Dieser Artikel entstand im Rahmen meiner Arbeit für das Lindau Nobel Laureate Meeting 2015. Ich habe für das Konferenzblog einige Artikel geschrieben die ich nun hier auch in meinem Blog veröffentliche. Dieser Artikel wird daher in den nächsten Tagen auch dort erscheinen und der Vortrag auf dem er basiert ist hier online verfügbar.
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Educate. Inspire. Connect. Das ist das Motto der Lindauer Nobelpreisträgertagung und ich habe mich heute inspirieren lassen. Eine andere Möglichkeit hatte ich auch gar nicht, denn der Vortrag von Carlo Rubbia blieb weitestgehend unverständlich für mich. Zu schnell folgten die dicht beschriebenen Folien aufeinander, zu viele Formeln und wissenschaftliche Diagramme wurden gezeigt, die ich nicht verstanden habe. Aber das, worüber der Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1984 gesprochen hat, war faszinierend. Es ging um die Verbindung zwischen dem Großen und dem Kleinen; zwischen der Mikrowelt der Elementarteilchen und dem gesamten Universum. Im Foyer des Lindauer Stadttheaters, in dem Rubbias Vortrag stattfand, wurden die Gäste mit einem Zitat von Oscar Wilde begrüßt: “Die Bühne scheint mir ein Treffpunkt von Kunst und Leben zu sein.” Heute war die Bühne ein Treffpunkt des unvorstellbar Kleinen und des unvorstellbar Großen.
“Future Accelerators for Astro-Particle Physics” lautete der Titel von Rubbias Vortrag. Astro-Teilchenphysik: Die Verbindung von Kosmos und Elementarteilchen scheint weit her geholt zu sein. Aber wenn man ein wenig genauer darüber nachdenkt, dann ist klar, dass sie existieren muss. Die Astronomen waren zum Beispiel erst dann in der Lage zu verstehen, wie ein Stern funktioniert, als die Quantenphysiker die Geheimnisse der Atome entschlüsselt hatten. Im Inneren der Sterne verwandeln sich Protonen in Neutronen und umgekehrt; verschmelzen Atomkerne miteinander und selbst der mysteriöse “Tunneleffekt”, der es Teilchen erlaubt, an Orte zu gelangen, die sie normalerweise nicht erreichen können, ist nötig, um einen Stern am Ende zum Leuchten zu bringen. Die Astronomen benötigen die Erkenntnisse der Teilchenphysiker, um Sterne und Galaxien verstehen zu können. Den Kosmologen geht es nicht anders: Als sie herausfanden, dass das Universum vor 13,8 Milliarden Jahren seinen Anfang als nahezu unendlich kleines und unendlich dichtes Objekt hatte, mussten auch sie die Wissenschaft der Mikrowelt benutzen, um es beschreiben zu können.
Andererseits finden die Teilchenphysiker im Universum über ihren Köpfen Beschleuniger, die alles übertreffen, was sie hier unten auf der Erde bauen können. Der Large Hadron Collider in Genf ist mit seiner Länge von 27 Kilometer eine der größten Maschinen, die je von Menschen gebaut worden ist, und verblasst doch gegenüber dem, was der Kosmos zu bieten hat. Schwarze Löcher, die Milliarden mal mehr Masse haben als unsere Sonne, schleudern Teilchen schneller aus den Zentren ferner Galaxien, als es der LHC je tun könnte und explodierende Sterne erzeugen elektromagnetische Strahlung in einer Menge, die kein Gerät aus Menschenhand je erreichen kann.
Die Wissenschaftler auf der Erde müssen einen enormen Aufwand betreiben, um hochenergetische Teilchenströme im Inneren ihrer Beschleuniger zu erzeugen. Die Kollisionen, die sie vorsätzlich in ihren riesigen Detektoren stattfinden lassen, passieren aber ständig und ganz von selbst auch hoch oben in der Atmosphäre unseres Planeten. Dort trifft die kosmische Strahlung, die von den astronomischen “Beschleunigern” überall im Universum erzeugt wird, auf die Atome und Moleküle unserer Lufthülle. Das, was dort geschieht, ist allerdings viel schwerer zu beobachten als die kontrollierten Kollisionen in den irdischen Beschleunigern. Aber wenn es den Forschern doch gelingt, einen Blick darauf zu werfen, sind sie von der Wucht mancher Zusammenstöße so überrascht, dass sie zu religiösen Metaphern greifen: Am 15. Oktober 1991 beobachtete ein Experiment der Universität Utah ein Teilchen der kosmischen Strahlung mit so hoher Energie, das es bis heute als “Oh-My-God-Teilchen” bezeichnet wird. Seine Energie war zwei Million mal größer als die maximale Energie, mit der Teilchen vom LHC beschleunigt werden können.
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