Bei den Fragen zur Astronomie, die mir bei diversen Anlässen gestellt werden, sind schwarze Löcher immer weit vorne mit dabei. Kein Wunder, denn diese Himmelsobjekte sind nicht nur enorm faszinierend, sondern auch enorm verwirrend und auch bei weitem noch nicht komplett verstanden. Eine oft gestellte Frage lautet dazu immer: Ist ein schwarzes Loch wirklich eine Singularität? Und kann es so etwas überhaupt geben?.
Mit “Singularität” ist hier ein unendlich kleiner, unendlich dichter Punkt gemeint. Und auf den ersten Blick scheint ein schwarzes Loch tatsächlich so etwas sein zu müssen. Ein normales schwarzes Loch entsteht, wenn ein großer Stern am Ende seines Lebens keinen Brennstoff mehr übrig habt. In seinem Inneren wird keine Strahlung mehr produziert, die nach außen dringen kann. Dadurch fällt auch der sogenannte Strahlungsdruck weg, also die nach außen gerichtete Kraft, die verhindert, dass der Stern unter seinem eigenen Gewicht kollabiert. Ein normaler Stern befindet sich im Gleichgewicht: Die Gravitationskraft seiner Materie drückt nach innen; der Strahlungsdruck nach außen und im Endeffekt bleibt der Stern stabil. Fällt der Strahlungsdruck nun weg, stürzt der Stern unter seinem eigenen Gewicht zusammen.
Er wird immer kleiner und immer dichter und wie klein und dicht er werden kann, hängt von seiner Masse ab. Unsere Sonne zum Beispiel ist ein recht massearmer Stern. Sie wird am Ende ihres Lebens zwar enorm dicht werden, schrumpft aber “nur” auf ungefähr die Größe, die unsere Erde hat. Es entsteht ein sogenannter “Weißer Zwerg”, also ein extrem dichter Sternenüberrest, in dessen Inneren keine Kernfusion mehr stattfindet und der einfach nur noch sehr langsam abkühlt und dunkler wird. Liegt diese Masse eines sterbenden Sterns aber über der sogenannten Chandrasekhar-Grenze, ist die Kraft der Gravitation so groß, dass er noch weiter schrumpft. Die Atome werden immer dichter aneinander gedrängt, bis es buchstäblich nicht mehr dichter geht. Die negative geladenen Elektronen der Hülle werden in den positiv geladenen Atomkern gedrückt und es entstehen neutrale Neutronen. Die werden auch immer weiter aneinander gedrängt, bis dann irgendwann Schluss ist. Wollte man die Neutronen noch weiter verdichten, müssten zwei Neutronen den gleichen Platz einnehmen und das wollen sie nicht. Die Stärke dieses “Entartungsdrucks” stoppt den Kollaps und es entsteht ein sogenannter Neutronenstern, nur noch knapp 20 Kilometer groß aber immer noch so schwer wie ein Stern.
Liegt aber die Masse eines toten Sterns über der Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Grenze (ungefähr die dreifache Sonnenmasse), dann hilft auch dieser Entartungsdruck nicht mehr weiter. Dann ist die Kraft der kollabierende Materie so groß, dass auch die quantenmechanische Wechselwirkung zwischen den Neutronen den Zusammenfall nicht mehr aufhalten kann. Der Stern wird immer dichter und immer kleiner, bis… ja – bis was passiert?
Das wissen wir derzeit nicht. Wir wissen, dass das so entstehende Objekt irgendwann auf jeden Fall so dicht werden wird, dass die Fluchtgeschwindigkeit an seiner Oberfläche größer als die Lichtgeschwindigkeit ist. Das heißt, dass nichts mehr aus seiner Nähe entkommen kann und es zum schwarzen Loch wird (siehe hier für eine längere Erklärung). Da aber eben nichts entkommen kann, wissen wir auch nicht was hinter dieser Grenze passiert. Wir kennen derzeit keinen Mechanismus, der in der Lage wäre, den Kollaps aufzuhalten. Nach aktuellem Wissensstand würde er immer weiter gehen, bis am Ende die gesamte Masse des ehemaligen Sterns in einem einzigen Punkt mit unendlicher Dichte vereint wäre: Einer Singularität.
Aber mit den Unendlichkeiten ist das so eine Sache. In der Theorie ist das schön und gut; in der Realität eher weniger. Ein Punkt mit unendlich großer Dichte scheint nicht existieren zu können. Und nur weil die aktuellen Beschreibungen sterbender Sterne in genau so einem Punkt resultieren folgt daraus nicht, dass es so eine Singularität auch geben muss. Das ist eigentlich nur ein Zeichen dafür, dass diese aktuellen Beschreibungen eben nicht genau genug oder nicht umfassend genug sind. Wüssten wir mehr über das Verhalten von Materie in so extremen Zuständen, dann würden wir vielleicht auch einen neuen Mechanismus entdecken, der den Kollaps doch irgendwann stoppt, bevor eine Singularität erreicht ist. Aber um diese extremen Zustände verstehen zu können, fehlt uns derzeit noch eine vereinheitlichte Beschreibung von Quantenmechanik und Gravitation.
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