Es gibt zwei Dinge, über die man sich als Wissenschaftler besonders freut. Wenn man es geschafft hat, etwas zu entdecken, dessen Existenz jemand anderer vorhergesagt hat. Und wenn man etwas entdeckt, das noch nie jemand zuvor gesehen hat. Der zweite Fall ist im Jahr 2007 eingetreten. Da haben Astronomen etwas gefunden, das sie “Fast Radio Burst” genannt haben. Einen nur wenige Millisekunden dauernden Ausbruch an enorm energiereicher Radiostrahlung. Die Entdeckung fand nicht an den Kontrollen eines Teleskops statt, sondern in archivierten Daten und das Ereignis, das damals gefunden wurde, war schon lange vorbei. In den folgenden Jahren wurden weitere Fast Radio Bursts in anderen Daten entdeckt, aber ihren Ursprung konnte man so immer noch nicht enträtseln. Irgendein Phänomen im All sorgt dafür, dass während eines kurzen Zeitraums sehr, sehr viel Radiostrahlung abgegeben wird. Aber solange man so einen Fast Radio Burst nicht “live” beobachten konnte, gab es kaum eine Chance, mehr darüber herauszufinden. Genau das gelang vor kurzem der Astronomin Emily Petroff und ihren Kollegen (“A real-time fast radio burst: polarization detection and multiwavelength follow-up”). Aber die Radiosignale bleiben weiterhin mysteriös…
Man wusste zuvor schon, dass die Fast Radio Bursts vermutlich nicht in unserer Nähe stattfinden. Wenn Radiowellen sich im All ausbreiten, treffen sie dabei auf jede Menge interstellaren und intergalaktischen Staub und die Wechselwirkung mit diesem Material sorgt dafür, dass der Strahl sich ein wenig zerstreut (in etwa so, wie ein Lichtstrahl beim Durchgang durch ein Glasprisma in die Farben des Regenbogens aufgespalten wird). Aus der Stärke dieser Dispersion kann man berechnen, wie lange das Signal unterwegs war und bei den Fast Radio Bursts deutet alles darauf hin, dass sie aus extragalaktischen Quellen stammen und viele Milliarden Lichtjahre zurück gelegt haben.
Aber worum es sich bei den Fast Radio Bursts handeln könnte, wusste man immer noch nicht. Dazu wäre es nötig gewesen, nicht nur mit Radioteleskopen zu beobachten, sondern auch mit Geräten, die andere Wellenlängen des Lichts registrieren können. Die Geschichte ist so wie in den 1960er Jahren bei den Quasaren. Die hatte man zuerst auch nur als starke Radioquellen am Himmel entdeckt. Später aber fand man auch im normalen Licht Objekte an genau den Stellen, von denen die Radiostrahlung kam und konnte sie so als die Zentren ferner Galaxien identifizieren.
Bei den Fast Radio Bursts ist es aber schwieriger. Sie strahlen nur wenige Millisekunden lang und sind dann wieder weg. Wenn man nachsehen will, ob der entsprechende Bereich des Himmels zu diesem Zeitpunkt auch noch in anderen Arten des Lichts aufleuchtet, muss man sofort hinsehen können und das geht bei Archivdaten nicht. Dazu braucht es eine Live-Beobachtung und die gelang bis jetzt nicht. Bis jetzt. Denn am 14. Mai 2014 ging dem Parkes Radioteleskop in Australien ein Fast Radio Burst ins Netz und diesmal war man vorbereitet! Teleskope überall auf der Welt wurden alarmiert und dort ließ man sofort alles stehen und liegen (was die Astronomen, die dort gerade gearbeitet und vermutlich lange auf ihre Beobachtungszeit gewartet haben, wohl nicht so sehr gefallen hat). Andere Radioteleskope (darunter auch das in Effelsberg) richteten ihre Antennen auf das Sternbild Fuhrmann, aus dem die Radiostrahlung kurz zuvor gekommen war. Aber auch optische und Infrarot-Teleskope überall auf der Welt und Gamma- und Röntgenteleskope im Weltall nahmen die Beobachtung auf um herauszufinden, ob es dort noch etwas zu sehen gab.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Da war nichts. Keines der Teleskope konnte irgendetwas von Bedeutung finden. Abgesehen vom ursprünglichen Fast Radio Bursts war nichts zu sehen. Kein Nachleuchten, wie man es zum Beispiel bei Gammablitzen oder Supernova-Explosionen sehen kann. Das war natürlich enttäuschend. Aber dann auch wieder nicht: Denn jetzt weiß man zumindest, dass es sich eben nicht um Gammablitze oder extrem energiereiche Supernova-Explosionen handelt! Und man konnte außerdem messen, dass die Radiowellen zumindest teilweise polarisiert waren. Das ist ein starker Hinweis darauf, dass bei der Entstehung der Fast Radio Bursts starke Magnetfelder involviert sind, die diese Polarisation der Signale verursacht haben. Diese Eigenschaft der Fast Radio Bursts war zuvor noch unbekannt und kann nun als weiteres Puzzleteil bei der Entschlüsselung dieses Rätsel dienen. Irgendwo, mehr als 5 Milliarden Lichtjahre entfernt ist irgendwas passiert, bei dem starke Magnetfelder beteiligt waren und große Mengen Energie freigesetzt wurden…
Und bevor jetzt jemand damit anfängt: Nein, es handelt sich dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit NICHT um die Signale irgendwelcher Aliens! Es gibt sehr viele kosmische Phänomene, die Radiostrahlung abgeben und sie sind ein normaler Teil der natürlichen Vorgänge im Universum. Nur weil wir sie hier auf der Erde zur Übermittelung von Informationen nutzen und das Wort “Radio” für uns im nicht-astronomischen Alltag eine besondere Bedeutung hat, folgt daraus nicht, das jede Radiostrahlung aus dem All ebenfalls Informationen enthält. Außerdem wären die Signale dafür auch ein klein wenig zu energiereich… Der von Petroff und ihren Kollegen beobachtete Burst hat in einer Millisekunde so viel Energie abgestrahlt wie die Sonne an einem Tag. Diese Mengen kann sich zwar niemand vorstellen. Aber es ist SEHR viel!
Unter den potentiellen Erklärungsansätzen finden sich aber einige, die mindestens so spektakulär sind wie Aliens. Zum Beispiel ein “Blitzar”. So nennt man einen extrem schweren Neutronenstern (also das, was am Ende des Lebens von einem großen Stern übrig bleibt). So schwer, dass er eigentlich schon längst zu einem schwarzen Loch kollabiert hätte sein müssen, das aber nicht tut, weil er auch extrem schnell rotiert, was den Kollaps aufhält. Einen “Blitzar” hat bis jetzt noch niemand entdeckt, aber wenn es sie gibt, könnten sie Fast Radio Bursts abgeben.
Wie gesagt: Man weiß bis jetzt nur, was es nicht sein kann. Kollabierende oder explodierende Sterne die Supernova- oder Gamma-Explosionen verursachen, kann man mit den vorhandenen Daten ausschließen. Mehr aber leider nicht. Aber, und das ist einer der Gründe, warum die Arbeit von Petroff und ihren Kollegen trotzdem wichtig ist: Man weiß nun, dass man diese Ereignisse tatsächlich live beobachten kann! Die Suchmethoden und die Vernetzung der vielen Teleskope funktioniert. “Die Falle ist aufgestellt”, sagt Emily Petroff, “Jetzt müssen wir nur noch warten, bis ein weiterer Burst hinein fällt”.
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