In der heutigen Ausgabe von “Fragen zur Astronomie” geht es nicht um das ferne Universum, Galaxien oder schwarze Löcher. Heute wird es wieder einmal ganz konkret und zwar mit der Frage: Kann man beobachten, wie Satelliten oder andere künstliche Objekte vor dem Mond vorüber fliegen?. Wenn zum Beispiel die Raumstation ISS genau in unserer Blickrichtung zwischen Erde und Mond vorbei fliegt: Kann man dann einen dunklen Fleck auf der Mondoberfläche erkennen? Und wie ist das mit Satelliten?
Die einfache Antwort darauf lautet: Ja, klar man das sehen! Man braucht nur ein Teleskop, das gut genug ist. Dann muss man nur noch wissen, wann und wo Raumstation oder Satelliten vorbei kommen und kann sie im Fernrohr beobachten. Entsprechende Bilder begabter Himmelsfotografen kann man überall im Internet finden. Hier ist eines von der Raumstation ISS vor dem Mond (und ja, ich weiß, das es sehr viel beeindruckendere und schönere Fotos dieser Art gibt – aber die kann ich hier aus Urheberrechtsgründen nicht zeigen):
Aber das man mit einem guten Teleskop solche Beobachtungen machen kann, ist keine Überraschung. Die eigentliche Frage lautet: Kann man das auch mit freiem Auge sehen? Wenn man in einer lauen Sommernacht den großen Vollmond betrachtet, kann man dann manchmal kleine, dunkle Punkte sehen, die über seine Oberfläche wandern und von vorüber ziehenden Raumfahrzeugen erzeugt werden?
Um das zu beantworten, müssen wir erst einmal herausfinden, was man mit dem freien Auge überhaupt sehen kann. Dazu muss man sich mit dem “Auflösungsvermögen” beschäftigen. Diese Eigenschaft eines optischen Instruments beschreibt, wie klein ein Objekt sein darf, damit es gerade noch erkannt werden kann. Das Auflösungsvermögen hängt von der Größe des Objekts selbst ab, aber auch von seinem Abstand (und ich habe hier genauer erklärt, wie man es berechnet. Bei unserem Auge beträgt das Auflösungsvermögen ungefähr eine Bogenminute. Wir können also nur Dinge am Himmel erkennen, deren Winkeldurchmesser größer als eine Bogenminute ist.
Diese Bezeichnungen (Bogenminute, Winkeldurchmesser) sind vielleicht ein wenig verwirrend, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Aber eigentlich nicht schwer zu verstehen. Der Winkeldurchmesser gibt den Winkelbereich an, den ein Objekt an der gedachten Halbkugel des Himmels bedeckt. Der Vollmond zum Beispiel bedeckt am Himmel einen Bereich, der einem Winkel von 0,5 Grad entspricht.
Ein Grad enthält 60 Bogenminuten (und jede Bogenminute wieder 60 Bogensekunden) und es ist damit klar, dass der Winkeldurchmesser des Mondes deutlich größer ist als das Auflösungsvermögen unseres Auges. Und natürlich ist es daher auch kein Problem für uns, den Mond mit freiem Auge zu beobachten. Man kann mit der entsprechenden Formel (ich habe sie hier genauer erklärt) auch leicht ausrechnen, wie groß die kleinsten Strukturen auf dem Mond sein dürfen, damit wir sie mit freiem Auge noch erkennen können. In einer Entfernung von etwa 370.000 Kilometern (dem Abstand des Monds von der Erde) sind das 130 Kilometer. Alles was kleiner als 130 Kilometer ist, ist für uns auf der Oberfläche des Mondes also mit freiem Auge nicht mehr erkennbar.
Aber es ging ja in der Frage nicht um Krater auf dem Mond, sondern um Objekte, die im Weltall an ihm vorüber fliegen. Die Satelliten und Raumfahrzeuge sind zwar alle kleiner als 130 Kilometer, aber dafür auch näher. Die Raumstation ISS zum Beispiel ist fast 100 Meter lang und fliegt in 400 Kilometern Höhe um die Erde. Ihr Winkeldurchmesser beträgt darum circa 52 Bogensekunden, also ein bisschen weniger als eine Bogenminute. Damit liegt sie unter dem Limit des Auflösungsvermögen für unser Auge und wenn man nicht eine ganz außerordentlich gute Sehkraft hat, wird es schwer, sie zu erkennen. Bei den anderen Satelliten sieht es ähnlich aus. Envisat zum Beispiel, der größte bis jetzt gebaute zivile Erdbeobachtungssatellit ist nur 10 Meter lang und fliegt in 770 Kilometer Höhe. Sein Winkeldurchmesser beträgt kaum 3 Bogensekunden. Und selbst die riesigen Orion-Spionagesatelliten, deren Antennen fast so breit wie die Raumstation sind, sind nicht zu sehen, weil sie sich in fast 36.000 Kilometer Entfernung auf geostationären Umlaufbahnen befinden und daher einen Winkeldurchmesser von nicht einmal einer Bogensekunde habe.
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