Ein Video macht derzeit die Runde durchs Internet. Zwei Niederländer besuchen darin eine Fachmesse für Lebensmittel in Houten und verteilen dort Essen von McDonalds an die Besucher. Sie behaupten dabei aber, dass es sich um selbstgemachtes Bio-Essen handelt und wie ihr Video zeigt, scheinen viele Besucher höchst begeistert von dieser “Alternative” zum bösen Fast-Food zu sein:
Es ist kein Wunder, dass sich das Video so rasend schnell im Internet verbreitet. Man kann sich wunderbar über die “dummen” Menschen amüsieren, die sich und ihren Lebensstil für etwas Besseres halten. Man kann sich über den künstlichen Elitarismus aufregen, der sich in der Szene der “Foodies” ja tatsächlich oft finden lässt und sich darüber freuen, wie er in diesem Video bloß gestellt wird. Aber man sollte dieses Video auch nicht überbewerten oder gar als wissenschaftliches Experiment fehlinterpretieren. Interessante Gedanken darüber kann man sich allerdings trotzdem machen.
- Wenn wir uns über die Menschen im Video amüsieren, dann sollten wir dabei nicht vergessen, dass sie nicht unbedingt “dümmer” sind als andere Menschen. Jeder von uns würde auf ein ähnliches Experiment reinfallen. Es gibt genug Forschung auf diesem Gebiet, die genau das belegt. Wenn man uns sagt, dass irgendwas ganz besonders toll ist, dann glauben wir das nicht nur, sondern finden das auch ganz besonders toll. Das funktioniert auch, wenn wir nur daran glauben, dass irgendwas ganz besonders toll sein muss. Der Placebo-Effekt wirkt zum Beispiel um so besser, je aufwendiger wir die (wirkstofflose) Therapie empfinden. Eine Placebo-Spritze “wirkt” besser als eine Placebo-Tablette und noch besser “wirkt” eine Placebo-Operation. Und wenn es um Geschmäcker geht, lassen wir uns noch viel leichter beeindrucken. Sagt man uns, dass ein bestimmter Wein besonders teuer ist, dann wird er uns besser schmecken als ein billigerer Wein – selbst wenn es sich in beiden Fällen um das exakt gleiche Getränk handelt (siehe hier). Insofern ist es nicht weiter bemerkenswert, wenn Menschen die Snacks von McDonalds besonders toll finden, wenn man ihnen vorher sagt, dass es sich um besonders tolle Snacks handelt. Der – in vielen Fällen durchaus irrationale – Glaube, dass Bio-Essen besser schmecken muss als normales Essen, verstärkt analog zum Placebo-Effekt diesen Eindruck noch.
- Aus dem Video sollte man auch nicht unbedingt ableiten, dass Fast-Food von McDonalds jetzt auf einmal gesund ist. Oder ungesund. Oder das Bio-Essen gesünder/ungesünder ist. Geschmack hat mit Gesundheit nichts zu tun. Nur weil etwas gut schmeckt, muss es deswegen nicht zwangsläufig besser sein.
- Ich würde generell nicht dazu raten, aus diesem Video irgendwelche objektiven Erkenntnisse abzuleiten oder es als Argument für irgendwelche Ernährungsdiskussionen zu benutzen (so wie das in den sozialen Medien derzeit oft passiert). Das Video ist reine Unterhaltung und keine Wissenschaft. Wir wissen nicht, wie viele Menschen das Zeug gekostet haben und wie viele davon nicht darauf reingefallen sind. Wir wissen nicht, wie viele nicht darauf reingefallen sind, aber nur zu höflich/zu schüchtern waren um vor der Kamera zu behaupten, es handle sich um schnöden McDonalds-Kram. Und so weiter. Das, was in dem Video gezeigt wird, ist viel – aber mit Sicherheit nicht einmal annähernd wissenschaftlich.
Wenn wir aus dem Video tatsächlich etwas lernen wollen, dann das: Geschmäcker sind verschieden. Und enorm subjektiv. Geschmack wird von unseren Vorstellungen über das Produkt mindestens ebenso sehr beeinflusst wie von dem Produkt selbst. Das gilt für uns alle – und ist auch nicht unbedingt schlimm. Auch ich kaufe mir gerne die Croissants von einer bestimmten Bäckerei obwohl die auch nicht fundamental anders sind als andere Croissants. Aber weil mir diese spezielle Bäckerei – aus verschiedenen Gründen – viel sympathischer ist als andere, schmecken mir auch die Croissants viel besser. Und wenn es den “Foodies” Spaß macht, sich intensiv mit ihrem Essen zu beschäftigen (und dadurch ihr individuelles Geschmackserlebnis erhöhen), dann sollte man ihnen das nicht vorwerfen. Ganz im Gegenteil. Ganz unabhängig vom Geschmack lohnt es sich immer, über das Bescheid zu wissen, was man zu sich nimmt!
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