Bei der Beobachtung von Planeten die andere Sterne umkreisen, haben wir mittlerweile viele Systeme gefunden, in denen die Planeten ihrem Stern deutlich näher sind und in denen sich deutlich mehr Himmelskörper nahe an ihrem Stern aufhalten als bei uns. Daten des Kepler-Weltraumteleskops legen nahe, dass knapp fünf Prozent aller sonnenähnlicher Sterne von sogenannten systems of tightly-packed inner planets (STIPs) umgeben sind. Das wirft zwei Fragen auf: Sind diese Planeten in dicht besiedelten sternnahen Regionen wirklich für lange Zeiten dynamisch stabil? Und warum gibt es so etwas in unserem Sonnensystem nicht? Kathryn Volk und Brett Gladman von der University of British Columbia haben sich kürzlich daran gemacht, diese Fragen zu beantworten (“Consolidating and Crushing Exoplanets: Did it happen here?” und dabei ein paar sehr interessante Hypothesen zum Schicksal des Merkur aufgestellt.
Vereinfacht gesagt lautet die Frage: Warum gibt es keine weiteren Planeten innerhalb der Bahn des Merkur? Ok, Merkur ist der Sonne schon sehr nahe. Sein Abstand beträgt nur noch knapp 60 Millionen Kilometer (zum Vergleich: bei der Erde sind es 150 Millionen Kilometer). Aber schaut man sich viele Planetensysteme anderer Sterne an, dann wäre da noch viel Spielraum. Dort befinden sich viele Planeten wesentlich dichter an ihrem Stern; im Durchschnitt zeigen fast die Hälfte aller vom Kepler-Weltraumteleskop beobachteten Planeten einen erdgroßen Himmelskörper in einer engeren Umlaufbahn als Merkur sie hat. Und auch Modellrechnungen zur Planetenentstehung zeigen, dass es im frühen Sonnensystem durchaus Material geben hätte können, aus denen Planeten innerhalb der Merkurbahn entstehen hätten können. Warum gibt es also solche Planeten nicht?
Volk und Gladman gehen bei ihrer Arbeit von der Hypothese aus, dass alle sonnenähnlichen Sterne ursprünglich mit einem STIP entstehen, also von einem System ungefähr erdgroßer Planeten dicht am Stern entstehen. Diese Himmelskörper haben aber nicht alle Bahnen, die für sehr lange Zeiten stabil sind, sondern nur “metastabil”. In gewissem Sinne ist auch unser Sonnensystem metastabil; schon in den 1990er Jahren haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Merkur, Venus, Erde und Mars miteinander kollidieren können, wenn man nur lange genug wartet (ich habe darüber hier und hier berichtet). Während mehrerer Milliarden Jahre können sich die gravitativen Störungen zwischen den Himmelskörpern aufschaukeln, bis am Ende ein Planet aus dem System geworfen wird oder mit seinen Nachbarn zusammenstösst. Das muss nicht passieren, aber es kann und Volk und Gladman vermuten, dass es in vielen STIPs für die Vernichtung einer Planeten sorgt, so dass am Ende dann Systeme wie das unsere entstehen, in denen keine sternnahen Planeten mehr zu finden sind.
Um diese Vermutung zu überprüfen, haben sie Computersimulationen bei 13 der von Kepler beobachteten Planetensystemen mit STIPs, die mehr als 4 Planeten aufweisen, gemacht. Dabei haben sie nicht die realen Systeme simuliert, die ja offensichtlich zumindest für die Lebensdauer der jeweiligen Sterne (bis zu 10 Milliarden Jahre) stabil sind, sondern viele verschiedene Versionen der System mit kleinen Variationen betrachtet. Sie fanden dabei tatsächlich viele Kollisionen zwischen den Planeten, was in solchen eng besetzen Systemen aber auch zu erwarten ist. Wenn aus dynamischer Sicht nicht viel Platz ist, dann reichen schon geringe Veränderungen, um alles durcheinander zu bringen. Viel interessanter war aber die Beobachtung, dass die Planeten in den STIPs für sehr lange Zeiten sehr stabil um ihren Stern laufen und so gut wie keine Anzeichen für kommendes Chaos zeigen. Erst kurz bevor es wirklich zur Kollision kommt, werden ihre Bahnen exzentrischer, bis sie einander schließlich kreuzen und ein Zusammenstoß stattfindet. Ein typisches Verhalten für chaotische Systeme, die sich hart an der Grenze zur Stabilität befinden (Ich habe über das Phänomen solcher “sticky orbits” schon früher mal geschrieben). Volk und Gladman konnten zeigen, dass die Instabilitätsrate ungefähr 20 Prozent beträgt, d.h. dass nach jedem Zeitintervall die Zahl der Planetensysteme ohne Kollisionen um 20 Prozent sinkt.
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