Eine Meldung ging in den letzten Tagen durch die Medien: Zwei bisher unbekannte Planeten seien im Sonnensystem entdeckt worden. Wenn das so wäre, dann wäre das natürlich großartig. Aber die Realität ist leider ein klein wenig komplizierter und unspektakulärer. Die Frage, ob es noch unbekannte Planeten gibt, die unsere Sonne umkreisen, ist schon alt. Nachdem man im 18. Jahrhundert den Uranus entdeckte und so fest gestellt hatte, dass es da tatsächlich noch große Himmelskörper zu finden gibt, haben die Astronomen immer weiter gesucht und wurden auch fündig. Im 19. Jahrhundert entdeckte man Neptun, im 20. Jahrhundert den Pluto und viele weitere Asteroiden in den äußeren Bereichen des Sonnensystems. Aber Planeten sind seitdem nicht mehr aufgetaucht. Und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass wir in den bekannten Teilen des Sonnensystems noch welche finden. Bis über die Bahn des fernen Neptun hinaus ist die Gegend gut erforscht. Wenn sich hier noch ein großer Planet herumtreiben würde, hätte man den nicht nur schon längst gesehen, sondern auf jeden Fall die Auswirkungen seiner Gravitationskraft auf die bekannten Himmelskörper beobachtet.
Aber das Sonnensystem hört hinter dem Neptun nicht auf. Dort folgt der große Kuiper-Asteroidengürtel und noch weiter draußen die noch größere Oortsche Wolke. Im Kuipergürtel haben wir schon viele Asteroiden entdeckt und können ihre Bahnen verfolgen. Wenn sich weit entfernt von der Sonne doch noch ein Planet verstecken sollte, dann könnten wir das durch die Beobachtung genau dieser Asteroiden merken. Ein Planet würde durch seine Gravitationskraft ihre Bahnen auf eine ganz bestimmte Art und Weise verändern und es sind Hinweise auf so eine Veränderung, die Astronomen beobachtet zu haben glauben (“Extreme trans-Neptunian objects and the Kozai mechanism: signalling the presence of trans-Plutonian planets”).
Solche Hinweise gab es auch früher schon. 2011 haben Wissenschaftler die Bahnen von fernen Kometen untersucht und daraus geschlossen, dass es da noch einen unbekannten Planeten geben könnte. 2012 gab es eine ähnliche Arbeit und als 2014 der bisher entfernteste Asteroid gefunden wurde, gab es noch einmal entsprechende Hinweise.
Aber wie gesagt: Das sind alles sehr vage Vermutungen. Wir kennen noch viel zu wenige Himmelskörper in den äußeren Regionen des Sonnensystems, um wirklich konkrete Aussagen machen zu können. Die neue Arbeit beschäftigt sich daher auch hauptsächlich mit der Frage, ob die bisherigen Hinweise tatsächlich signifikant sind oder vielleicht doch nur auf unsere unzureichenden Beobachtungsdaten zurückgeführt werden können. Für diese Art der Forschung muss man zuerst wissen, was die sogenannten Bahnelemente sind, also die Zahlen, mit denen Astronomen die elliptische Bahn eines Himmelskörpers beschreiben. Besonders wichtig ist hier das “Argument des Perihels”. Das ist der Winkel zwischen der Linie die den sonnennächsten Punkt auf der Bahn mit der Sonne verbindet und der Linie, die die Sonne mit dem aufsteigender Knoten verbindet, also dem Schnittpunkt zwischen der Bahnebene des Asteroiden und der Bahnebene der Erde:
Bei den Asteroiden Sedna und 2012 VP113, die zu dem am weitesten von der Sonne entfernten Objekten gehören die wir kennen, beträgt das Argument des Perihels 0 Grad. Das bedeutet, dass sie am sonnennächsten Punkt ihrer Bahn auch genau in der Ebene der Erdbahn stehen. Und das ist überraschend. Eigentlich wäre zu erwarten, dass dieser Winkel bei den Asteroiden einen beliebigen Wert annimmt. Wenn man das Argument des Perihels von vielen verschiedenen Asteroiden betrachtet, sollten die Zahlen zufällige Werte zwischen 0 und 360 Grad annehmen. Wenn man nun zwei findet, die übereinstimmend den gleichen Wert zeigen, dann erregt das schon ein wenig Aufmerksamkeit. Aber nicht viel. Denn es sind ja nur zwei Asteroiden… Aber auch andere Asteroiden im äußeren Sonnensystem zeigen diese Häufung bei 0 Grad – das war das Ergebnis, das letztes Jahr gefunden wurde und auf das sich die aktuelle Arbeit bezieht. Diese Grafik von damals fast die Ergebnisse nochmal zusammen:
Auf der x-Achse ist ihr durchschnittlicher Abstand von der Sonne in Astronomischen Einheiten (dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne) aufgetragen. Die y-Achse zeigt Argument des Perihels. Die vergleichsweise nahen Objekte des Kuipergürtels zeigen beliebige Werte des Argument des Perihels. Die ferneren Objekte aber, deren minimaler Abstand zur Sonne 150 Astronomische Einheiten nicht unterschreitet, verhalten sich anders. Hier schwankt der Wert des Arguments des Perihels um 0 Grad herum. Aber ist das nun Zufall oder nicht?
