Morgen wird die Raumsonde New Horizons endlich nach einer fast 10 Jahre andauernden Reise bei Pluto ankommen. Es wird ein tolles Ereignis werden und die Bilder werden vermutlich großartig sein. Es wird aber auch ein sehr kurzes Ereignis sein und wir werden vorerst nur sehr wenige Bilder sehen und die auch erst am Freitag. Ein Grund dafür ist die Tatsache, das New Horizons nur an Pluto vorbei fliegen wird, aber keine Umlaufbahn um den Himmelskörper einnimmt. Aber warum eigentlich? Warum macht man sich die Mühe, so weit hinaus ins All zu fliegen und bleibt dann nicht länger dort? Warum fliegt New Horizons an Pluto vorbei und bleibt nicht in einer Umlaufbahn? Eine gute Frage die ich deswegen für meine Serie “Fragen zur Astronomie” ausgewählt habe.
Natürlich haben die Wissenschaftler die die Mission zu Pluto geplant haben, sich genau überlegt, was sie tun. Ein Flug so weit hinaus ins All ist nichts, was man mal eben so plant ohne vorher jedes einzelne Detail ausführlich und sehr genau zu diskutieren. Die Entscheidung, an Pluto vorbei zu fliegen und nicht dort zu bleiben, hat also ganz konkrete Gründe.
Einer dieser Gründe hat mit etwas zu tun, das in der Raumfahrt immer eine Rolle spielt: Geschwindigkeit bzw. der Unterschied in der Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit, mit der sich ein Raumfahrzeug bewegt, bestimmt die Reisedauer. Die Geschwindigkeit bestimmt aber auch, was man wie lang beobachten kann. Will man in eine Umlaufbahn um einen Himmelskörper gelangen, dann muss man sich genau so schnell bewegen wie dieser Himmelskörper selbst. Man kann den Flug also entweder so planen, das man am Ende genau mit dieser Geschwindigkeit dort ankommt. Oder vorher schneller (bzw. auch langsamer) unterwegs sein und am Ziel dann bremsen (oder beschleunigen). Einfach nur durchs All zu fliegen ist relativ simpel. Es gibt dort nichts, was ein Objekt in Bewegung abbremsen würde und eine von der Erde hinaus in den Weltraum geschossene Raumsonde bewegt sich einfach immer weiter. Problematisch wird es immer dann, wenn man die Geschwindigkeit ändern will. Dazu braucht man eine Kraft und dafür etwas, mit dem sich die Kraft ausüben lässt. Normalerweise ist das Treibstoff, der in der Raumfahrt für das Bremsen genau so wichtig ist wie für die Beschleunigung.
Will man also zu Pluto und dort dann in eine Umlaufbahn, muss man genug Treibstoff haben, um die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen. Das wäre bei New Horizons natürlich möglich gewesen. Aber dann hätte man entweder eine sehr viel größere und damit auch sehr viel teurere Raumsonde bauen müssen. Oder sehr viel länger auf die Ankunft bei Pluto warten müssen…
Als New Horizons im Jahr 2006 ins All flog, konnte die insgesamt 478 Kilogramm schwere Raumsonde die Erde mit einer Geschwindigkeit von 16,26 Kilometer pro Sekunde verlassen (so schnell wie keine andere Raumsonde zuvor). Das war schnell genug, um den Flug zum fernen Pluto in wenig unter 10 Jahren zu absolvieren. Das bedeutet aber auch, dass New Horizons am Dienstag mit einer Geschwindigkeit von 13,78 Kilometern pro Sekunde in Bezug auf Pluto vorbei fliegen wird. Wollte man in eine Umlaufbahn einschwenken, müsste man diese enorme Geschwindigkeit erst irgendwie los werden. Bei anderen Missionen konnte man dazu neben Treibstoff auch die Gravitationskraft der Himmelskörper auf dem Weg zum Ziel nutzen. Wenn man sich auf die richtige Art und Weise annähert, kann man sich von deren Gravitation abbremsen lassen. Aber Pluto ist klein, er hat nur ein Sechstel der Masse unseres Mondes und man muss sehr viel Geschwindigkeit verlieren. Anders ausgedrückt: Die Fluchtgeschwindigkeit bei Pluto beträgt nur 1,2 Kilometer pro Sekunde (oder 4430 km/h). Diese Geschwindigkeit muss man überschreiten, wenn man den Pluto verlassen will (bei der Erde muss man zehnmal schneller sein und mindestens 11,2 km/s erreichen). Jedes Objekt das diese 1,2 Kilometer pro Sekunde in Bezug auf Pluto überschreitet, kann also nicht in einer Umlaufbahn sein.
