Bevor das Universum so aussehen konnte, wie es sich uns jetzt präsentiert, mussten erst mal jede Menge andere Dinge passieren. Es musste vor allem erst einmal die ganzen unterschiedlichen chemischen Elemente entstehen. Nach dem Urknall selbst waren ja nur die beiden einfachsten Elemente vorhanden: Wasserstoff und Helium. Alles andere musste erst im Inneren von Sternen fusioniert werden. Die allerersten Sterne, die nur ein paar hundert Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind, bestanden also nur aus Wasserstoff und Helium, waren enorm groß und enorm kurzlebig. Sie erzeugten die ersten neuen chemischen Elemente und verteilten sie bei den Supernova-Explosionen am Ende ihres Lebens überall im All. Die Sterne der nachfolgenden Generationen bestanden dann schon aus mehr als nur dem ursprünglichen Wasserstoff und Helium. Und die großen Gaswolken aus denen sie entstanden, enthielten so viele andere Elemente, dass es auch noch für die Bildung von Planeten – und zumindest hier auf der Erde auch für Lebewesen – gereicht hat. Bis jetzt hatte allerdings noch niemand die allerersten Sterne auch tatsächlich beobachtet. Wie gesagt: Bis jetzt!
David Sobral von der Universität Lissabon und seinen Kollegen ist nun aber genau das anscheinend gelungen (“Evidence for PopIII-like stellar populations in the most luminous Lyman-α emitters at the epoch of re-ionisation: spectroscopic confirmation”). Sie haben einen beobachterischen Nachweis für Sterne der Population III gefunden! Diese Bezeichnung ist ein wenig verwirrend: Die jüngsten Sterne der aktuellen Generation zu der auch unsere Sonne gehört werden in der Astronomie zur “Population I” gezählt. Die älteren Sterne der Generation davor sind die “Population II” und die allerersten Sterne des Universums eben die “Population III”. Wie so oft hat diese etwas unlogische Notation historische Gründe und man hat sie bis jetzt nicht geändert. Aber egal wie die Sterne nun heißen: Es war und ist enorm schwer, sie zu finden.
Das hat einerseits mit der schon erwähnten kurzen Lebensdauer dieser Sterne zu tun. Sie waren groß, sie brannten heiß und daher schnell und beendeten ihr Leben schon nach wenigen Millionen Jahren. Andererseits sind sie auch schwer zu beobachten, weil das Universum damals noch anders ausgesehen hat als heute. Ich habe ja früher schon oft über die Hintergrundstrahlung geschrieben (zum Beispiel hier). Dabei handelt es sich um das allererste Licht des Universums, das nicht von Sternen stammt, sondern noch quasi vom Urknall selbst. All die Strahlung, die im jungen Universum vorhanden war, konnte sich nicht ausbreiten, weil der Kosmos von lauter Atomkernen und freien Elektronen angefüllt war, die den Weg des Lichts blockiert haben. Erst als das Universum nach knapp 400.000 Jahren weit genug abgekühlt war und die Teilchen sind langsam genug bewegten, konnten sich Atomkerne und Elektronen zu den ersten Elementen – Wasserstoff und Helium – verbinden und der Weg war frei für das Licht.
Dieses Ereignis nennt man “Rekombination”. Das Weltall wurde quasi durchsichtig; das Licht konnte sich ausbreiten. Ansonsten gab es damals aber noch nichts – keine Sterne, keine Galaxien: Nur große Wolken aus Wasserstoff und Helium. Und genaugenommen konnte sich das Licht auch nicht völlig frei ausbreiten. Lichtteilchen mit der richtigen Energie konnten von den Wasserstoffatomen aufgenommen werden. Dadurch wurden sie angeregt und in einen höheren energetischen Zustand versetzt. Licht mit genau dieser speziellen Wellenlänge war der Weg also immer noch versperrt. Das änderte sich erst, als die ersten Sterne entstanden waren. Mit ihrer Strahlung konnten die Atome im All wieder reionisiert werden. Das heißt, die energiereiche Strahlung der Sterne riss die Elektronen wieder von den Atomkernen weg. Mittlerweile war das Universum aber schon viel größer als in der Zeit vor der Rekombination. Auch wenn nun Atomkerne und Elektronen wieder voneinander getrennt waren, war die Dichte zu gering, um das Licht wesentlich aufzuhalten. Diese Reionisierungsepoche begann ungefähr 100 bis 200 Millionen Jahre nach dem Urknall und endete eine Milliarde Jahre später. Jetzt war das “dunkle Zeitalter” des Universums endgültig vorbei. Es war durchlässig für das Licht und es gab Sterne und Galaxie, die in ihm leuchten konnten.
Wenn man nun aber auf die Suche nach den allerersten Sternen geht, muss man in dieses dunkle Zeitalter zurück blicken. Man muss weit in die Ferne schauen, denn je weiter man blickt, desto tiefer schaut man auch in die Vergangenheit. Aber, und genau das ist das Problem, die Strahlung die es möglichen machen würde, die allerersten Sterne zu identifizieren, konnte sich erst nach der Reionisierungsepoche ausbreiten. Dafür wird der Blick der Astronomen getrübt und es ist schwer, das zu sehen, was man sehen möchte.
