Im Zuge der vor einiger Zeit stattgefundenen Landung der Raumsonde Philae auf einem Kometen ist mir unter anderem eine Frage sehr oft gestellt worden: Warum hat man keine Radionuklidbatterie als Energiequelle verwendet?. Denn immerhin konnte Philae nur kurze Zeit Daten sammeln bevor ihr die Energie ausging und sie in den Schlafmodus versetzt wurde. Sie war auf Sonnenlicht angewiesen und davon gab es an der Landestelle zu wenig. Wäre es angesichts der Einzigartigkeit und Bedeutung der Mission nicht besser gewesen, man hätte eine verlässlichere Energiequelle mitgenommen? Eben eine Radionuklidbatterie, die auch ohne Sonnenlicht auskommt und von vielen anderen Sonden – wie zum Beispiel den Voyager-Sonden – benutzt wird? Eine gute Frage und daher gibt es in meiner Serie “Fragen zur Astronomie” diese Woche darauf eine Antwort.
So eine Radionuklidbatterie oder RTG (radioisotope thermoelectric generator) ist schon eine praktische Sache. Sie basiert auf dem Zerfall radioaktiver Elemente und kann damit für lange Zeit ohne externe Quellen Energie bereit stellen und das auch noch wartungsfrei und sehr verlässlich. Ein RTG kann mit verschiedenen Elementen betrieben werden, aber für den Einsatz in der Raumfahrt wird so gut wie immer Plutonium-238 verwendet. Hier braucht man nur eine sehr dünne Abschirmung um die Strahlung zu isolieren und angesichts der hohen Materialkosten bei der Raumfahrt ist das äußerst praktisch. Unpraktisch dagegen ist, dass man das Plutonium-238 zuvor erst extra herstellen muss. Das Plutonium, das man in Kernreaktoren findet eignet sich nicht für den Einsatz in einem RTG und es findet sich darin auch wenig des Isotops Plutonium-238. Das muss man in Reaktoren durch Bestrahlung produzieren und das haben hauptsächlich die Sowjetunion und die USA gemacht. Die Amerikaner haben damit Ende der 1980er Jahre aufgehört und fangen erst jetzt, nachdem ihr Vorrat zu Ende geht langsam wieder damit an.
Die Europäische Weltraumagentur hätte das Zeug also erst anderswo einkaufen müssen und als knappe Ressource ist das Plutonium-238 nicht unbedingt billig. Aber man hätte damit sowieso nichts anfangen können, da die ESA selbst auch gar keine RTGs produziert. Die Technologie hat man nie entwickelt und hätte die ganze Batterie irgendwo kaufen müssen und das hätte neben den finanziellen Problemen vermutlich auch einiges an politischer Überzeugungsarbeit gekostet. Immerhin hätten die USA und Russland dafür ihre eigenen damals knappen Vorräte angreifen müssen…
Aber selbst wenn, dann wäre ein RTG für die Mission nicht unbedingt optimal gewesen. So ein RTG ist schwer und die Philae-Sonde mit 100 Kilogramm Gewicht sehr leicht. Eine Radionuklidbatterie hätte vermutlich annähernd so viel gewogen wie Philae selbst und die Mission wäre komplizierter und teurer geworden. Dazu kommen Fragen der Strahlungssicherheit: Wenn die Rakete mit Philae an Bord beim Start explodiert (und der Start der Mission musste ja extra verschoben werden, weil eine der Ariane-Raketen zuvor einen Unfall hatte) wäre, dann wäre damit auch das radioaktive Isotop in die Atmosphäre gelangt. Es hätte auch Probleme bei den beiden knappen Vorbeiflügen an der Erde kommen können, bei denen sich die Sonde Schwung für den Weg zum Kometen geholt hat. Die Auswirkungen hätten sich in der Realität vermutlich in Grenzen gehalten, aber man wollte bei der ESA sicher auch aus Gründen der Öffentlichkeitsarbeit auf radioaktive Energiequellen verzichten. Immerhin gab es schon zuvor im Rahmen der Cassini-Mission zum Saturn entsprechende Proteste und eine “Stop Cassini-Bewegung.
Viel wichtiger aber ist: Eine Radionuklidbatterie hätte sich bei der Mission gar nicht ausgezahlt. Philae war eine kleine Sonde und nur weil sie klein und leicht war, konnte sie überhaupt huckepack auf Rosetta zum Kometen fliegen. Aber dadurch war auch klar, dass die Sonde nicht lange auf der Oberfläche durchhalten würde. Selbst wenn die Solarbatterie perfekt funktioniert hätte, wäre es nach ein paar Wochen durch die verstärkte Sonneneinstrahlung einfach zu warm geworden und die Instrumente hätten aufgehört zu arbeiten. Philae war von Anfang an nur als “Bonus” geplant; die eigentliche wissenschaftliche Leistung sollte Rosetta bringen. Einen Kometenlander zu bauen, der monate- oder gar jahrelang auf einer Kometenoberfläche aushalten kann, war nicht Ziel der Mission und stand außer Frage. Man hat Philae also mit einer voll aufgeladenen Batterie auf den Kometen geschickt und sich ein wissenschaftliches Programm ausgedacht, dass die Sonde mit dieser einen Batterienladung auf jeden Fall ausführen kann. Das hat Philae auch gemacht – alles was darüber hinaus ging, wäre ein nettes Extra gewesen. Aber es hat eben nicht gereicht… Nur für ein paar Wochen mehr Strom extra ein RTG mitzunehmen wäre den Aufwand vermutlich nicht wert gewesen. Dann hätte man die Mission von Anfang an komplett anders planen müssen.
Weltraumforschung ist immer noch ein hochspezialisiertes Unterfangen. Massenproduktion gibt es da nicht und man muss vorher ganz genau überlegen, welche Techniken sinnvoll eingesetzt werden können und welche nicht. In diesem Fall hat sich die ESA gegen den Einsatz von Radionuklidbatterien entschieden. Das heißt aber nicht, dass das auch in Zukunft so sein wird. Man überlegt schon seit einiger Zeit, eigene RTGs (basierend auf einem radioaktiven Americium-Isotop) zu bauen. Aber auch in Zukunft werden RTGs nicht automatisch auf jeder Mission verwendet werden. Denn in vielen Fällen ist die – im Weltall mehr als genügend vorhandene! – Sonnenstrahlung durchaus ausreichend für den Betrieb der Raumsonden. Und man spart sich die schweren, teuren und unter Umständen gefährlichen Radionuklidbatterien…
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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