Von 1. bis 20. April bin ich auf Reisen, halte Vorträge in der Pfalz und in Baden-Württemberg und mache auch ein wenig Urlaub. Für die Zeit meiner Abwesenheit habe ich eine Artikelserie über wissenschaftliche Paradoxien vorbereitet. Links zu allen Artikeln der Serie findet ihr hier.
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Die Paradoxie des Haufens klingt eigentlich gar nicht so sehr paradox: Wie groß ist ein Haufen? Wie viele Objekte machen einen “Haufen” aus? Wenn ich die Chips aus der Tüte in eine Schüssel leere: Ist das dann ein “Haufen Chips”? Und wenn ich sie dann Stück für Stück esse: Wann hat der Haufen aufgehört ein Haufen zu sein? Die Frage ist aber schon alt und wurde schon im 4 Jahrhundert v.u.Z. von Eubulides von Milet gestellt. Es scheint also doch ein bisschen mehr dran zu sein, als man zuerst denken mag.
Wo die Paradoxie liegt, erkennt man, wenn man sich überlegt, was “Haufen” bedeuten soll: Normalerweise versteht man darunter eine unbestimmte Menge an Objekten. Wenn ich von einer unbestimmten Menge an Objekten eines entferne, ist die Menge aber immer noch unbestimmt. Es wäre ein seltsamer “Haufen” Chips, wenn ich nur ein Stück davon wegnehmen muss, damit plötzlich kein Haufen mehr übrig bleibt. Ein Haufen ist also etwas, das auch dann immer noch ein Haufen ist, wenn ich eines der Objekte entferne, die den Haufen bilde. Und genau das führt zur Paradoxie.
Nehmen wir an, wir würden unseren Haufen Chips abzählen und es wären exakt 100. Diese 100 Chips bilden den Haufen und wenn wir eins davon essen, bilden die 99 restlichen per Definition ebenfalls einen Haufen. Aber auch die 98, die übrig bleiben, wenn wir von diesem Haufen eines essen. Und so weiter. Am Ende landet man dann bei der paradoxen Situation, dass auch der letzte, einzelne Chip ein “Haufen” sein muss. Das kann man natürlich so akzeptieren, aber es fühlt sich eben irgendwie falsch an.
Man könnte das Problem lösen, in dem man einfach eine bestimmte Zahl definiert, aber der eine Menge an Objekten einen Haufen bildet. Aber auch das scheint irgendwie absurd. 67 Chips sind ein Haufen, aber 66 Chips nicht? Über diese Frage haben sich die Philosophen auch noch lange nach Eubulides gestritten. John Stuart Mill zum Beispiel war der Meinung, es könne keine Zahl geben, die einen “Haufen” definiert; Gottlob Frege meinte, dass man sie vielleicht doch irgendwie finden und sinnvoll definieren könnte.
Am Ende ist es eine Paradoxie, die nicht aufgelöst werden kann. Unbestimmte Begriffe wie “Haufen” lassen sich eben nicht mathematisch exakt definieren. Dadurch würden sie ihre Unbestimmtheit verlieren und der “Haufen” würde zu einer konkreten Menge mit einer konkreten Anzahl an Objekten. Ein Ausweg ist allerdings im Rahmen der Fuzzy Logic möglich, die in gewissem Maß auch einen mathematisch exakten Umgang mit unbestimmten Begriffen wie eben “ein Haufen” erlaubt. Wie nützlich so ein mathematisches Konzept der Unbestimmtheit sein kann, habe ich ja schon früher mal angesichts meiner Arbeit über erdnahe Asteroiden beschrieben.
Aber es ist auf jeden Fall interessant, sich darüber Gedanken zu machen (und genau darin liegt ja auch der Wert der meisten Paradoxien): Welche Mengen würdet ihr als “Haufen” bezeichnen? Welche nicht? Und auf welcher Grundlage entscheidet ihr das?
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