Die britische Linguistin Claire Hardaker analysierte 2010 Usenet-Einträge und fand als wichtigste Ziele der Trolle die Erzeugung von Aggression, Irreführung, Verstörung und den Erfolg ihrer Handlungen. Im selben Jahr führten Pnina Shachaf und Noriko Hara Interviews mit Wikipedia-Trollen durch und entdeckten als relevante Themen dieser Trolle unter anderem Langeweile, Rache, die Suche nach Aufmerksamkeit und Lustgewinn, der aus dem Trollen entsteht.
Drei kanadische Psychologen wollten es nun in diesem Jahr noch genauer wissen. Sie veröffentlichten die beiden bislang umfangreichsten Studien, für die sie insgesamt mehr als 1.200 Menschen zu ihrem Verhalten im Internet befragten. Sie definierten das Trollen dabei als „irreführendes, destruktives oder verstörendes Verhalten, in einem sozialen Kontext im Internet, das ohne direkt ersichtliches Ziel auftritt“. Die drei Forscher beschrieben, dass diese Trolle auffallend häufig unangenehme Persönlichkeitsmerkmale aufweisen: Sie stellen gerne persönliche Machtinteressen über die des Gemeinwohls und zeigen eine übersteigerte Selbstverliebtheit. Zudem weisen sie fehlendes Mitgefühl, eine geringe soziale Verantwortung und ein impulsives Verhalten auf, das daran interessiert ist, andere Menschen auszunutzen. Mit anderen Worten, Trolle zeigen eine Nähe zu Persönlichkeitszügen wie Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie. Zu der so genannten „Dunklen Tetrade“ zählt jedoch noch ein weiterer Aspekt und dieser war in der Studie am deutlichsten ausgeprägt – der Sadismus. Einige Trolle erleben nämlich auch ein Gefühl der Befriedigung dadurch, dass sie andere Menschen demütigen, unterdrücken oder ihnen Schmerzen zufügen.
Das Ergebnis dieser Studie könnte bedeuten, dass herkömmliche Versuche, Trolle zu stoppen, allenfalls kurzfristig und lokal Wirkung zeigen werden. Denn eine in der Persönlichkeit verankerte sadistische Motivation wird kaum anhaltend auf Bestrafungen (wie etwa das befristete Ausschließen aus Foren o.ä.) reagieren – es macht den Trollen einfach viel zu viel Spaß, ihr Verhalten fortzusetzen. Zur Not wird einfach in einem neuen Forum getrollt.
Doch in diesem Jahr gab es noch einen weiteren Lichtschimmer am Horizont der Trollologie. Jedenfalls im Umgang mit Jungtrollen. Eine 13-jährige (!) Nachwuchswissenschaftlerin hat jüngst ein kleines Programm erdacht und mit 300 Kindern und Jugendlichen getestet. Ihr Grundgedanke war so einfach, wie genial – das für ihren Versuch hergestellte Programm Rethink reagierte auf vorbereitete verletzende Nachrichten für Soziale Netzwerke mit dem Hinweis „Diese Nachricht könnte andere Menschen verletzen. Möchtest Du noch einmal darüber nachdenken, ob du diese Nachricht wirklich posten willst?“. Auch wenn es sich nur um einen kleinen Laborversuch handelte, der keinen ernsthaften wissenschaftlichen Ansprüchen genügt und allenfalls Hinweise für tiefergehende Forschung der Zukunft bieten kann, ist das Ergebnis faszinierend: Während 71% der Befragten den Willen zeigten, verletzende Nachrichten zu veröffentlichen, nahmen 93% dieser Kinder und Jugendlichen von ihrer Absicht wieder Abstand, nachdem das Programm nachgefragt hatte, ob diese Botschaft wirklich gepostet werden sollte. Wenn es also gelingt, ein kontextsensitives Filtersystem für soziale Netzwerke zu entwickeln, das verletzende Nachrichten erkennt und hinterfragt, dann könnte möglicherweise zumindest in Netzwerken von Kindern und Jugendlichen der Umgang ein wenig friedvoller gestaltet werden. Allerdings trifft dies vermutlich eher für Verhaltensweisen zu, die wir gemeinhin als Cybermobbing bezeichnen. Den Prototyp eines Trolls mit seiner Nähe zu machiavellistischen, narzisstischen, psychopathischen und vor allem sadistischen Persönlichkeitszügen kann man auf diese Weise wohl nicht stoppen – er würde die Nachfrage des Programms möglicherweise eher mit einem freudigen „ja, genau das möchte ich tun“ quittieren.
Wie wir Trolle wieder loswerden
Was können wir nun tun, um vor Trollen Ruhe zu haben? Linus Neumann weist in dem bereits erwähnten Vortrag auf seine Entwicklung einer „Trolldrossel“ hin: Er fertigte eine Captcha-Funktion für das Kommentarfeld an, die bei vordefinierten trolltypischen Inhalten mit unlösbaren Captcha-Aufgaben reagierte. Je mehr der Troll-Content den vordefinierten unerwünschten Inhalten entsprach, mit desto höherer Wahrscheinlichkeit waren die Captchas unlösbar. Damit ist zwar ein einmaliger Aufwand für den Administrator beim Einbau der Funktion verbunden, aber der enorme Aufwand im Umgang mit Trollverhalten reduziert sich. Der Aufwand, mehrere Captchas zu lösen, lässt ungeduldige Trolle aus dem Forum verschwinden.
Für das eigene Blog ist eine solche Captcha-Funktion sicher eine feine Idee, doch für umfassende Soziale Medien wie Facebook, Twitter & Co. werden andere Reaktionsweisen benötigt. Als Admin eines Forums oder einer Facebook-Gruppe ist es noch vor dem Auftauchen von Trollen wichtig, klare Regeln für das Miteinander der jeweiligen Gruppe deutlich zu machen und diese auch konsequent umzusetzen. So sollte auch geregelt sein, wie mit Trollen umzugehen ist. Die gängigste Methode lautet meist, Trolle und anderweitige Störenfriede aus der Gruppe auszuschließen. Diese Herangehensweise führt allerdings nur dann nicht zu Protesten in der Gruppe, wenn von vorneherein klar ist, dass der Troll gegen die Forenregeln verstößt und daher die festgelegten Konsequenzen zu tragen hat. Der Ausschluss durch einen Admin ist dann sozusagen legitimiert.
Eine Eigenheit der Trolle ist allerdings ihre Hartnäckigkeit. Daher wird häufig beobachtet, dass sie sich fortlaufend mit neuem Benutzernamen anmelden. Langwierige Anmeldeformalitäten könnten ein Weg sein, dem zu begegnen. Wenn es für den Troll zu aufwändig wird, kann er seine Lust verlieren und lieber ein Forum heimsuchen, bei dem ihm das Trollen leichter gemacht wird.
Als effektivste Technik der Trollzähmung empfiehlt die bereits erwähnte Linguistin Claire Hardaker aber, dass man Trolle erkennen, benennen und dann konsequent ignorieren sollte. Das dahinter stehende Motto „Don´t feed the troll!“ ist nicht wirklich neu, aber so erfolgreich, dass es geradezu zu einem geflügelten Wort geworden. Wirft man Trollen keine „Häppchen“ hin, sondern ignoriert sie komplett und geht überhaupt nicht auf ihre Kommentare ein, dann verleidet man ihnen das sadistische Verhalten – sie haben schlicht nicht mehr die Möglichkeit, Genuss durch die emotionalen und verletzten Reaktionen der herausgeforderten User zu empfinden. Ohne immer neue Genuss-Häppchen hungert der Troll und sucht sich an anderen Orten leichtere Opfer.
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