Alfred Wegener kennt man heute als Polarforscher. Und als Entdecker der Kontinentaldrift. Manchmal auch als Argument bei Diskussionen mit Pseudowissenschaftlern, wenn es dann heißt: “Aber Alfred Wegeners Theorie wurde zuerst auch abgelehnt und dann bestätigt und deswegen muss meine Theorie ebenfalls richtig sein, wenn sie abgelehnt wird!” (Übrigens: Da Wegener damals keinen Mechanismus angeben konnte, wie seine Kontinentaldrift funktionieren könnte, war die Ablehnung der Kollegen nicht ganz ungerechtfertigt. Erst später, als die moderne Plattentektonik entwickelt wurde, war klar, das Wegener Recht hatte). Aber mit Meteoriten und Einschlagskratern wird Wegener selten in Verbindung gebracht, obwohl er auch dort maßgebliche Arbeit geleistet hatte.

Alfred Wegener im Jahr 1910 (Bildarchiv Foto Marburg Aufnahme-Nr. 426.293, gemeinfrei)

Alfred Wegener im Jahr 1910 (Bildarchiv Foto Marburg Aufnahme-Nr. 426.293, gemeinfrei)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Einschläge von Himmelskörpern auf der Erde oder dem Mond kein Thema in der Wissenschaft. Man konnte sich nicht vorstellen, dass solche Katastrophen stattfinden und wollte das auch nicht, weil das zu sehr an den Katastrophismus der Bibel erinnerte, von der man sich erst vor nicht allzu lange Zeit durch die Arbeiten von Charles Darwin und Charles Lyell gelöst hatte (Wer mehr wissen will: In meinen Büchern “Krawumm!” und “Asteroid Now” habe ich mehr dazu geschrieben). Der einzige Einschlagskrater, dessen Existenz man nicht ignorieren konnte, war der Barringer-Krater in Arizona aber den hielt man für eine seltene Ausnahme. Die restlichen Krater auf der Erde und dem Mond dachte man sich durch Vulkanausbrüche verursacht oder Gasexplosionen oder – auf dem Mond – durch Vorgänge während seiner Entstehung bzw. die Gezeitenkraft der Erde.

Immerhin war man sich schon darüber im klaren, dass zumindest kleine Objekte ab und zu vom Himmel auf die Erde fallen. Aber die meisten dieser Meteorite wurden zufällig gefunden und recht gut erforscht war das Gebiet auch nicht. Alfred Wegener allerdings hat sich recht intensiv mit den Leuchterscheinungen am Himmel beschäftigt. Er dachte darüber nach, wie man aus ihrer Helligkeit und der Veränderung von Helligkeit und Farbe auf die Zusammensetzung der durch die Atmosphäre sausenden Brocken schließen konnte. Einen Weg, seine Theorien zu testen, eröffnete sich am 3. April 1916. Da sahen die Menschen von Rommershausen in Nordhessen genau so einen Meteor am Himmel; so hell und so groß das davon auszugehen war, dass Stücke davon auch den Erdboden erreicht hatten. Finden ließ sich allerdings nichts…

Wegener, damals in Marburg beschäftigt, nutzte seinen Urlaub um sich die Sache vor Ort anzusehen. Er schaltete Anzeigen in den Zeitungen, um Augenzeugen zu finden und befragte sie ausführlich nach Farbe, Helligkeit und Flugrichtung des Meteors. Aus all diesen Daten berechnete er eine mögliche Flugbahn und ein mögliches Einschlagsgebiet. Der Meteor war besonders lange sichtbar und erlosch erst kurz vor dem Erdboden, woraus Wegener schloss, das es sich um einen schweren Eisenmeteorit handeln müsse, der aufgrund seines Gewichts ungefähr 1,5 Meter tief im Boden stecken würde.

Trotz der genauen Angaben blieb der Meteorit unauffindbar – erst als die Universität einen Finderlohn von 300 Reichsmark auschrieb, tauchte ein Förster auf, der ihn entdeckte und zwar ziemlich genau dort und in genau der Tiefe, die Wegener vorhergesagt hatte. Es war tatsächlich ein Eisenmeteorit, 63 Kilogramm schwer! Es war der erste Meteorit, der nicht zufällig sondern nach einer wissenschaftlichen Analyse seiner Flugbahn gefunden werden konnte und der Titel von Wegeners Facharbeit über den Fund klingt daher nicht zu Unrecht ein klein wenig angeberisch: “Über die planmäßige Auffindung des Meteoriten von Treysa”. Der Meteorit kann heute noch im Mineralogischen Museum von Marburg besichtigt werden (Und ich denke, das muss ich irgendwann einmal tun; in Marburg war ich sowieso noch nie).

