In den letzten Tagen haben mich jede Menge Leserinnen und Leser darauf hingewiesen, dass anscheinend große Durchbrüche in der Fusionsforschung bevor stehen. Die amerikanische Firma Lockheed Martin hat verkündet, einen neuen, kleinen und kompakten und vor allem funktionierenden Fusionsreaktor bauen zu können und der berüchtigte Andrea Rossi hat angeblich wieder mal die Kalte Fusion erfunden. Steht unser Energieproblem also kurz vor der Lösung?
Nun ja – so schnell wird die Energiefrage wohl nicht revolutioniert. Lockheed Martin ist natürlich erstmal eine einigermaßen seriöse Firma und auch das Konzept auf dem ihre Verlautbarung basiert, ist seriös. Es geht dabei um ganz “normale” Fusion, bei der Deuterium- und Tritiumatome verschmolzen werden sollen, was theoretisch Energie freisetzt. Auf dieser Idee gründet auch die restliche wissenschaftliche Fusionsforschung und wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, empfehle ich euch die beiden Folgen zum Thema aus dem Helmholtz-Forschungspodcast. Der neue Ansatz von Lockheed besteht darin, dass sie die Magnete, die das heiße Plasma halten und steuern sollen, auf eine sehr kompakte Art und Weise angeordnet haben (wollen), die den Bau vergleichsweise kleiner Fusionsreaktoren ermöglicht. Die Dinger sind dann nur noch so groß wie Lastwagen – wenn sie denn irgendwann mal existieren. Angeblich soll es nur 5 bis 10 Jahre dauern – aber hier liegt auch das Problem, dass ich mit der Ankündigung habe. Ich bin kein Experte für Fusionsforschung und kann nicht beurteilen, wie realistisch die Idee ist. Das würde mir aber auch schwerfallen, wenn ich ein Experte wäre, denn es gibt keine detaillierten Veröffentlichungen zu diesem Konzept. Im Wesentlichen hat man dort also gesagt, dass man irgendwann in der Zukunft irgendwas bauen will und es gibt keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Ich würde das derzeit eher unter gelungener PR einordnen und solange keine Details bekannt gegeben werden, kann man die Sache vorerst einmal ignorieren. Alf Köhn hat bei den SciLogs einen ausführlicheren Artikel über Lockheeds Reaktor geschrieben, den ich euch zur Lektüre empfehlen kann.
Ein wenig anders sieht die Sache bei Andrea Rossi aus. Der italienische Erfinder behauptet nicht, normale Fusion bewerkstelligt zu haben, sondern kalte Fusion. Damit Atome miteinander verschmelzen können, müssen sie sich enorm schnell bewegen. Nur so kriegen sie genügen “Wumms”, um die atomaren Abstoßungskräfte zu überwinden und zu fusionieren. Deswegen findet die Kernfusion auch nur im Kern der Sonne statt, wo es mit über 10 Millionen Grad heiß genug ist, um die Atome entsprechend schnell zu bewegen. In den äußeren Schichten der Sonne gibt es dagegen keine Fusion. Und die hohen Temperaturen sind auch der Grund, warum die künstliche und kontrollierte Fusion so schwer zu bewerkstelligen ist: Um das enorm heiße Plasma aus Atomen irgendwie steuern zu können, muss man einen enormen technischen Aufwand betreiben.
Rossi aber behauptet, er könne Atome bei Zimmertemperatur zur Fusion bringen. In seinem “E-cat” sollen Nickelatome mit Wasserstoff oder Lithium fusionieren und wenn diese nuklearen Reaktionen auch theoretisch durchaus möglich sind, sind Zweifel angebracht, dass Rossi das auch gelungen ist. Genau das aber behauptet nun angeblich eine unabhängige Studie schwedischer Wissenschaftler (Link zum pdf). Dramatische Behauptungen wie die Realität der Kalten Fusion erfordern auch dramatische Belege – aber die hat Rossi auch in diesem Fall nicht geliefert.
Es gibt ein paar grundlegende Dinge, die man tun kann, um zu überprüfen, ob der E-cat wirklich funktioniert. Zum Beispiel ein vernünftiges Kalorimeter benutzen, dass den kompletten Energieoutput des Geräts misst. Oder sicher zu stellen, dass das Ding wirklich von selbst Energie erzeugt und nicht an irgendeiner Steckdose steckt. Und natürlich muss die Prüfung auch komplett unabhängig erfolgen, ohne das Rossi oder seine Mitarbeiter an der Überprüfung mitwirken. In der “unabhängigen” Studie wurden all diese Dinge aber nicht berücksichtigt. Die “unabhängigen” Wissenschaftler waren Kollegen oder Freunde von Rossi; Rossi selbst war an der Überprüfung beteiligt; die Methoden zur Überprüfung waren zweifelhaft und der einzige Aspekt der tatsächlich vernünftig geprüft wurde – die Messung von Gammastrahlen, die bei der Fusionsreaktion eigentlich frei werden sollten – lieferte ein negatives Ergebnis.
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