Wissenschaft ist immer dann besonders spannend, wenn dabei Dinge entdeckt werden, mit denen man nicht gerechnet hat. Genau das ist nun Astronomen aus Japan und den USA mit dem ALMA-Radioteleskop der Europäischen Südsternwarte gelungen. Junko Ueda und ihre Kollegen haben galaktische Kollisionen am Himmel beobachtet und dabei nicht nur auf die Sterne geachtet, sondern auch auf den ganzen Staub und das ganze Gas, das sich in den Galaxien auch noch findet. Die Ergebnisse sind überraschend…
Bei den Galaxien unterscheidet man zwei grundsätzlich unterschiedliche Formen: Es gibt Spiralgalaxien, so wie unsere eigene Milchstraße oder die Andromedagalaxie. Spiralgalaxien sehen so aus, wie wir uns eine Galaxie normalerweise immer vorstellen: eine flache Scheibe aus Sternen, die in Spiralarmen angeordnet sind. Es gibt aber auch noch elliptische Galaxien; im wesentlichen gigantische mehr oder weniger sphärische Haufen aus Sternen. Bisher dachte man, dass diese elliptischen Galaxien entstehen, wenn zwei Spiralgalaxien zusammenstoßen.
So eine galaktische Kollision hat natürlich mit einem klassischen Zusammenstoß wenig zu tun. Galaxien sind enorm groß und zwischen ihnen ist enorm viel Platz – es dauert also auch enorm lange, bis so eine Kollision stattfindet; durchaus mehrere Milliarden Jahre. Und dann stößt dort auch eigentlich nichts konkret zusammen. Eine Galaxie besteht zwar aus vielen Sternen, aber auch aus jeder Menge leerem Raum dazwischen. Zwischen den Sternen ist so viel Platz, dass sich die Galaxien einfach durchdringen. Dass tatsächlich ein Stern mit einem anderen Stern kollidiert ist dabei enorm unwahrscheinlich. Aber die wirkenden Gravitations- und Gezeitenkräfte verformen die Galaxien und irgendwann verschmelzen sie dann und bilden einen großen Sternhaufen. Aus zwei Spiralgalaxien entsteht eine elliptische Galaxie.
Das zumindest war das bisherige Bild das man von der Wechselwirkung zweier Galaxien hatte. Aber naturgemäß sind diese Vorgänge schwer zu erforschen. Direkt zusehen kann man nicht; dafür dauert das alles zu lange. Man kann nur überall im Universum diverse “Standbilder” von galaktischen Kollisionen beobachten. Und man kann das ganze im Computer simulieren. Diese Computersimulationen waren es auch, die uns im Laufe der letzten Jahrzehnte zu der Überzeugung gebracht haben, dass elliptische Galaxien das Resultat von Kollisionen sind. Aber wenn das so wäre, dann sollte es davon im Universum eigentlich ziemlich viele geben. Es war schon genug Zeit für ausreichend Kollisionen um viele elliptische Galaxien zu erzeugen. Man hat aber bei den Beobachtungen festgestellt, dass 70% aller Galaxien Spiralen sind und keine Ellipsen. Irgendwas scheint da nicht zusammen zu passen.
Die Arbeit von Junko Ueda und ihren Kollegen scheint nun erklären zu können, wo das Problem liegt (“Cold Molecular Gas in Merger Remnants: I. Formation of Molecular Gas Disks”): Bei der Kollision von Spiralgalaxien entstehen nicht nur elliptische Galaxien, sondern auch neue Spiralgalaxien! Das ist das Ergebnis der Beobachtung von 37 Galaxien, die sich gerade in der letzten Phase ihrer Verschmelzung befinden. Mit dem großen Radioteleskop ALMA der Europäischen Südsternwarte in Chile konnten Ueda und ihre Kollegen die Verteilung von Kohlenmonoxid in den kollidieren Galaxien messen. Daraus lässt sich die Verteilung von Gas und Staub in den großen Sternsystemen ableiten.
Das ist durchaus relevant, wenn man verstehen will, wie eine Galaxie funktioniert. Denn aus den Gas- und Staubwolken entstehen die Sterne der neuen Galaxie: Wenn bei der Kollision alles durch die Gezeitenkräfte durcheinander gewirbelt wird, werden auch Gas und Staub ordentlich durchgerührt, verdichtet und am Ende entstehen daraus neue Sterne. Und in den nun beobachteten Galaxien hat sich das Kohlenmonoxid in scheibenförmigen Regionen angesammelt: Es handelt sich also um Spiralgalaxien die gerade in Entstehung begriffen sind.
Diese Animation zeigt, wie so ein Prozess aussehen könnte:
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