Jeder kennt Galileo Galilei. Der berühmte italienische Astronom und Physiker ist zu Recht berühmt denn seine Entdeckungen haben die Wissenschaft und unser Bild von der Welt revolutioniert. Aber von seinem Zeitgenossen Simon Marius haben vermutlich die wenigsten gehört. Dabei hat der Astronom und Arzt aus Franken ebenso bedeutsame Entdeckungen wie Galilei gemacht. Dass er heute immer noch weitestgehend unbekannt ist, liegt unter anderem auch am Streit zwischen ihm und Galileo Galilei, bei dem es um die Frage ging, wer die Monde des Jupiters als erster entdeckt hat.

(Und wer mehr nach dem Hören der Folge mehr über Marius erfahren will, findet auf dem Simon-Marius-Portal mehr oder wenige alle Informationen, die man finden kann…)

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Transkription

Simon_marius

Wenn man Menschen nach drei berühmten Naturwissenschaftlern bzw. Physikern aus der Vergangenheit fragen würde, dann werden die Plätze 1 und 2 auf dieser Liste vermutlich von Albert Einstein und Isaac Newton besetzt werden. Die Chancen stehen aber gut, dass auf Platz 3 der Name Galileo Galilei landen würde. Der Italiener gehört zu den berühmtesten Wissenschaftlern der letzten Jahrhunderte und das völlig zu Recht. Er hat fundamentale Entdeckungen gemacht und unser Bild vom Universum massiv verändert. Weniger bekannt ist ein Zeitgenosse von Galilei, der unabhängig von ihm ebenfalls sehr grundlegende Erkenntnisse über die anderen Himmelskörper in unserem Sonnensystem gewonnen hat: Simon Marius. In der Öffentlichkeit ist dieser Name vermutlich völlig unbekannt und selbst unter Astronomen werden die meisten kaum von ihm gehört haben. Das ist schade, denn es lohnt sich, etwas über seine Arbeit und sein Leben zu erfahren.

Simon Marius heißt eigentlich Simon Mayr und wurde 1573 geboren. Aber damals war Latein die Sprache der Wissenschaft und es war unter Wissenschaftlern üblich, auch seinen eigenen Namen in einer lateinischen Form zu verwenden. So wurde aus Mayr Marius. Marius stammt aus Gunzenhausen, einem kleinen Ort in Mittelfranken, der damals zum Fürstentum Ansbach gehörte und von den Hohenzollern regiert wurde. Angeblich konnte der junge Simon besonders schön singen. So schön, dass der Markgraf Georg Friedrich enorm begeistert war, als er ihn hörte und ihn auf die Fürstenschule in Heilsbronn schickte, wo er von 1586 bis 1601 studieren konnte. Er wurde allerdings kein berühmter Sänger. Auf der Schule in Heilbronn entdeckte man sein Talent für Mathematik und Astronomie. Im Jahr 1596 war am Himmel über Deutschland ein Komet zu sehen und der junge Marius veröffentlichte seine Beobachtungen dazu. Das Werk trägt den wunderbar langen und barocken Titel: “Kurtze und eigentliche Beschreibung des Cometen oder Wundersterns/ So sich in disem jetzt lauffenden Jar Christi unsers Heilands/ 1596. in dem Monat Julio/ bey den Füssen des grossen Beerens/ im Mitnächtischen Himmel hat sehen lassen. Gestellet durch Simonem Maierum Guntzenhusanum Alumnum Sacrifontanum”. Das Buch ist voll mit aus heutiger Sicht eher unwissenschaftlichen astrologischen Spekulationen über die Natur der Kometen oder beschreibt angeblich wundersame Zeichen und böse Omen, enthält aber auch ein paar konkrete Beobachtungen über Helligkeit, Farbe und Größe des Kometen.

3 Jahre spätere veröffentlichte Marius die Tabulae Directionum Novae – ein ganz anderes Werk als sein Kometenbuch. Hier handelte es sich um eine lange Liste astronomischer Daten, die zur Beobachtung der Planeten des Sonnensystem nötig waren. Beide Bücher brachten ihm immerhin so viel Bekanntheit, dass er 1601 zum Hofmathematiker des Fürstentums Ansbach ernannt wurde. Im gleichen Jahr unternahm Marius auch eine Reise nach Prag, wo der berühmte Astronom Tycho Brahe arbeitete, bei dem er neue Beobachtungstechniken zu lernen hoffte. Brahe starb aber schon kurz nachdem Marius in Prag angekommen war. Darum reiste er weiter nach Padua, wo er bis 1605 Medizin studierte und Arzt wurde. In Padua traf er mit Sicherheit auch Galileo Galilei und es ist gut möglich, dass die beiden auch gemeinsam gearbeitet oder sich zumindest über die Astronomie ausgetauscht haben. Zum Beispiel über die Beobachtung des Kometen, der im Jahr 1604 sichtbar war.

