Vor etwas über einem Jahr ist die Raumsonde GAIA ins All geschickt worden (ich habe damals live vom Start berichtet). GAIA ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur und hat großes vor. Im wahrsten Sinne des Wortes: Das Weltraumteleskop hat nicht weniger vor, als die Position, Abstände und Geschwindigkeit von mehr als einer Milliarde Sterne in unserer Galaxie zu vermessen und das noch dazu so genau wie nie zuvor! Warum diese Messkampagne so enorm wichtig ist, habe ich früher schon in einem eigenen Artikel erklärt. Bis jetzt haben wir nur einen verschwindend geringen Teil der Sterne unserer Milchstraße exakt katalogisiert. Von gerade mal 0,0005 Prozent kennen wir Abstand und Position wirklich gut und wenn wir daraus natürlich sehr viel gelernt haben, ist es doch viel zu wenig, um ein vernünftiges Bild unserer eigenen Galaxie zu bekommen. Wenn wir die Vergangenheit und die Zukunft der Milchstraße verstehen wollen, dann brauchen wir mehr Daten. Die wird GAIA liefern – und noch dazu jede Menge andere Beobachtungen: Die Raumsonde wird zehntausende Exoplaneten, braune Zwerge und Asteroiden finden; wird Supernova beobachten und vermutlich noch jede Menge mehr spektakuläre Daten sammeln. Wenn man den Himmel so genau beobachtet wie GAIA, dann sieht man eben zwangsläufig viel mehr als nur Sterne…
Aber um die gewünschte Genauigkeit bei der Vermessung zu erreichen, muss man sich natürlich Mühe geben. Es reicht nicht, einfach nur einen großen Teleskopspiegel und eine hochauflösende Kamera ins Weltall zu schicken. Die Raumsonde fliegt ja durch den Weltraum: GAIA befindet sich im sogenannten Lagrangepunkt L2 (siehe hier für eine genauere Erklärung) und kreist etwa 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt um die Sonne. Es ist also offensichtlich, dass es eine große Herausforderung ist, das Teleskop exakt genug auf den Himmel zu richten, um die nötige Genauigkeit zu erreichen. Da muss man auch die kleinsten Einflüsse berücksichtigen – und auch Einflüsse, mit denen man gar nicht gerechnet hat…
Die Wissenschaftler auf der Erde müssen die Position, in die GAIAs Teleskop zeigt, sehr genau überwachen. Und dabei fallen ihnen natürlich auch schon die geringsten Änderungen auf. Zum Beispiel kleine interplanetare Staubkörner, die auf GAIA treffen und so die Rotationsgeschwindigkeit der Raumsonde ändern. Klingt seltsam, ist aber tatsächlich so: Überall im Sonnensystem schwirren kleine Staubkörner herum. Knapp 100 Tonnen von dem Zeug fallen jeden Tag auf die Erde und auch im Weltall sind die Raumsonden dem Staub ausgesetzt. Damit haben auch die GAIA-Forscher gerechnet – aber nicht damit, dass es so viele sind. Ungefähr ein bis zehn Mikrometeoroide würden pro Tag auf GAIA treffen, dachte man vor der Mission. Aber erste Daten, die letztes Jahr im Sommer gewonnen wurden haben gezeigt, dass es tatsächlich bis zu 500 Treffer pro Tag sind!
Das ist nicht gefährlich für GAIA; die Raumsonde wird dadurch nicht kaputt gehen. Aber die Wissenschaftler müssen die durch die Mikrometeoroide verursachte Rotationsänderung des Teleskops bei der Auswertung der Daten berücksichtigen, damit die Positionsdaten der Sterne weiterhin präzise genug sind. Wo genau die vielen interplanetaren Staubkörner herkommen, ist noch unklar. Eventuell ist die Erde von einem sehr diffusen Staubring umgeben. Gerade die Lagrangepunkte wären dann die Orte, wo man besonders viel Staub finden könnte, denn dort heben sich die wirkenden Gravitations- und Fliehkräfte von Erde und Sonne auf. Es sind also ideale “Parkplätze” nicht nur für Raumsonden wie GAIA, sondern auch für alles andere, was dort draußen herum schwirrt. In den Lagrangepunkten L4 und L5 kennt man schon seit einiger Zeit die sogenannten Kordylewskischen Wolken und vielleicht gibt es sowas auch bei L2. Die Sache ist aber ein wenig kompliziert, denn die dynamischen Eigenschaften an den Punkten L4 und L5 unterscheiden sich von denen bei L2 und es ist wesentlich einfacher, Staub in L4/L5 einzufangen als bei L2.
Kommentare (17)