch nicht, denn die Arbeit von Laura Mersini-Houghton scheint ja zu zeigen, dass wir uns die Mühe sparen können, eine Beschreibung schwarzer Löcher zu suchen. Wenn es sie nicht geben kann, müssen wir sie auch nicht verstehen… Vereinfacht gesagt geht es darum, dass sie gar nicht erst entstehen können. Mersini-Houghton hat untersucht, wie viel Hawking-Strahlung während des Kollaps eines Sterns zu einem schwarzen Loch entsteht und wie viel seiner Masse dabei verloren geht. Und kommt dabei zu dem Schluss, dass nicht genug übrig bleibt, damit sich ein Ereignishorizont bilden kann. Große Sterne kollabieren also unter ihrem eigenen Gewicht, verlieren bei diesem Kollaps aber gleichzeitig auch so viel Masse, so dass der Stern am Ende quasi einfach “nur” explodiert, ohne dabei ein schwarzes Loch zu bilden.
Hier erklärt Laura Mersini-Houghton das ganze noch einmal selbst:
Also: Sind schwarze Löcher ab jetzt Vergangenheit? Haben Astronomen und Physiker in den letzten Jahrzehnten nur Phantome erforscht? So einfach ist es leider nicht… Die Diskussion über den Masseverlust entstehender schwarzer Löcher ist nicht neu und wird unter Physikern schon lange geführt. Und es ist eine Diskussion, die nicht so eindeutig ist, wie man es vielleicht denken mag. Da man so wenig über schwarze Löcher weiß und auch nur wenig Beobachtungsdaten zur Verfügung hat, hängt bei den Berechnungen sehr viel von den verwendeten Annahmen und theoretischen Modellen ab. Und genau das ist der Punkt, an dem viele Kollegen von Laura Mersini-Houghton anderer Meinung sind. Physikerin und Bloggerin Sabine Hossenfelder (die selbst auf genau diesem Gebiet arbeitet) hat die Kontroverse schön zusammen gefasst. Sabine hat viel an Mersine-Houghtons Arbeit zu kritisieren; sie weist zum Beispiel darauf hin, dass in den Modellen des kollabierenden Sterns zur Berechnung der Hawking-Strahlung die Temperatur verwendet wurde, die ein schwarzes Loch hätte, aber nicht die, die die Sternmaterie hat. Sie kommt zum Schluss:
Kommentare (39)