Planeten bei anderen Sternen sind ganz normal und es gibt sie quasi überall. Da ist es durchaus wahrscheinlich, dass da auch irgendwo einer dabei ist, auf dem die Bedingungen lebensfreundlich sind. Also ein Planet, auf dem die Temperaturen in etwa denen entsprechen, die auch auf der Erde herrschen. Damit das der Fall sein kann, muss er in der sogenannten habitablen Zone liegen. Das ist der Bereich um einen Stern, in dem die Temperaturen auf der Oberfläche eines Planeten die Existenz von flüssigem Wasser erlauben, vorausgesetzt es sind noch diverse andere Bedingungen (wie zum Beispiel die richtige Atmosphäre) erfüllt. Wo die habitable Zone zu finden ist, hängt zu einem großen Teil von der Leuchtkraft des Sterns ab. Leuchtet er nur schwach, muss ein Planet nahe heran rücken, damit es dort ausreichend warm ist. Ist der Stern enorm heiß, ist es nur weit entfernt kühl genug für habitable Planeten. Bis jetzt hat man sich bei der Bestimmung der habitablen Zone meistens auf “normale” Sterne beschränkt; und dabei hauptsächlich Sterne, die unserer Sonne ähneln. Das ist nicht unvernünftig, denn sehr große Sterne mit sehr hoher Leuchtkraft leben zum Beispiel nur kurz und diese Zeit reicht vermutlich nicht aus, damit sich auf etwaigen Planeten Leben entwickeln kann. Aber Sterne erscheinen ja nicht völlig fertig im Universum. Sie müssen erst entstehen und es kann ein wenig dauern, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Ramses Ramirez und Lisa Kaltenegger von der Cornell Universität haben sich nun überlegt, ob sich auch schon habitable Planeten finden lassen können, bevor ein Stern fertig ist (“The Habitable Zones of Pre-Main-Sequence Stars”).
Um zu verstehen, worum es geht, muss man zuerst einmal definieren, was “fertig” bei einem Stern bedeutet. Der Entstehungsprozess von Sternen wird normalerweise recht kurz erklärt und das klingt meistens so: “Eine große Wolke aus kosmischen Gas beginnt zu kollabieren. Sie fällt unter ihrem eigenen Gewicht zusammen, im Inneren wird es immer dichter und heißer. Die Atome bewegen sich mit steigender Temperatur immer schneller, bis sie irgendwann so schnell sind, dass sie bei Kollisionen nicht mehr voneinander abprallen, sondern miteinander verschmelzen. Jetzt setzt die Kernfusion ein, der Wasserstoffatome werden zu Heliumatomen umgewandelt und bei diesem Prozess wird Energie freigesetzt. Aus der “Wolke” strahlen nun Licht nach außen und sie ist zu einem Stern geworden.”
Diese Erklärung ist durchaus richtig. Sie ist aber auch sehr vereinfacht. Das macht normalerweise nichts, denn wenn man nicht gerade speziell an der Entstehung von Sternen interessiert ist, dann spielen die diversen Zwischenschritte und Details bei der Entstehung keine Rolle. In diesem Fall aber ist es wichtig zu erklären, was bei der Entstehung genau passiert (bzw. so genau, wie es im Rahmen eines populärwissenschaftlichen Blogartikels möglich ist). Ein Stern, der den oben kurz beschriebenen Prozess abgeschlossen hat und seine eigene Energie durch Kernfusion erzeugt, wird “Hauptreihenstern” genannt. Das bezieht sich auf einen Bereich im berühmten Hertzsprung-Russell-Diagramm, das ich hier ausführlich erklärt habe. Je nach Temperatur bzw. Leuchtkraft ordnen sich fertige Sterne entlang einer konkreten Linie – der “Hauptreihe” bzw. “Main Sequence” – in diesem Diagramm an und bleiben dort, bis ihr Brennstoff aufgebraucht ist. Jetzt aber interessiert uns, was davor passiert und wie ein Stern auf die Hauptreihe gelangt. In dieser Phase wird der Stern “Pre-Main-Sequence Star” oder kurz PMS-Stern genannt.
