Was Planeten bei anderen Sternen angeht, ist unsere Suche in den letzten Jahren ja mehr als erfolgreich gewesen. Da wo wir anfangs nur vereinzelte Himmelskörper kannten und kaum verstanden haben, kennen wir nun die ganze wunderbare Welt der Exoplaneten. Aber wenn andere Sterne ebenso von Planeten umkreist werden wie unsere Sonne, dann gibt es keinen Grund anzunehmen, dass es in diesen Systemen nicht auch all die anderen Himmelskörper gibt, die so ein Planetensystem ausmachen. Es muss dort nicht nur Planeten geben, sondern auch Monde, Asteroiden und Kometen. Was die Exomonde angeht, ist man fleißig auf der Suche, hat aber noch keine zweifelsfreie Entdeckung gemacht. Aber bei den Kleinkörpern ist es anders! Schon seit längerer Zeit weiß man, dass auch andere Sterne von Asteroiden und Kometen umkreist werden. Das mag seltsam erscheinen, da diese Objekte ja deutlich kleiner sind als die noch unentdeckten Monde und die schon entdeckten Planeten. Aber die Astronomen sind kreativ und vor allem die Kometen verraten ihre Existenz auf eine ganz besondere Weise.

Wollt ihr mal einen extrasolaren Kometen sehen? Hier ist einer:

Bild: Kiefer et al, 2014 pdf

Bild: Kiefer et al, 2014 pdf

Ok – das ist natürlich ein wenig geschummelt. Das ist selbstverständlich KEIN Bild eines extrasolaren Kometen. Sie sind tatsächlich zu klein, zu lichtschwach und zu weit weg um direkt beobachtet zu werden. Aber das Diagramm zeigt die indirekte Beobachtung eines extrasolaren Kometen. Man sieht dort einen Teil des Lichtspektrums des Sterns Beta Pictoris. Im Spektrum sieht man, wieviel Licht einer gewissen Wellenlänge vom Stern zu uns gelangt. Solche Spektren verraten uns zum Beispiel, woraus so ein Stern besteht weil die verschiedenen chemischen Elemente verschiedene Wellenlängen des Lichts blockieren. Natürlich hat man auch bei Beta Pictoris jede Menge Spektren aufgenommen – und festgestellt, dass sie sich verändern! Von einem Tag auf den anderen können die Spektren ganz anders aussehen, wie das Diagramm deutlich zeigt. Die rote Linie gibt das “Referenzspektrum” an, also den Normalzustand, den man bei Beta Pictoris erwarten und meistens auch beobachten kann. Die schwarze Linie dagegen zeigt, wie das Spektrum bei manchen Beobachtungen kurzfristig immer wieder von dieser Referenz abweicht.

Und das kann eigentlich nichts mit dem zu tun haben, was im Inneren des Sterns passiert. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass so ein Stern seine chemische Zusammensetzung während solch kurzer Zeiträume verändert – und danach wieder zum Ausgangszustand zurück kehrt. Die Änderungen müssen auf etwas zurück zu führen sein, dass sich zwischen dem Stern und uns befindet. Es müssen sich immer wieder kurzfristig große Gaswolken am Stern vorbei ziehen und das in ihnen enthaltene Material verändert kurzfristig das Spektrum.

Große Gaswolken ziehen aber im Allgemeinen nicht einfach so durch ein Planetensystem. Es sei denn, es handelt sich um einen Kometen! Denn der ist eigentlich nichts anderes als eine riesengroße Gaswolke mit einem kleinen Stein in der Mitte. So ein Kometenkern ist normalerweise nur wenige Kilometer groß. Aber wenn er in die Nähe eines Sterns kommt und sich aufheizt, kann das im Gestein enthaltene Eis auftauen, sich in Gas umwandeln und entkommen. So entsteht die Koma; die große Gashülle die einen aktiven Kometen einhüllt und die ein paar Millionen Kilometer Durchmesser erreichen kann (der berühmte Komet Hale-Bopp der im Jahr 1997 an unserem Nachthimmel beobachtet werden konnte hatte zum Beispiel eine 3 Millionen Kilometer durchmessende Koma). Groß genug also, um aufzufallen, wenn der Komet von uns aus gesehen an seinem Stern vorüber zieht.

