Das chemische Element Lithium wird gerne mal ein wenig unterschätzt. Dabei gehört es eigentlich zu einer sehr exklusiven Gruppe: Als vor 13,8 Milliarden Jahren das Universum entstand, konnten sich direkt nach dem Urknall aus den Elementarteilchen nur die Elemente Wasserstoff und Helium bilden, also die beiden simpelsten Elemente mit den Ordnungszahlen 1 und 2 (was bedeutet, das in ihrem Kern ein bzw. zwei Protonen vorhanden sind). Neben Wasserstoff und Helium entstanden aber sehr geringe Mengen der Elemente mit den Ordnungszahlen 3 und 4: Also Lithium und Beryllium. Das war alles; kurz nach dieser sogenannten primoridialen Nukleosynthese war das Universum schon so weit abgekühlt, das keine neuen chemischen Elemente mehr entstehen konnten. Alles andere; all die anderen Elemente aus denen wir und unsere Welt bestehen, konnten sich erst lange später durch die Kernfusion im Inneren der Sterne bilden.
Im Alltag treffen wir Lithium heute meistens als Bestandteil von Lithium-Batterien oder Lithium-Ionen-Akkus. In der Astronomie ist Lithium unter anderem interessant, wenn man Braune Zwerge nachweisen möchte. Denn im Inneren von heißen Sternen überlebt das ursprüngliche, vom Urknall stammende Lithium nicht lange. Es wird dort in bestimmten Kernreaktionen mit Wasserstoff fusioniert und zum Bau neuer Elemente verbraucht. Nur in den braunen Zwergen, die nie schwer genug wurden um in ihrem Inneren echte Kernfusion durchführen zu können, hat das primordiale Lithium bis heute überlebt. Es scheint auch so zu sein, dass Sterne, die von Planeten umkreist werden, weniger Lithium besitzen als Sterne ohne Planeten. Das liegt vermutlich daran, dass die von den Planeten auf die Sterne ausgeübten Gezeitenkräfte für eine bessere Durchmischung des Materials sorgen, aus dem der Stern besteht so dass Lithium auch aus den äußeren Schichten in den Kern transportiert wird, wo es dann bei der Fusion zerstört werden kann.
Aber die Sache mit dem Lithium gehört immer noch zu den Dingen, die man noch nicht komplett verstanden hat. Alte Sterne enthalten zum Beispiel deutlich weniger Lithium, als sie angesichts der Mengen die beim Urknall produziert worden sind, eigentlich enthalten sollen (das ist das sogenannte “primordiale Lithiumproblem”). Bei jungen Sternen dagegen hat man in vielen Fällen deutlich mehr Lithium beobachtet, als man erwartet hatte.
Warum die alten Sterne weniger Lithium besitzen als sie sollten, ist immer noch unklar. Aber zumindest für das überschüssige Lithium der jungen Sterne könnte man nun eine Erklärung gefunden haben. Luca Izzo von der Universität Rom und seine Kollegen haben eine Nova beobachtet, und dabei interessante Dinge entdeckt (“Early optical spectra of nova V1369 Cen show presence of Lithium”). Eine “Nova” darf man nicht mit einer “Supernova” verwechseln. Bei einer Supernova-Explosion beendet ein Stern sein Leben und meistens wird der Stern bei diesem Ereignis zerstört. Eine Nova dagegen ist ein nicht ganz so katastrophales Ereignis: Sie findet in einem engen Doppelsternsystem statt, wenn dort Material von einem Stern zum anderen wechseln kann. Ist der eine Stern ein weißer Zwerg, also ein alter Sternenrest, in dem keine Fusion mehr stattfindet, kann das Material das vom anderen Stern zu ihm kommt dafür sorgen, dass dort doch noch einmal ein paar Fusionsreaktionen passieren. Er beginnt dann wieder zu leuchten und wenn er das hell genug macht, taucht am Himmel der Erde plötzlich und kurzfristig ein “neuer” Stern auf, eine “Nova”.
Die Nova V1369 Centauri tauchte im Dezember 2013 am Himmel der südlichen Hemisphäre auf und war sogar mit freiem Auge sichtbar (und ungefähr so hell wie ein durchschnittlicher Stern am Nachthimmel). Es war die hellste Nova des Jahrhunderts (das aber zugegebenermaßen noch recht jung ist…) und deswegen natürlich ein interessantes Ereignis für die Astronomen. Noch interessanter waren aber die konkreten Messungen. Man untersuchte das Licht der Nova sehr genau, um feststellen zu können, ob es dort Lithium gibt. Gibt es! Dieses Lithium wird mit höher Geschwindigkeit (2 Millionen Kilometer pro Stunde) von der Nova ins Weltall hinaus geschleudert.
Diese Beobachtung ist der erste Nachweis, das Lithium bei Novas erzeugt und hinaus ins All geschleudert wird. Insgesamt scheint V1369 Centauri nur wenig Lithium zu produzieren; knapp eine Trilliarde Kilogramm. Ok, nach irdischen Maßstäbe ist das durchaus viel; ungefähr das 1,5fache der Menge an Wasser in den Ozeanen der Erde. Aber verglichen mit der Masse der Sonne ist das nur ein Milliardstel, also doch recht wenig. Aber Novas finden immer wieder statt und die Milchstraße hat auch schon mehr als 10 Milliarden Jahre auf dem Buckel; es war also genug Zeit damit jede Menge Novas ein bisschen Lithium produzieren und ins All hinaus schleudern. Das Lithium konnte sich also anreichern und je jünger die Sterne, desto mehr Lithium stand ihnen bei ihre Entstehung zur Verfügung.
Warum den alten Sternen das Lithium zu fehlen scheint, ist immer noch nicht ganz klar. Aber zumindest weiß man nun, dass eine Nova in der Lage ist, Lithium zu erzeugen und im Weltall zu verteilen. Die Astronomen werden sich weiter mit dem Lithiumproblem beschäftigen. Denn immerhin sagt auch Massimo Della Valle von der Sternwarte in Neapel, der ebenfalls an der Entdeckung beteiligt war:
“Wenn wir die Entwicklungsgeschichte der chemischen Elemente in unserer Milchstraße mit einem großes Puzzle vergleichen, dann war der Fund von Lithium in einer Nova einer der wichtigsten und schwierigsten noch fehlenden Steine in diesem Puzzle. Außerdem bleibt jedes Modell des Urknalls solange fragwürdig, bis die Lithium-Frage verstanden ist.”
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