Der Meteorit von Troysa (Bild: Heinrich Stürzl, CC-BY-SA 3.0)

Der Meteorit von Troysa (Bild: Heinrich Stürzl, CC-BY-SA 3.0)

Damit war die Impakt-Forschung von Wegener aber noch nicht zu Ende. Um zu zeigen, dass die Krater auf dem Mond ebenfalls durch einschlagende Brocken aus dem All erzeugt wurden, führte er systematische Versuchsreihen durch, bei denen er Zementpulver auf Mörtel fallen ließ und damit die Erscheinung der Mondoberfläche gut simulieren konnte. Schon 1921 war Wegener davon überzeugt, dass es auch auf der Erde noch mehr Einschlagskrater geben musste als den in Arizona und sagte voraus, das zukünftige geologischen Untersuchungen noch weitere Krater entsprechend identifizieren werden. Das bestätigte sich 1922 und 1923 als Einschlagskrater in Texas und Australien entdeckt wurde. Und den vierten einwandfrei identifizierten durch deinen Asteroiden hervorgerufenen Krater entdeckte Wegener selbst: 1927 war er bei einer Gastvorlesung in Riga zu Besuch und machte auch einen Ausflug auf die Saaremaa. Dort konnte er zeigen, dass der Kaali-Krater nicht von einer Gasexplosion geformt wurde, sondern durch einen einschlagenden Asteroiden.

Der Krater von Kaali (Bild:  CC-BY-SA 3.0)

Der Krater von Kaali (Bild: CC-BY-SA 3.0)

Alfred Wegener war ein großer Wissenschaftler und noch dazu einer, mit einem offensichtlich interessanten und vielseitigen Leben Kennt jemand zufällig eine gute und lesbare Biografie? Ich habe nur eine, die von einem Waldorf-Lehrer geschrieben wurde, und die ist grottig… Ich hör mir jetzt aber auf jeden Fall nochmal das tolle Alfred-Wegener-Lied an:

Kommentare (20)

  1. #1 Frantischek
    25. Februar 2015

    “Leicht” offtopic, aber das Alfred Wegener Institut hat vor kurzem einige Stellen, u.a. als Koch, für die Antarktisstation ausgeschrieben gehabt.
    Falls wer Interesse hat. Die Bewerbungsfrist läuft noch ein paar Tage.

  2. #2 knut
    25. Februar 2015

    Alfred Wegener: Tagebücher, Briefe, Erinnerungen

    Ob die gut ist, weiss ich net.

  3. #3 Gerhard
    Marburg
    25. Februar 2015

    Hallo Florian,

    ja, den Meteoriten kannst du dir hier in Marburg anschauen. Und wenn du eine Übernachtung brauchst, sag Bescheid, wir haben Platz.
    Gruß aus Marburg
    Gerhard

  4. #4 Petra
    25. Februar 2015

    Wenn du im April nach Bad Dürkheim kommst, kannst du dir ja mal den Krähenberg-Meteoriten im Pfalzmuseum anschauen. Der wiegt zwar nur ca. 15 Kilo, ist aber auch recht beeindruckend!
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kr%C3%A4henberg_(Meteorit)
    Zu Alfred Wegener gibt es kaum Sachbücher, aber eine lesenswerte Romanbiografie vom Hanser-Verleger Jo Lendle. Für dich eigentlich Pflichtlektüre 😉
    https://www.randomhouse.de/Taschenbuch/Alles-Land-Roman/Jo-Lendle/e427274.rhd?mid=4&serviceAvailable=true&showpdf=false#tabbox Trotz dichterischer Freiheiten gut recherchiert.

  5. #5 Florian Freistetter
    25. Februar 2015

    @Petra: Danke – das Buch von Lendle steht sowieso schon länger auf meine Liste. Sollte ich mal anfangen…

  6. #6 DasKleineTeilchen
    26. Februar 2015

    ich hab nochmal aus der englischen wikipedia n foto des kaali-kraters zum grössenvergleich rausgekramt (sieht auf dem standartfoto immer so winzig aus, fast wie ne pfütze):

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/93/Kaali-crater-saaremaa-estonia-aug-2007.jpg

    (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Kaali-crater-saaremaa-estonia-aug-2007.jpg)

    links unten die person am ufer verdeutlicht die doch nicht geringe grösse des kraters sehr schön.