Beta Pictoris ist ein enorm interessanter Stern. Er ist noch sehr jung und von einer großen Scheibe aus Staub umgeben. Dank seines jungen Alters ist dort auch mit mehr Kleinkörpern zu rechnen als im alten Sonnensystem, wo die meisten Kometen und Asteroiden schon vor langer Zeit aus dem System geworfen oder bei Kollisionen zerstört worden sind. Ein junger Stern ist also ein ideales Ziel für die Suche nach Exokometen. Und schon seit 2003 beobachtet man bei Beta Pictoris immer wieder Veränderungen im Spektrum und hat diese Beobachtungen auch benutzt, um auf die Existenz von Planeten zu schließen. Kennt man genug solcher Exokometen, dann kann man aus ihren Eigenschaften auf ihre Bahnen schließen und daraus wiederum auf die Bahn eines etwaigen Planeten. Denn die Planeten sind ja mit ihrem gravitativen Einfluss maßgeblich dafür verantwortlich, wie sich die Kleinkörper in einem System bewegen. Auch ich habe damals diese Beobachtungen gemeinsam mit eigenen Computersimulationen benutzt, um die Existenz von mindestens drei Planeten bei Beta Pictoris vorherzusagen. Und tatsächlich wurde im Jahr 2008 dort ein passender Planet gefunden.

In der Zwischenzeit hat man aber auch die Spuren der Exokometen weiter beobachtet. Bis 2011 haben französische Wissenschaftler 1106 Spektren von Beta Pictoris gesammelt. Nach jeder Menge intensiver Datenauswertung konnten sie darin 493 Kometen identifizieren, die am Stern vorbei geflogen sind. Eine umfassende Analyse dieser extrasolaren Kometenpopulationen haben sie kürzlich veröffentlicht (“Two families of exocomets in the Beta Pictoris system” – PDF). Aus einer sehr genauen Analyse der Veränderungen im Spektrum konnten die Astronomen herausfinden, wie stark die Gaswolken der Koma das Licht des Sterns absorbiert haben. Sie konnten außerdem messen, wie schnell sich die Kometen am Stern vorüber bewegen und daraus abschätzen, wie weit sie von ihm entfernt gewesen sein mussten. Aus der Kombination aller Daten haben sie “Ausdünstungs-Effizienz” (evaporation efficiency) berechnet. Damit ist eine Größe gemeint, die beschreibt wie gut ein Komet in der Lage ist, die Energie die er durch die Strahlung des Sterns bekommt aufzunehmen. Je größer die Ausdünstungs-Effizienz, desto besser schafft es der Komet, Staub und Gas ins All strömen zu lassen und eine große Koma zu bilden. Die Astronomen haben diesen Wert für alle Kometen bestimmt und sich dann angesehen, wie die einzelnen Werte verteilt sind. Das sieht dann so aus:

Bild: Kiefer et al, 2014 pdf

Bild: Kiefer et al, 2014 pdf

Man erkennt deutlich zwei unterschiedliche Gruppen. Ok, man erkennt sie vor allem deswegen deutlich, weil sie unterschiedlich eingefärbt sind. Aber auch ohne die Farben würde man sehen, dass die Gesamtverteilung durch zwei einzelne Gaussverteilungen angenähert wird. Die Kometen von Beta Pictors gehören anscheinend zu zwei verschiedenen Familien. Bei einer Familie sind die Eigenschaften breit gestreut. Sie haben unterschiedliche Geschwindigkeiten, bewegen sich auf unterschiedlichen Bahnen um den Stern und auch ihre Ausdüngstungs-Effizienz ist von Objekt zu Objekt deutlich verschieden. Bei der anderen Gruppe dagegen sind die Eigenschaften sehr ähnlich. Sie bewegen sich mit ähnlichen Geschwindigkeiten auf ähnlichen Bahnen um den Stern und setzen ähnlich viel Gas und Staub frei. Und vor allem mehr Gas und Staub als die andere (rote) Familie.

Das ist dann plausibel, wenn es sich bei der zweiten Gruppe um Kometen handelt, die entstanden sind, als ein größeres Objekt auseinander gebrochen ist. Dann wären ihre Oberflächen noch frisch und damit in der Lage, viel Staub und Gas zu erzeugen. Außerdem würden sie sich alle auf ähnlichen Bahnen bewegen, da sie ja den gleichen Ursprung haben. Dieses Verhalten kennen wir in unserem Sonnensystem zum Beispiel von der Kreutz-Gruppe, die ebenfalls alle auf ähnlichen Bahnen nahe an der Sonne vorüber ziehen. Die andere Familie der Kometen produziert wenig Staub und Gas, was darauf hindeutet, dass es sich um alte Objekte handelt, die schon sehr oft an Beta Pictoris vorbei gezogen sind. Und das wiederum deutet darauf hin, dass ihre Bahnen von einem großen Planeten kontrolliert werden. So wie zum Beispiel die Jupiter-Familie der Kometen in unserem Sonnensystem. Und wenn man ausrechnet, welche Eigenschaften ein Planet haben muss, um eine Familie wie die (rote) bei Beta Pictoris hervor zu bringen, dann sind die den Eigenschaften des 2008 entdeckten Planeten sehr ähnlich.