Gehen wir also nochmal zurück zum Anfang. Zuerst ist da die große Wolke aus kosmischen Gas und Staub. Aus irgendwelchen externen Gründen (zum Beispiel dem Vorbeiflug eines Sterns irgendwo in der Nähe oder einer Supernovaexplosion) verteilt sich das Gas; wird in manchen Bereichen dichter und übt auf seine Umgebung eine größere Anziehungskraft aus. Die Wolke beginnt zu kollabieren. Die Gravitationskraft drängt die Atome und Moleküle also nach innen. Ihre thermische Bewegung wirkt dieser Kraft entgegen. Ist die Gravitationskraft größer – und wenn die Wolke kalt genug ist, ist das immer der Fall – dann beginnt die Sternentstehung. Wenn die Wolke kollabiert, dann wird dabei Bewegungsenergie in Wärmenergie umgewandelt. Im dichteren Kern der Wolke, wo der Kollaps schneller abläuft, entsteht also Energie bzw. Wärme, die nach außen abgestrahlt wird. Die äußeren Schichten der Wolke sind noch dünn und lassen die Strahlung durch. Der Kern erhöht während dieser Phase seine Temperatur also nicht. Erst wenn auch die äußeren Schichten um den Kern herum dicht genug geworden sind, kommt die Strahlung nicht mehr nach außen und der Kern heizt sich auf. Solange, bis ein Gleichgewicht erreicht wird: Ist die Temperatur hoch genug, damit die thermische Bewegung der Atome der Gravitationskraft entgegenwirken kann, stoppt der Kollaps.
Jetzt hat man einen sogenannten prästellaren Kern und seit dem Beginn der Sternentstehung sind etwa 10.000 Jahre vergangen. Der Kern ist noch weit davon entfernt ein echter Stern zu sein, sondern im Wesentlichen nur eine große, heiße Wolke. In unserem Sonnensystem würde ein typischer prästellarer Kern bis weit über die Bahn des Saturns hinaus reichen. Der Kern heizt sich weiter auf. Der Wasserstoff in der Wolke hat bis jetzt meistens in molekularer Form existiert, also als Verbindung zweier Wasserstoffatome. Irgendwann ist die Temperatur aber so hoch, dass sich das Wasserstoffmolekül in zwei einzelne Atome aufspaltet. Dabei wird Energie verbraucht und die steht nicht mehr zur Verfügung, um die nötige thermische Bewegung der Atome aufrechtzuerhalten, die genraucht wird, um den Kern stabil zu halten. Die Wolke beginnt erneut zu kollabieren. Die Temperaturen steigen weiter an bis sie irgendwann hoch genug sind, damit die Bewegung der nun einzelnen Atome ausreicht, um den Kollaps erneut zu stoppen. Jetzt ist der prästellare Kern zu einem Protostern geworden. Der ist jetzt schon deutlich kleiner. Unsere Sonne hatte in dieser Phase ungefähr den 1,5fachen Radius, den sie heute hat. Der Protostern hat eine Temperatur von etwa 1000 Grad – aber es wird wärmer. Von weiter außen fällt aus der ursprünglichen Wolke weiterhin Material auf den Stern und diese Akkretion sorgt einerseits für einen Zuwachs an Masse und andererseits durch die Umwandlung von Bewegungsenergie für einen Temperaturanstieg.
Das Material von außen fällt aber nicht nur auf den Stern; ein Teil sammelt sich auch in einer Scheibe um den Protostern und aus dieser Scheibe können Planeten entstehen. Wir haben nun also einen Protostern, der schon leuchtet und Energie freisetzt (wenn auch nicht durch Kernfusion) und Material, aus dem Planeten entstehen können. Das sind jetzt die Pre-Main-Sequence Sterne, von denen in der Arbeit von Ramirez und Kaltenegger die Rede ist. Die PMS-Sterne leuchten erstaunlich stark, denn der Energiegewinn durch die Akkretion ist groß. Während die Akkretion langsam abnimmt, wird die Leuchtkraft schwächer, weil dem PMS-Stern jetzt nur mehr die Bewegungsnergie zur Verfügung steht, die bei seinem eigenen Kollaps umgewandelt wird. Erst wenn sich genug Masse angesammelt hat und der PMS-Stern durch den Massenzuwachs stark genug kollabiert ist, wird sein Inneres endlich heiß genug, damit die Kernfusion einsetzen kann. Jetzt ist der PMS-Stern ein Stern geworden und auf der Hauptreihe angekommen.