Man hätte natürlich auch von Anfang an langsamer fliegen können oder ein bisschen Geschwindigkeit unterwegs durch den nahen Vorbeiflug bei anderen Planeten mit großer Masse (wie Jupiter) verlieren können. Aber dann wäre man sehr viel länger unterwegs gewesen (hier ist ein Beispiel für einen Missionsverlauf von der Erde in eine Umlaufbahn des Pluto, der mit 18 Jahren doppelt so lange dauert wie New Horizons und dafür ein Drittel weniger Nutzlast transportieren kann). Und je länger sich ein Raumfahrzeug im Weltall aufhält, desto größer ist die Chance, das irgendein Defekt auftritt und die ganze Mission scheitert. Will man dagegen schnell fliegen und stark abbremsen, dann muss man so eine Mission ganz anders dimensionieren. Man braucht sehr viel mehr Treibstoff, das Raumfahrzeug wird dadurch viel schwerer und man braucht zusätzlichen Treibstoff um die schwerere Sonde ebenso schnell durchs All zu bewegen. Man braucht stärkere Raketen, um die schwerere Sonde ausreichend schnell ins All zu schießen. Und so weiter. New Horizons wäre viel komplizierter und teurer geworden und die Chancen einer Realisierung wären gesunken.
Also ist man einen Kompromiss eingegangen und hat sich für einen Vorbeiflug entschieden. Der aber durchaus auch seine Vorteile hat: Denn wenn schon einmal so weit hinaus ins All geflogen ist, dann lohnt es sich auch, sich ein wenig genauer umzusehen! So schnell kommt man dort ja nicht wieder hin. New Horizons wird nach der Begegnung mit Pluto weiter durch den Kuiper-Asteroidengürtel fliegen, zu dem Pluto ja gehört. 2019 wird die Sonde sehr nahe an einem etwa 50 Kilometer großen Asteroiden vorbei kommen und dann werden wir das erste Mal einen Kuiper-Asteroiden aus der Nähe sehen! Das klingt vielleicht nicht so enorm spektakulär, ist wissenschaftlich aber äußerst wertvoll. Denn bis jetzt kennen wir nur Asteroiden, die sich in der Nähe der Erde bzw. im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter befinden. Wir wissen nicht, ob und wie sich die viel weiter von der Sonne entfernten Objekte von den nahen unterscheiden. Diese Unterschiede können uns aber sehr viel über die Bedingungen verraten, die im Sonnensystem zur Zeit der Entstehung der Planeten geherrscht haben. Dank der Daten die New Horizons nach der Begegnung mit Pluto liefern wird, können wir also besser verstehen, wie das ganz frühe Sonnensystem beschaffen war, wie sich das Material aus dem alles entstanden ist damals verteilt hat und was im Laufe der Zeit damit passiert ist.
Die Antwort auf die Frage “Warum fliegt New Horizons am Pluto vorbei?” lautet also: Weil es ansonsten wahrscheinlich nie eine Mission zum Pluto gegeben hätte und weil es hinter dem Pluto noch jede Menge andere lohnende Dinge zu sehen gibt!
Mehr Antworten findet ihr auf der Übersichtsseite zu den Fragen, wo ihr selbst auch Fragen stellen könnt.
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