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Kommentare (9)

  1. #1 MartinF
    29. Mai 2015

    Klingt ja fast wie die Geschichte von Thomas Harriot, vom dem vor allem in England viele denken, dass er auch einige Entdeckungen vor Galileo gemacht hat. Ich hatte dazu mal auf dem European Astrofest einen interessanten Vortrag von Allan Chapman gehört.

  2. #2 BerndB
    29. Mai 2015

    Danke. Wieder was gelernt. Ich dachte immer die Namen der Monde gehen auf Gallileo zurück und seien seit dem 17. Jhd. so.

  3. #3 Ludger
    29. Mai 2015

    Sehr interessante Geschichte. Danke dafür. Die Rolle der Katholischen Kirche im Fall Galilei ist wesentlich durch das Drama von Bert Brecht in unser Bewusstsein gekommen. Natürlich, denn die Protestante hatten damals in der Toskana nix zu bestellen. Gleichwohl waren die Reformatoren besonders intensive Gegner des Kopernikanischen Weltbildes, weil es der Bibel zu widersprechen schien. Das ist hier ( https://www.astronomische-vereinigung-augsburg.de/artikel/astronomiegeschichte/kopernikus-weltbild/ ) gut beschrieben:

    Und tatsächlich nahmen sich Kopernikus’ Gegner die Bibel als Waffe. Der Reformator Johannes Calvin beispielsweise zitierte in einem Bibelkommentar den 93. Psalm: “Der Erdkreis ist fest gegründet, nie wird er wanken” und fragte: “Wer will es wagen, die Autorität von Kopernikus über die des heiligen Geistes zu stellen?” Philipp Melanchton, ein Mitarbeiter Martin Luthers, wies auf Kohelet 1,4-5 hin, wo es heißt: “Eine Generation geht, die andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit. Die Sonne, die aufging und wieder unterging, atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie wieder aufgeht.” Luther selbst zog noch mehr über Kopernikus her: “Es ward gedacht eines neuen Atrologi, der wollte beweisen, daß die Erde bewegt würde und umginge, nicht der Himmel oder das Firmament, Sonne und Monde; gleich als wenn einer auf einem Wagen oder einem Schiffe sitzt und bewegt wird, meinete, er säße still und ruhete, das Erdreich und die Bäume gingen um und bewegten sich … Der Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren. Aber wie die heilige Schrift anzeigt, so hieß Josua die Sonne still stehen, und nicht das Erdreich.” Hier bezieht er sich auf Josua 10,13: “Und die Sonne blieb stehen, und der Mond stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte …”

    Und ich frage mich schon länger, ob es nicht eher eine Frage des Bezugssystems ist. Dazu habe ich bei Wikipedia ein Statement von Fred Hoyle gefunden:
    ( https://de.wikipedia.org/wiki/Heliozentrisches_Weltbild )

    Fred Hoyle schrieb:

    „Die Beziehung der zwei Systeme (Geozentrismus und Heliozentrismus) ist reduziert auf die bloße Umwandlung der Koordinaten, und es ist die Hauptlehre von Einsteins Theorie, dass alle Möglichkeiten, die Welt zu betrachten, vom physikalischen Gesichtspunkt aus völlig äquivalent sind, sofern sie miteinander über eine Koordinatenumwandlung verbunden sind.“[6]
    ↑ Fred Hoyle: Nicolaus Copernicus. Heinemann Educational Books, London 1973, ISBN 978-0-435-54425-6, S. 78 (übers. unbekannt)

  4. #4 PDP10
    29. Mai 2015

    @Ludger:

    “Und ich frage mich schon länger, ob es nicht eher eine Frage des Bezugssystems ist. “

    Nun ja, wir haben ja inzwischen Bilder von fast ganz weit draussen. Siehe Pale Blue Dot.
    Wir wissen also, wie das wirklich aussieht …

    Und das man immer ein Koordinatensystem finden kann, in dem die Erde der Mittelpunkt des Universums ist, ist trivial.

    So eins benutzen die Astronomen die ganze Zeit.

    Was ich mich frage ist:

    “Im gleichen Jahr unternahm Marius auch eine Reise nach Prag, wo der berühmte Astronom Tycho Brahe arbeitete, bei dem er neue Beobachtungstechniken zu lernen hoffte. Brahe starb aber schon kurz nachdem Marius in Prag angekommen war. “

    Ob er da wohl Kepler getroffen hat? Ist darüber was bekannt?