Wie lange die PMS-Phase dauert, hängt von der Masse ab. Kleine Sterne, wie zum Beispiel rote Zwerge (die die Mehrheit der Sterne im Universum ausmachen), brauchen sehr lange und können bis zu 2,5 Milliarden Jahre abseits der Hauptreihe verbringen. Sterne mit großer Masse dagegen kollabieren schneller und hier ist die PMS-Phase mit ein paar Millionen Jahren (oder noch weniger) viel kürzer. Wie das für sonnenähnliche Sterne und rote Zwerge aussehen kann, zeigt dieses Diagramm aus der Arbeit von Ramirez und Kaltenegger:
F-Sterne sind ein wenig massereicher als die Sonne; K-Sterne ein wenig masseärmer und die M-Sterne sind die schon angesprochenen roten Zwerge. Auf der (logarithmischen) x-Achse sieht man das Alter der Sterne in Milliarden Jahren; auf der (auch logarithmischen) y-Achse die Leuchtkraft. Der Zeitpunkt, an dem die Sterne die Hauptreihe erreichen und “echte” Sterne werden, ist mit einem roten Punkt gekennzeichnet. Man sieht hier sehr gut, dass zum Beispiel bei den M-Sternen auch vor diesem Zeitpunkt ein langer Zeitraum liegt, in dem die Leuchtkraft stärker ist als in der Hauptreihenphase.
Ramirez und Kaltenegger haben nun mit verschiedenen Modellen der Sternentwicklung genau berechnet, wie die Leuchtkraft der PMS-Sterne sich im Laufe der Zeit verändert hat und wo und vor allem wie lange schon vor Erreichen der Hauptreihe die Bedingungen für lebensfreundliche Planeten geherrscht haben können. Wegen der höheren Leuchtkräfte ist die PMS-Habitable-Zone weiter vom Stern entfernt als später in der Hauptreihenphase. Hier sind ein paar ihrer Ergebnisse:
Man sieht die Grenzen der habitablen Zone (x-Achse) für die PMS-Phase von einem F, K und M-Stern und der Sonne und wie sich die Grenzen im Laufe der Zeit verändern (die y-Achse gibt die Zeit an). Neben den Grenzen sind auch noch die innere Grenze markiert, an dem es zu heiß wird und ein extremer Treibhauseffekt (“runaway effect”) einsetzt und auch die Schneelinie (“ice line”), hinter der große Gasriesen entstehen können (siehe hier) ist eingezeichnet.
Je masseärmer der Stern, desto länger existiert die habitable Zone. Und gerade bei den sehr kleinen M-Sternen (die sind im Bild oben nicht mehr aufgeführt) existiert die habitable Zone für so lange Zeiträume – bis zu 2,5 Milliarden Jahre -, dass sich problemlos Planeten und im Prinzip sogar Leben bilden könnte. Wenn sie dann allerdings auch nach der PMS-Phase habitabel bleiben wollen, könnte es ein Problem geben. Denn dort, wo später die habitable Zone sein wird, ist es zuvor noch ziemlich heiß. So heiß, dass auf den potentiell lebensfreundlichen Planeten ein Treibhauseffekt ähnlich dem auf der Venus einsetzen würde, durch den ein großer Teil des Wassers in der Atmosphäre und dann im All verschwinden würde. Es müsste dort also entweder zuerst viel mehr Wasser angesammelt werden, damit später immer noch genug übrig ist, wenn es kühler wird. Oder es muss nachträglich Wasser nachgeliefert werden, zum Beispiel durch Einschläge von Kometen oder Asteroiden.
Die Arbeit von Ramirez und Kaltenegger zeigt auf jeden Fall, dass es sich lohnt, auch die noch nicht ganz fertigen Sterne zu beobachten, wenn man sich auf die Suche nach habitablen Planeten machen will. Mit den derzeitigen Instrumenten ist das schwer – aber wenn bald die nächste Generation von Großteleskopen die Arbeit aufnimmt, könnte man bei jungen Sternen sehr interessante Entdeckungen machen…
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