Es passt also alles wunderbar zusammen. Das Verhalten der Kometen von Beta Pictoris steht in Einklang mit dem Verhalten des dort bekannten Planeten und mit dem bekannten Verhalten der Kometen in unserem Sonnensystem. Es zeigt uns, dass wir nicht einzigartig sind: Das was hier bei uns im Sonnensystem abläuft, passiert auch anderswo im Universum. Und was ich noch faszinierender finde: Wir sind in der Lage, diese Vorgänge auch zu beobachten. Wenn man mir damals, als ich 1995 mein Studium begonnen habe, erzählt hätte, dass man irgendwann statistische Analysen von hunderten Kometen machen kann, die einen anderen Stern umkreisen, hätte ich das vermutlich nicht unmöglich gefunden. Aber ich hätte absolut nicht damit gerechnet, dass es kaum 20 Jahre dauert, bevor solche Analysen möglich sind. Ich bin zwar befangen, aber ich kann es nicht anders sagen: Die Astronomie ist eine enorm faszinierende Sache!

Kommentare (16)

  1. #1 McPomm
    28. Oktober 2014

    Zitat

    Nach jeder Menge intensiver Datenauswertung…

    ich hätte absolut nicht damit gerechnet, dass es kaum 20 Jahre dauert, bevor solche Analysen möglich sind.

    Mal eine kleine Frage: ist dies dem Fortschritt in der Computertechnologie zu verdanken? Oder eher methodischen Verbesserungen? Arbeiten Astronomen noch viel mit Papier und Bleistift? Oder gehen heutige Analysen (z.B. die der 1106 Spektren) nur noch per Computer?

  2. #2 Alderamin
    28. Oktober 2014

    @Florian

    der berühmte Komet Hale-Bopp der im Jahr 1997 an unserem Nachthimmel beobachtet werden konnte hatte zum Beispiel eine 150 Millionen Kilometer durchmessende Koma

    Nee, ganz so groß war sie nicht, das wäre ja der Abstand Erde-Sonne. 2 bis 3 Millionen km. Immerhin deutlich größer als die Sonne. Hale-Bopp war aber auch ein Monster-Komet mit einem Kern von 60 km.

  3. #3 Alderamin
    28. Oktober 2014

    @McPomm

    Digitaltechnik generell: lichtempfindliche CCD-Sensoren mit hoher Auflösung, Bildverarbeitung, computergesteuerte adaptive Optik mit Laser-Leisternen, und dieses Gerät machten es möglich.

  4. #4 Florian Freistetter
    28. Oktober 2014

    @Alderamin: Sorry, da hatte ich nicht die Koma, sondern den Wasserstoffhalo von Hale-Bopp im Kopf gehabt. Der war tatsächlich so groß.

  5. #5 Bullet
    28. Oktober 2014

    Ich finde ja, diese Astronomie und Forensik hab eine beeindrucken große Schnittmenge. In beiden Fächern zieht man aus winzigsten Rohdaten noch richtig viel Verwertbares raus.
    Aber auch ich hätte in den Neunzigern damit gerechnet, daß wir eher ein Raumschiff bauen können, das uns zum Pluto bringt als die Detektierung von Exoplaneten mittels eines Orbitalteleskopes.

  6. #6 Bullet
    28. Oktober 2014

    ohje. “haben” eine “beeindruckend…”
    Meine Tastatur beschämt mich.

  7. #7 McPomm
    28. Oktober 2014

    @Alderamin

    Für die Beobachtung, Aufzeichnung und Visualisierung an sich ist mir das klar mit der hochgezüchteten Digitaltechnik. Aber hinterher bei der Analyse frage ich mich, ob das auch per Computerprogramme geht? Oder ob da die Leute noch meist Berechnungen per Hand machen und die Spektrogramme am Bildschirm angucken oder ausdrucken?