  5. #5 Ludger
    29. Mai 2015

    Das Statement von Hoyle ist wohl zu formalistisch. Zumindest waren zur Zeit der Gültigkeit des geozentrischen Systems die Größe und Bedeutung der Entfernungen im Weltall völlig unbekannt. Parallaxen kann man eben nicht mit einem geozentrischen System messen. Allerdings sind die wirklichen Ausdehnungen erst seit Henrietta Swan Leavitt und Edwin Hubble bekannt.

  6. #6 wereatheist
    30. Mai 2015

    @Ludger:
    Fred Hoyle.
    Der, der den Begriff ‘Big Bang’ als Schmähkritik erfand.
    Der die Evolutionstheorie ablehnte. Und auch sonst allerlei unternahm, das Weltbild des Alten Testaments irgendwie zu ‘retten’. Auch wenn er Großes geleistet hat (Erklärung v. Nukleosynthese in Sternen, insbesondere wie Kohlenstoff entsteht), das Zitat ist inhaltlich Blödsinn.

  7. #7 Ludger
    30. Mai 2015

    Ja, der Fred Hoyle war wohl manchmal etwas strange. Und die genannte “Koordinatenumwandlung” funktioniert wohl nur, wenn man Massen, Entfernungen und Bewegungsgesetze wie auch den Foucaultschen Pendelversuch vernachlässigt.

  8. #8 Higgs-Teilchen
    Im Standardmodell oben rechts
    30. Mai 2015

    Nice! Tatsächlich das erste mal, dass ich von ihm gehört habe. Danke! 🙂

  9. #9 Pierre Leich, Simon Marius Gesellschaft
    Nürnberg
    5. März 2016

    Kleine Anmerkungen zum vorher Gesagtem:

    Die Protestanten waren zweifellos wenig geneigt, den Wortlaut der Bibel zur allgemeinen Diskussion zu stellen, aber zwei Fakten sollte man noch kennen:

    Die Übersetzung aus Martin Luthers Tischreden „Der Narr wil die gantze kunst Astronomiae umbkeren“ beruht auf einem Übersetzungsfehler, der erst etwa zwanzig Jahre nach seinem Tod durch Aurifabers Tischredensammlung in die Öffentlichkeit gelangte. Im Original heißt es „Der Astrolgi will die …“, was man heute am besten mit „Der Astronom will die …“ übersetzt.

    Auch die von Ludger genannte kritische Haltung von Philipp Melanchton ist korrekt. Neben einem Brief an Burkhard Mithoff vom 16. Oktober 1541 wird meist aus dessen “Initia doctrinae physicae” von 1549 angeführt:
    „Aber hier haben einige, sei es aus Neuerungssucht, sei es um ihre geistigen Fähigkeiten zur Schau zu stellen, die Behauptung aufgestellt, die Erde bewege sich …“
    Dies zielt klar auf Copernicus, doch fairerweise muss man zugeben, dass Melanchton die Mondtheorie von Copernicus einleuchtender erschien als die bisherige und er insbesondere ab der zweiten Auflage alle Kraftausdrücke entfernt hat.
    Schon in der der ersten Auflage hat Melanchton Beobachtungen des Copernicus unbefangen verwertet und den beiden negativen Äußerungen gegen Copernicus ohne Namensnennung stehen vier anerkennende Erwähnungen mit voller Nennung des Namens gegenüber, darunter so überschwängliche wie die dem Erasmus Reinhold in den Mund gelegte:
    „Wir begannen Copernicus immer mehr zu bewundern und zu schätzen.“
    Freilich bleibt M. bei seiner ablehnenden Haltung dem Heliozentrismus gegenüber, für den es ja noch keinen einzigen Beweis gab. Eine Situation, die sich – trotz diverser Internetmeinungen – auch bei Galilei noch nicht geändert hat.

    Kurz noch zur Reise von Simon Marius nach Prag zu Tycho Brahe. Man liest gelegentlich, dass er dort Kepler getroffen habe, was sich ja plausibel anhört. Dies ist aber durch nichts belegt und in der zeitlichen Abfolge der Reisen von Marius und Kepler sehr unwahrscheinlich.
    Beide haben sich aber auf dem Reichstag in Regensburg 1613 getroffen. Dort hat Kepler auch die Anregung gegeben, die Monde von Jupiter nach den Liebschaften des mythologischen Jupiter zu benennen, was Marius dann im Mundus Iovialis konkretisiert hat.

    Zu Marius gibt es seit 2014 übrigens das Marius-Portal: http://www.simon-marius.net.