  7. #7 Martin
    Jena
    26. Februar 2015

    Hallo Florian,
    ich selbst habe die recht kurze und prägnante AW-Biografie von Reinke-Kunze. Da hab ich selber vor einiger Zeit eine Rezension geschrieben:
    https://martinklocke.wordpress.com/2010/12/12/christine-reinke-kunz-alfred-wegener-polarforscher-und-entdecker-der-kontinentaldrift/
    Das Buch gibt es auch für wenige Euro bei Amazon. Ansonsten ist natürlich sein Orginalwerk “Die Entstehung der Kontinente und Ozeane” sehr lesenswert. Falls du Intresse hast..ich habe beide Bücher in Jena. Gruß, Martin.

  8. #8 Florian Freistetter
    26. Februar 2015

    @Martin: Danke für die Tipps! Werd ich mir mal ansehen!

  9. #9 Folke Kelm
    26. Februar 2015

    Alfred Wegener ist in der Tat eine faszinierende Persönlichkeit. Man muss sich vortsellen, wie es früher, zu seiner Zeit, in den Wissenschaften ausgesehen hat.
    Die Geowissenschaften, und auch die Biologie, waren, im Gegensatz zu den exakten, experimentellen Wissenschaften wie Physik und Chemie rein deskriptive Wissenschaften. Man sammelte Eindrücke in der Natur und interpretierte. IN der Geologie hat sich das teilweise bis in die 80er Jahre nicht geändert, ich habe selbst noch unter dieser deskriptiven Schule studiert.
    Fortschritt in den deskriptiven disziplinen ist ungleich schwerer als in den experimentellen, da man seine Eindrücke schon automatisch filtert und somit gar nicht sieht, was sich wirklich in der Steinbruchwand befindet und schon gar nicht in der Lage ist, über sein eigenes Weltbild hinauszudenken.
    Unter Diesen Voraussetzungen kann man die Leistung Wegeners gar ncht enug würdigen. Im Prinzip bedeutet Wegener für die Geowissenschaften, was Darwin für die Biologie darstellt. Er ist einer der ganz grossen Pioniere, die eine Weiche stellen in Richtung wissenschaftlicher Fortschritt und Wechsel im geltenden Weltbild möglich machen.
    Wie umstritten er war, zeigt sich noch in meiner Geologen-Bibel aus den 80ern, in der die onkurrierenden Hypothesen, wie Pulsation-Expansion etc und das Geosynklinalmodell nch längst nicht in der Ablage verschwunden sind sondern als teilweise geichwertig dargestellt werden. Einer meiner alten Lehrer war ebenfalls noch Anhänger konkurrierender Hypothesen, und das ist noch nicht einmal 40 Jahre her. Auf Kongressen in den 90ern hab ich noch Geologen getroffen die mir wörtlich und kategorisch sagten: “We do not believe in plate tectonics!”
    Die Biologie tat sich da bei weitem leichter, und deshalb bekommt man auch viel mehr Litteratur über Darwin als über Wegener. Ich ab gerade einmal in meinem Lieblingsbuchladen gestöbert und man findet zumindest das hier:https://www.lange-springer-antiquariat.de/detail/3104AB/

  10. #10 Alderamin
    26. Februar 2015

    @Folke Kelm

    Auf Kongressen in den 90ern hab ich noch Geologen getroffen die mir wörtlich und kategorisch sagten: “We do not believe in plate tectonics!”

    Wow, ernsthaft? War da nicht längst der Mittelatlantische Rücken und die wechselnde Magnetisierung des Meeresbodens bekannt? War nicht sogar schon die Bewegung von Erdplatten direkt gemessen worden?

    Da sieht man mal wieder, wie sehr man einer Idee anhängen kann, Fakten lassen sich im Zweifel stets ignorieren.

  11. #11 Folke Kelm
    26. Februar 2015

    Alderamin,

    In den USA gibts christlich fundamentalistische Geologen, auch so was drückt sich mal auf Kongressen rum.
    Bei denen gibts die merkwürdigsten und skurrilsten erklärungen, ich hab mich allerdings nie in tiefere diskussionen mit solchen Leuten eingelassen, seid ich bei einem fundi.Kollegen auf Granit gebissen habe, der nur Geologie studiert hat um uns anderen zu beweisen, dass die Erde 6000 Jahre alt ist. Zum Glück hat er es nicht länger als 2 Semester ausgehalten.