David Sobral und seinen Kollegen ist es nun aber doch gelungen, Sterne aus der fraglichen Zeit zu beobachten. Mit den großen Teleskopen der Europäischen Südsternwarte, mit Unterstützung anderer Teleskope (unter anderem dem Hubble-Weltraumteleskop) und mit neuen Detektoren die früher nicht zur Verfügung standen, haben sie einige enorm weit entfernte Galaxien beobachtet. Eine davon trägt den Spitznamen CR7. Das steht für COSMOS Redshift 7 und sagt uns etwas über die Entfernung. “Redshift” steht für die Rotverschiebung, also ein Maß für die Geschwindigkeit, mit der sich ein Objekt aufgrund der Expansion des Alls von uns weg bewegt. Je weiter es entfernt ist, desto schneller geschieht das und desto größer die Rotverschiebung – ich habe das Konzept in diesem Artikel ausführlich erklärt. Der Bereich der Reionisierungsepoche befindet sich bei Werten für die Rotverschiebungen zwischen 6 und 20 und CR7 liegt also genau in der richtigen Region.
Das besondere an dieser Galaxie: Sie ist enorm hell! Viel heller als alle anderen Galaxien die man in diesem Bereich bis jetzt beobachtet hat (wer es ganz genau wissen will: dreimal heller als der bisherige Rekordhalter). Das Licht um das es hier geht ist allerdings sehr spezielles Licht. Es geht dabei um sogenannte Lyman-Alpha-Emitter, also Objekte, die man aufgrund ihrer Strahlung bei der Lyman-Alpha-Linie findet. So nennt man eine ganz bestimmte Spektrallinie des Wasserstoffs, also Licht das entsteht, wenn das einzige Elektron in der Hülle eines Wasserstoffatoms durch Strahlung von außen angeregt wird und dann wieder zurück in den Grundzustand fällt. Je nach Energie der Strahlung kann man so ein Elektron auf verschiedene Arten anregen und wenn es in den sogenannten ersten angeregten Zustand versetzt wird, ist das genau der Prozess, bei dem Lyman-Alpha-Licht frei wird (das eine Wellenlänge von 121,567 Nanometer hat). In diesem Licht also ist CR7 enorm hell und so sieht die Galaxie aus:
Neben dem Lyman-Alpha-Licht sind hier auch noch Beobachtungsdaten überlagert, die mit Infrarotfiltern des Hubble-Weltraumteleskops gewonnen wurden. Schaut jetzt nicht wahnsinnig beeindruckend aus, oder? Aber wie gesagt: Es ist verdammt schwer, in dieser Gegend überhaupt irgendwas zu sehen! Und viel wichtiger ist das, was man aus den Beobachtungen heraus lesen kann! Zum Beispiel, dass es in bestimmten Regionen dieser Galaxie sehr viel ionisiertes Helium gibt. Also muss es dort auch etwas geben, was ausreichend viel Strahlung produziert, um dieses Helium ionisieren zu können. Mindestens ebenso wichtig ist, was man nicht beobachtet hat: Nämlich irgendwelche Hinweise auf andere chemische Elemente. In den Regionen von CR7, wo man das ionisierte Helium gefunden hat, gibt es nur Helium und Wasserstoff und sonst nichts.
Zusammengefasst: In einer Galaxie, die aus der Zeit der Reionisierungsepoche gibt, existieren in bestimmten Bereichen Sterne, die so enorm hell leuchten, dass die Galaxie das hellste bekannte Objekt ihrer Art ist. Es sind Sterne, die genug Strahlung produzieren um Helium zu ionisieren und es sind Sterne, die aus nichts anderem zu bestehen scheinen als Helium und Wasserstoff. Die einzigen Sterne auf die das zutrifft, sind Sterne der Population III!
Es gäbe noch ein paar andere Möglichkeiten, wie man die Beobachtungsdaten erklären kann, zum Beispiel durch Aktivität im Galaxienkern oder sogenannte Wolf-Rayet-Sterne – aber diese Möglichkeiten haben Sobral und seine Kollegen in ihrer Arbeit als äußerst unwahrscheinlich identifiziert.
Zum Abschluss gibt es dann natürlich doch noch ein (zumindest ästhetisch) schönes Bild. Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie sich die Wissenschaftler den Anblick von CR7 vorstellen:
Natürlich muss es hier noch weitere Beobachtungen geben um diese Ergebnisse abzusichern. Aber es ist schon beeindruckend genug, dass man überhaupt einigermaßen vernünftige und aussagekräftige Beobachtungen aus diesem fernen und dunklen Zeitalter des Universums machen kann! Und die Instrumente der Astronomen werden immer besser. In den nächsten Jahren werden wir also noch genauer hinsehen können und dann – hoffentlich – die allerersten Sterne des Universums noch genauer und noch zahlreicher beobachten können! Dann werden wir dabei zusehen können, wie die chemischen Elemente erzeugt werden, aus denen wir heute bestehen! Wir blicken zurück in die Vergangenheit und sehen dabei buchstäblich unseren eigenen Ursprung! Wenn das kein faszinierender Gedanken ist…
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