In der aktuellen Arbeit wurde genau das untersucht. Es wurden viele verschiedene künstliche Asteroiden im äußeren Sonnensystem simuliert und nachgesehen, wo man sie am wahrscheinlichsten von der Erde aus sehen könnte. Die Daten zeigen, dass das in einem Bereich der Region der Fall ist, die sich 24 Grad nördlich und südlich des Himmelsäquators (die Projektion des Erd-Äquators auf den Himmel) erstreckt. Mit diesem Wissen konnte man nun untersuchen, wie wahrscheinlich die beobachtete Verteilung der Asteroiden tatsächlich ist. Und es zeigte sich, dass die Häufung des Argument des Perihels bei 0 Grad nicht auf eine Verzerrung durch Beobachtungseffekte zurück zu führen ist. Die Bahnen der Asteroiden sind tatsächlich so seltsam, wie sie erscheinen. Wir haben nicht durch Zufall genau diejenigen entdeckt, deren Argument des Perihels in der Nähe von 0 Grad liegt. Und wenn es kein Zufall war, dann muss es eine Ursache geben…
Eine dieser Ursachen könnte die Existenz von noch unbekannten Planeten sein. Durch ihre Gravitationskraft könnten sie Asteroiden, die in ihre Nähe vorbeifliegen, auf sogenannte resonante Bahnen zwingen. Der spezielle Effekt der hier eine Rolle spielen könnte, ist der sogenannte “Kozai-Mechanismus”. Die Bahnen von Himmelskörpern sind nie völlig unveränderlich; durch die Störungen die sie untereinander und aufeinander ausüben, ändern sie sich ständig. Die Bahnen werden größer und kleiner und schwanken im Raum hin und her. Wenn nun die Geschwindigkeiten, mit der diese Änderungen stattfinden bei zwei Himmelskörpern in einem ganzzahligen Verhältnis stehen, dann können sie sich gegenseitig aufschaukeln bzw. gekoppelt werden. Ohne jetzt auf die etwas komplizierten mathematischen und physikalischen Details des Kozai-Mechanismus eingehen zu wollen, läuft es in diesem Fall darauf hinaus, dass ein Planet durch seine Anwesenheit das Argument des Perihels eines Asteroiden verändern kann und zwar genau in Richtung des beobachteten Wertes.
Um die Beobachtungen zu erklären, würden nach der derzeitigen Datenlage am besten zwei Planeten passen, die ein bisschen schwerer sind als die Erde und sich 200 bzw. 250 Mal weiter von der Sonne entfernt befinden, als unser Planet. Diese “Supererden” können existieren, müssen es aber bei weitem nicht tun. Noch gibt es zu wenig Daten. Wir wissen einfach noch zu wenig darüber Bescheid, was so fern der Sonne wirklich alles abläuft. Und die Suche nach solchen unbekannten Planeten ist schwer. Es besteht keine Hoffnung, sie mit Teleskopen von der Erde aus zu entdecken, denn dafür sind sie zu weit weg. Aber vielleicht findet das Weltraumteleskop GAIA ja etwas. Wenn da draußen noch Planeten sind, könnte GAIA sie vielleicht beobachten. Auf jeden Fall aber wird das Teleskop jede Menge Asteroiden entdecken, die uns mehr Daten liefern. Schön wäre es ja schon, wenn wir auch in unserem eigenen Sonnensystem die eine oder andere “Supererde” finden könnten. Bei anderen Sternen gibt es sie ja haufenweise. Vielleicht haben sie sich bei uns ja einfach nur ein bisschen besser versteckt…
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