Dieser Artikel entstand im Rahmen meiner Arbeit für das Lindau Nobel Laureate Meeting 2015. Ich habe für das Konferenzblog einige Artikel geschrieben die ich nun hier auch in meinem Blog veröffentliche. Dieser Artikel erschien dort am 8. Juli 2015 und der Vortrag auf dem er basiert ist hier online verfügbar.
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Robert Wilson sieht eigentlich ganz normal aus: Ein älterer Herr im Anzug, dessen Erscheinungsbild sich kaum von dem der anderen Laureaten in Lindau unterscheidet.

Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings

Picture/Credit: Christian Flemming/Lindau Nobel Laureate Meetings

Auch der Titel seines Vortrags klingt wissenschaftlich nüchtern und auf den ersten Blick nicht weiter aufregend: “Cosmic Microwave Background Radiation and its Role in Cosmology”. Während der halben Stunde, die Wilson auf der Bühne steht erzählt er allerdings nichts anderes als die Geschichte einer Revolution. Einer wissenschaftlichen Revolution, die aber nicht weniger als unser komplettes Bild des Universums verändert hat! Und Wilson ist nicht einfach nur der Erzähler dieser Geschichte, sondern eine ihrer Hauptpersonen. Er und sein Kollege Arno Penzias haben mit ihren Beobachtungen in den 1960er Jahren einen Prozess in Gang gesetzt, der heute immer noch nicht abgeschlossen ist und unser Verständnis über das Universum stetig weiter verändert.

Robert Wilson über die Entwicklung der Kosmologie reden zu hören ist, ist ein wenig so, als würde man Galileo Galilei dabei zuhören, wie er über den Wandel von geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild erzählt.

Oder von Isaac Newton die Geschichte der Gravitation erklärt zu bekommen. Es kommt selten vor, dass eine einzelne naturwissenschaftliche Beobachtung die Geschicke einer kompletten wissenschaftlichen Disziplin auf Jahrzehnte hinaus prägt. Aber die Beobachtung von Wilson und Penzias hat genau das getan.

Im 19. Jahrhundert war die Kosmologie mehr oder weniger die Domäne von Theologen und Philosophen. Eine Kosmologie im modernen Sinne konnte es nicht geben, weil weder entsprechende wissenschaftliche Theorien vorstellbar waren, mit denen sich das Universum in seiner Gesamtheit beschreiben lässt, noch entsprechende Beobachtungen, mit denen man solche Theorien überprüfen könnte. Erst Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie im Jahr 1915 und vor allem die Entdeckungen des Astronomen Edwin Hubble und seinen Kollegen in den 1920er Jahren änderten das. Aus den Gleichungen von Einstein folgte, dass sich das Universum ausdehnen muss und die Beobachtung von Hubble schien das zu bestätigen: Ferne Galaxien bewegen sich von uns fort und sie tun das um so schneller, je weiter sie weg sind.

“Big Bang” vs. “Steady State”?

All das deutete auf einen “Urknall” hin, also auf ein Universum, das einen Anfang in der Zeit hat und nicht schon immer existiert. Genau das war allerdings die damals vorherrschende Meinung und viele Wissenschaftler konnten sich mit einem Urknall nicht anfreunden. Zu ihnen gehörte der prominente britische Astronom Fred Hoyle, der sich daher eine Alternative ausdachte: Sein “Steady-State-Universum” war ebenfalls in der Lage, die von Hubble beobachtete Galaxienbewegung zu erklären, brauchte dafür aber keinen “Urknall” (Dieses Wort – “Big Bang” – hatte Hoyle übrigens selbst erfunden um zu zeigen, wie lächerlich er die Hypothese eines Universums fand, das irgendwann in der Vergangenheit entstanden ist). Seine Steady-State-Universum veränderte sich zwar ebenfalls im Laufe der Zeit, hat aber trotzdem immer schon existiert und würde auch in Zukunft immer existieren. Mit diesem Ansatz fand er viele Anhänger – und die Existenz des Urknalls wurde weiterhin angezweifelt (und Wilson lässt es sich nicht nehmen darauf hinzuweisen, dass er während seines Studiums nur eine einzige Vorlesung über Kosmologie gehört hat und zwar bei niemand anderem als Fred Hoyle).

Durchaus zurecht, zumindest aus damaliger Sicht. Denn sowohl der Urknall als auch das Steady-State-Universum beschrieben die vorhandenen Beobachtungsdaten hinreichend gut. Als Robert Wilson und Arno Penzias mit ihrer wissenschaftlichen Karriere begannen, war die Lage vergleichbar mit der des ausgehenden Mittelalters. Auf die kosmologische Frage nach dem wahren Mittelpunkt des Universums gab es damals keine Antwort. Sowohl das heliozentrische als auch das geozentrische Weltbild waren in der Lage, die Beobachtungen zu erklären und unterschieden sich im Rahmen der damaligen technischen Möglichkeiten nicht, was die Genauigkeit ihrer Vorhersagen anging. Erst die Beobachtungen von Galileo Galilei und die verbesserte Theorie der Planetenbewegen von Johannes Kepler brachten das geozentrische Weltbild zum Wanken und verhalfen dem Heliozentrismus zum Durchbruch.

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Kommentare (3)

  1. #1 Anti-Held
    12. Juli 2015

    Da bringt mir der Postbote gestern die neue (kostenlose)
    “Helmholtz Perspektiven”, und wen entdecke ich da auf Seite 19?……Herrn Freistetter
    Gutes Portrait übrigens

  2. #2 dgbrt
    12. Juli 2015

    Danke für diesen Bericht.
    Es ist immens wichtig die Entwicklung der Wissenschaft im Kontext der Geschichte zu kennen. Und das Ganze ist auch noch äußerst spannend, selbst wenn man das Ergebnis eigentlich schon kennt.

    Faszinierend!

  3. #3 Stirner
    19. Februar 2016

    soso Zufallsentdeckung ausgerechnet bei Wilson ツ – War da nicht Synchronizität im Spiel? – das Prinzip akausaler Zusammenhänge gepaart mit kosmischem Witz + das ist um Klassen dezent etwas mehr als zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein (und trotzdem nichts zu bewegen ツ

    Hoyle beschreibt die Intelligenz “da draussen” gut im Original – “The Intelligent Universe” das passt besser.