In ziemlich genau einem Monat wird die Raumsonde New Horizons auf ihrem langen Weg durch das Sonnensystem endlich beim fernen Pluto angekommen sein. Dann werden wir das erste Mal detaillierte Bilder des Zwergplaneten bzw. großen Asteroids zu sehen bekommen. Damit uns in der Zwischenzeit nicht langweilig wird, haben die beiden amerikanischen Astronomen Mark Showalter und Doug Hamilton noch einmal das Hubble-Weltraumteleskop bemüht, um einen Blick auf das Pluto-System zu werfen. Denn es ist tatsächlich ein System, das aus mehreren Himmelskörpern besteht.
Neben Pluto gibt es dort auch noch seinen großen Mond Charon, obwohl die beiden in Größe und Masse einander so ähnlich sind, dass man besser von einem “Doppelzwergplanetensystem” sprechen sollte. Und zusätzlich findet man dort die kleineren Monde Nix, Hydra, Kerberos und Styx, die alle erst in den letzten 10 Jahren entdeckt wurden. Rund um Pluto gibt es also jede Menge Action und wie genau die Dynamik all dieser Himmelskörper aussieht, haben Hamilton und Showalter durch eine neue Auswertung von Hubble-Daten untersucht (“Resonant Interaction and Chaotic Rotation of Pluto’s Small Moons”, PDF). Und sind dabei auf Chaos gestoßen!
Betrachtet man die Zeit, die die vier Monde für jeweils einen Umlauf um Pluto benötigen, dann zeigt sich ein interessantes Verhalten: Sie stehen in einem Verhältnis von 3,16 : 3,89 : 5,03 : 5,98. Soll heißen: Während Styx, der innerste Mond, 5,98 Umläufe um Pluto absolviert, schafft Nyx 5,03 Runden, Kerberos kriegt im gleichen Zeitraum 3,89 Umläufe fertig und Hydra ist in der selben Zeit 3,16 Mal um Pluto gelaufen. Diese Zahlen sind alle fast ganze Zahlen und würde man die Werte entsprechend runden, käme man auf ein Verhältnis von 3:4:5:6. Inkludiert man auch noch Charon, kommt man auf ein Verhältnis der Umlaufzeiten von 1:3:4:5:6.
So etwas nennt man Resonanz und ich habe das früher schon sehr ausführlich erklärt. Stehen die Umlaufzeiten zweier Himmelskörper in einem ganzzahligen Verhältnis, dann finden sie sich in periodischen Abständen in der immer wieder gleichen gegenseitigen Position wieder. Gravitative Störungen zwischen ihnen können sich so aufschaukeln und am Ende kann das dazu führen, dass einer der beiden Himmelskörper ganz aus dem System fliegt. Ebenso können gravitative Störungen sich in einer Resonanz aber auch abschwächen und besonders stabile Konfigurationen hervorrufen. Der Fall, in dem die Umlaufzeiten von mehr als zwei Körper in einem ganzzahligen Verhältnis stehen, wird Laplace-Resonanz genannt und findet sich zum Beispiel bei den Monden Io, Europa und Ganymed des Jupiters, deren Umlaufzeiten in einem Verhältnis von 1:2:4 stehen.
Bei Pluto ist das ganze aber noch ein Stück komplizierter. Erst einmal sind die Umlaufzeiten eben nur fast in einer Resonanz. Aber auch in der Nähe solcher resonanten Konfigurationen können schon störende Effekte auftreten. Und dann gibt es auch mehr als nur diese eine Art von Resonanz. Im Prinzip kann jede Bewegung/Veränderung zu einer Resonanz führen, wenn die Geschwindigkeit mit der sie abläuft in einem ganzzahligen Verhältnis zur Geschwindigkeit einer anderen Bewegung/Veränderung steht. Neben der Umlaufzeit muss man hier zum Beispiel auch die Rotation der Himmelskörper um ihre eigene Achse berücksichtigen. Die Zeit, die zum Beispiel ein Mond braucht um sich um seine Achse zu drehen kann in Resonanz zur Zeit stehen, die er für einem Umlauf um seinen Planeten benötigt (das nennt sich dann Spin-Orbit-Resonanz). Unser eigener Mond ist ein prominentes Beispiel dafür: Er befindet sich in einer 1:1 Resonanz; braucht also für eine Drehung um seine Achse genau so lange wie für einen Umlauf um die Erde weswegen wir auch immer nur eine Seite von ihm sehen können.
Es kann auch sein, dass die Rotationsdauer eines Mondes in Resonanz zur Rotationsdauer eines anderen Mondes steht. Es geht aber noch komplizierter, wie Showalter und Hamilton bei Pluto und seinen Monden festgestellt haben. Sie haben die synodische Periode von Styx und Hydra bestimmt. Es kommt immer wieder vor, dass beide Monde sich auf der gleichen Seite von Pluto genau in einer Linie aufreihen. Die synodische Periode ist die Zeit, die zwischen zwei solcher Ereignisse vergeht. Und interessanterweise steht sie in einer 3:2 Resonanz zur synodischen Periode von Nix und Hydra.
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