    Aber, wenn du scheust, wie sich die einzelnen Wissenschaften verändern, siehst Du, dass in der Geologie ein langsamer Wandel Ende der 70er bis Ende der 80er Jahren eingesetzt hat, hin zur exakten und auch experimentellen Wissenschaft unter Zuhilfenahme der Chemie, Physik und Mathematik.
    Zu meiner Zeit hatten wir als Geologen schlicht keine Mathematik im Vorlesungsprogramm. Zu meiner Zeit gabs bei uns im Institut nur 2 Studenten, die Mathematik für Naturwissenschaftler belegt haben, einer davon war ich. Bis in die 90er wars keine Pflicht, heute kommst Du ohne nicht mehr aus, und wenn man die Fachlitteratur wälzt, also jetzt die entsprechenden Zeitschriften, wie Geophysical Research Letters oder Nature Geoscience, dann sieht man ab den 90ern einen unglaublichen Sprung im Verständnis und Wissen.
    Die alte Generation, unter der ich als Student angefangen hat, hat gewisse Dinge einfach ignoriert, unter anderem Umständen eben auch Wegener. Hat man ein Weltbild und ist als rein beschreibender und interpretierender Wissenschaftler aufgewachsen, ist die Gefahr gross, dass man in diese Falle hereinfällt.
    Die jüngeren Professoren hatten auch regelmässig sehr harte Konflikte mit der alten Garde, diese beiden Lager haben sich gegenseitig manchmal schlicht nicht verstanden, aufgrund der unterschiedlichen Sprache.

  12. #12 Franzl Lang
    26. Februar 2015

    Wieso ist die eine Seite des Meteoriten so flach?

  13. #13 DasKleineTeilchen
    26. Februar 2015

    @franz: na, der wurde zu forschungszwecken wohl in mindestens 2 teile zerschnitten.

  14. #14 Florian Freistetter
    26. Februar 2015

    @Franzl Lang: Da wurden wohl ein paar chemische Experimente gemacht…

  15. #15 Folke Kelm
    26. Februar 2015

    Der ist so flach, weil man eine Seite gerne anschleift und poliert und danach anätzt, um die innere Struktur des Meteoriten sichtbar zu machen, erstens um den Meteoriten zu klassifizieren, es gibt eine Reihe von unterschiedlichen Eisenmeteoriten die sich in der Kristallstruktur unterscheiden, und zweitens, damit das als Ausstellungsstück schicker aussieht. Wenn man das nicht macht, ist das ganze nur ein schwarzer, schwerer Klumpen.

  16. #16 Franzl Lang
    27. Februar 2015

    Verstehe, dachte schon, es wäre ein spektakulärer Effekt beim Herabstürzen. 🙂

  17. #17 Gerald Berberich
    Korbach
    1. Mai 2015

    Wo befindet sich der Meteorit zur Zeit? Soweit ich weiß, ist das Mineralogische Institut in Marburg aufgelöst.

  18. #18 Florian Freistetter
    1. Mai 2015

    @Gerald Berberich: Also das Museum in dem der Meteorit ausgestellt sein sollte, ist zumindest laut der Homepage immer noch geöffnet: https://www.uni-marburg.de/fb19/partner/minmus/besucherinfo

  19. #19 Folke Kelm
    2. Mai 2015

    Hessen hat, bis auf die Uni Frankfurt, sämtliche geowissenschaftlichen Institute im Rahmen der Sparmassnahmen der 80er und 90er aufgelöst.
    Einzig und allein die Geographie ist an den entsprechenden Universitäten noch vertreten.
    Die Idiotie, der man damals verfallen war (und vielleicht heute noch ist) führte zu einer permanenten anpassung der Anzahl der Planstellen an die Anzahl der Studenten, aber immer nur nach unten. Studenten waren am Ende der Periode zwar in Giessen oder Marburg eingeschrieben, mussten aber unter Umständen zwischen den 4 Orten Darmstadt, Frankfurt, Giessen und Marburg pendeln.

  20. #20 Gerald Berberich
    3. Mai 2015

    Lieber Florian, du hast recht. Das Museum existiert noch. Vielen Dank für die Info.