Vor fast einem Jahr habe ich in einem Artikel geschrieben: “Der gestrige Tag wird vermutlich in die Geschichtsbücher eingehen.” Der Text handelte von der äußerst spektakulären Entdeckung eines Phänomens, das einen äußerst unspektakulären Namen hat: Polarisierte B-Moden in der kosmischen Hintergrundstrahlung. Die Hintergründe habe ich damals sehr ausführlich erklärt und auch lange davon geschrieben, was diese Entdeckung bedeuten würde. Ich will das alles nicht noch einmal wiederholen: Kurz gesagt geht es darum, dass man in Strahlung die aus der Zeit kurz nach dem Urknall selbst stammt, Hinweise auf die Existenz der sogenannten kosmischen Inflation gefunden hat. Diese Inflation ist Teil der Standardtheorien der Kosmologie, da mit ihr sehr viele Eigenschaften unseres Universums sehr gut erklärt werden können. Während der unvorstellbar kurzen Inflationsphase, die unmittelbar nach dem Urknall stattfand, hat sich das gesamte Universum unvorstellbar schnell ausgedehnt. Wie gesagt: Die aktuellen kosmologischen Theorien sagen voraus, dass diese besondere Phase – der eigentliche “Knall” beim Urknall – stattgefunden hat und es gibt diverse indirekte Belege dafür. Aber es gab keinen direkten Nachweis – das ist auch schwer möglich, denn die älteste Strahlung die wir derzeit beobachten können, ist eben die kosmische Hintergrundstrahlung und die entstand erst knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall und der Inflation. Aber wenn es die Inflation gab, dann hat sie der Hintergrundstrahlung ein bestimmtes “Muster” eingeprägt und genau das sind die “polarisierten B-Moden”. Das Phänomen also, dessen Entdeckung im März 2014 bekannt gegeben wurde. Eine Entdeckung, die sich nun als falsch heraus gestellt hat…
Als ich damals anlässlich der Entdeckung von den Geschichtsbüchern geschrieben habe, habe ich das Wort “vermutlich” verwendet. Und ich habe am Ende meiner Artikel geschrieben:
“Jetzt müssen die Daten erst Mal in Ruhe von der wissenschaftlichen Gemeinschaft geprüft werden. Wir müssen warten, bis auch die anderen Experimente (die Daten der Planck-Mission) ihre Beobachtungen veröffentlicht haben und sehen, ob sie die Erkenntnisse bestätigen oder nicht.”
Denn schon kurz nachdem die Astronomen des BICEP-Projekts ihre Entdeckung verkündet hatten, gab es kritische Stimmen. Das ist nicht weiter ungewöhnlich und bei einem Ergebnis dieser potentiellen Tragweite sogar zu erwarten. Um so mehr, als BICEP natürlich nicht das einzige Projekt war, das sich auf die Suche nach den B-Moden begeben hatte. Es gab ein regelrechtes Wettrennen mit anderen Forschungsgruppen und das war eventuell mit ein Grund, warum man die Daten vielleicht nicht ganz so lange geprüft hat, wie man sie hätte prüfen sollen.
Denn die polarisierten B-Moden, die auf die Existenz der Inflationsphase im frühen Universum hindeuten, können im Prinzip auch noch eine andere Ursache haben. Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nichts anderes als langwellige Mikrowellenstrahlung, die von sehr, sehr weit her kommt. Wenn wir mit Teleskopen aber sehr, sehr weit hinaus ins All blicken, dann fällt unser Blick dabei auch auf jede Menge anderes Zeug. Staub zum Beispiel, der sich überall zwischen den Sternen und sogar zwischen den Galaxien befindet (siehe hier). Dieser Staub gibt – vereinfacht gesagt – genau die gleichen polarisierten B-Moden ab, wie man sie von der Inflation erwartet.
Das war den Leuten von BICEP natürlich auch vorher klar und sie haben daher nach einer Region am Himmel gesucht, in der möglichst wenig Staub zu finden ist und sich bei ihren Beobachtungen darauf beschränkt. Und genau hier liegt das Problem. Wie in der Zeit nach Bekanntgabe der Entdeckung immer deutlicher wurde, war die Beobachtungsregion von BICEP anscheinend doch nicht so staubfrei, wie man angenommen hatte. Die Modelle und Karten, die vom BICEP-Team verwendet worden sind, waren nicht genau (oder wurden von den BICEP-Leuten nicht korrekt benutzt, wie manche Kollegen behaupten…).
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