  8. #8 Phero
    28. Oktober 2014

    [quote]Und wenn man ausrechnet, welche Eigenschaften ein Planet haben muss, um eine Familie wie die (rote) bei Beta Pictoris hervor zu bringen, dann sind die den Eigenschaften des 2008 entdeckten Planeten sehr ähnlich.[/quote]
    Nicht eher “(blaue)”?
    Sehr interessanter Artikel!

  9. #9 Alderamin
    28. Oktober 2014

    @McPomm

    Aber hinterher bei der Analyse frage ich mich, ob das auch per Computerprogramme geht?

    Selbstverständlich, sogar Amateure verwenden Software zur Vermessung der Spektrallinien. Vor gaaanz langer Zeit in den 80ern habe ich mal eine Vorlesung in Astronomie mit Praktikum gehört, und da haben wir noch selbst ein Programm geschrieben, mit dem man per Spline-Interpolation und der Position bekannter Linien in einem Vergleichspektrum die Position der Linien des Sternspektrums möglichst genau bestimmte. Heute gibt’s fertige Software für Amateure für kleines Geld, die ähnliches viel schöner (grafisch) erledigt. Die Profis werden da sicherlich noch viel besser ausgestattet sein, aber deren Werkzeuge kenne ich nicht. Ludmila müsste sich damit auskennen, die erforscht doch Exoplaneten.

  10. #10 Peroppi
    28. Oktober 2014

    Was man allein anhand des Lichts über einen fernen Stern herausfinden kann, ist wirklich beeindruckend!

    Was ich aber noch nicht ganz verstanden habe:
    493 Kometen in 1106 Spektren. Da vermute ich, dass man in zahlreichen Proben sozusagen nur das Referenzspektrum entdeckt hat, aber in anderen Proben Hinweise auf meistens einen, manchmal mehrere Kometen. Kann man denn dann in den Daten auch einzelne periodische Kometen entdecken, wenn man die Zeitpunkte der Proben berücksichtigt und dann evtl. sogar Vorhersagen auf zukünftige Durchgänge überprüfen kann?

  11. #11 Alderamin
    28. Oktober 2014

    @Peroppi

    Kann man denn dann in den Daten auch einzelne periodische Kometen entdecken, wenn man die Zeitpunkte der Proben berücksichtigt und dann evtl. sogar Vorhersagen auf zukünftige Durchgänge überprüfen kann?

    Prinzipiell würde das bestimmt gehen aber…

    Aus einem S&T-Artikel zum gleichen Thema:

    The new results are an analysis of 1,106 spectra taken from 2003 to 2011, containing variable calcium absorption features from an estimated 493 exocomets. (To avoid double-counting, the team only looked at one spectrum per day.) To make the signals clearer, the team averaged spectra over 30 minutes to boost the detections. Still, there are so many evaporating bodies in this infant planetary system that, in each 30-minute spectrum, there’s an average of six comets passing in front of the star.

    Da wird man kaum einzelne Kometen nachhalten können, es sind viel zu viele.

  12. #12 Peroppi
    28. Oktober 2014

    @Alderamin
    “Still, there are so many evaporating bodies in this infant planetary system that, in each 30-minute spectrum, there’s an average of six comets passing in front of the star.”

    wow!!!
    danke, dann ist das klar 🙂

  13. #13 Peroppi
    28. Oktober 2014

    sorry falls es nicht so qualifiziert ist, aber mir drängt sich das Bild eines Mückenschwarms vor einer Kerze auf.
    Anhand der Verdunkelungen haben Biologen festgestellt, dass es sich um zwei verschiedene Mückenarten handelt, welche mit kleinen und welche mit großen Flügeln.

  14. #14 Florian Freistetter
    28. Oktober 2014

    @Peroppi: “Anhand der Verdunkelungen haben Biologen festgestellt, dass es sich um zwei verschiedene Mückenarten handelt, welche mit kleinen und welche mit großen Flügeln.”

    Der Vergleich stimmt. Aber nur, wenn die Biologen die Kerze aus ein paar 100km Entfernung beobachten…

  15. #15 Yeti
    30. Oktober 2014

    Ich würde auf der Stelle meine Seele verkaufen, um diesen Anblick mal “aus der Nähe” zu sehen.
    Aber ich hab’ ja leider keine … :/

  16. […] und seine Planeten geforscht habe. Bzw. damals noch über seine hypothetischen Planeten. Aus der Existenz der Kometen von Beta Pictoris und diverser anderer Auffälligkeiten habe ich damals mittels Computersimulation das Vorhandensein […]