Ich mache derzeit eine Fahrradtour durch Bayern. Um das entsprechend zu würdigen und um auch endlich mal meine Recherche zum Thema “Bier und Astronomie” aufzuarbeiten, gibt es daher zu jedem Wissenschaftsartikel der in dieser Woche bei mir im Blog erscheint, einen kleinen Bonustext, in dem ich erklären, wo der Zusammenhang zwischen der jeweiligen astronomischen Forschung und dem Bier besteht. Prost! Und alle Artikel aus dieser Serie gibt es hier.
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Heute Vormittag habe ich über die Röntgen- und Gammastrahlen berichtet, die uns mehr über die Essgewohnheiten eines schwarzen Lochs verraten. Im Bier-Bonus-Text geht es aber natürlich um das Trinken. Röntgen- und Gammastrahlen findet man in der Umgebung schwarzer Löcher. Und natürlich bei den Ärzten im Krankenhaus. Aber was haben sie mit unserem Bier zu tun? Jede Menge natürlich, ansonsten würde ich darüber ja nicht schreiben.
Gammastrahlung gehört, so wie auch die Röntgenstrahlung zu den ionisierenden Strahlungsarten, die in der Lage sind, Moleküle zu verändern und daher ein Grund dafür sind, warum Radioaktivität für Lebewesen gefährlich sein kann. Über die Grundlagen der Radioaktivität habe ich ja schon früher gesprochen und auch erklärt, wo da die Gammastrahlung herkommt. Das muss auch nicht zwingend etwas mit Atombomben und -kraftwerken zu tun haben. Radioaktvität ist auch ein ganz natürliches Phänomen. Entsprechende Strahlung trifft aus verschiedensten Quellen im Weltall auf die Erde und die natürlichen radioaktiven Elemente wie zum Beispiel Uran oder Kohlenstoff-14 überall um uns herum erzeugen eine immer vorhandene Hintergrundstrahlung. Mit der kommt unser Körper normalerweise wunderbar klar; immerhin haben wir uns ja auch in dieser radioaktiven Welt entwickelt. Außerdem ist bei Radioaktivität immer auch die Dosis wichtig! Kleine Menge radioaktiver Strahlung über einen längeren Zeitraum verteilt sind kein Problem, da etwaige Schäden vom Körper gleich repariert werden. Nur wenn sehr viel sehr schnell kommt, wird es kritisch.
Das ist ein bisschen so wie beim Bier: Gegen ein paar Flaschen Bier, verteilt über einen vernünftigen Zeitraum ist nichts einzuwenden. Aber wer sich an einem Abend einen ganzen Kasten hinter die Binde kippt, wird mit gesundheitlichen Problemen rechnen müssen… Aber das ist nicht die Verbindung, um die es hier gehen soll. Die ist viel direkter. Gamma- und Röntgenstrahlen sind, wie schon gesagt, ionisierend und können Moleküle verändern. Bei Lebewesen kann das zu “Mutationen” führen und es ist nicht unplausibel, dass die durch natürliche Strahlung hervorgerufene Mutationen einen relevanten Anteil an der Evolution der Lebewesen auf der Erde hatten.
Ob und wie sich die Pflanzen, die wir fürs Bier brauchen, durch Radioaktivität entwickelt haben, lässt sich natürlich nicht rekonstruieren. Aber beim Bier überlässt man lieber nichts dem Zufall. Und deswegen hat der Tscheche Josef Bouma mit der Bestrahlung von Gerste experimentiert und so eine neue Variante geschaffen, die den hübschen Namen “Diamant” trägt (“New variety of spring barley ‘Diamant’ in Czechoslovakia”, In “Induzierte Mutationen und ihre Nutzung”, Erwin Baur Gedachtnisvorlesungen IV, 1966). Und die hat im Laufe der Zeit jede Menge Nachkommen gekriegt:
“The outstanding semidwarf spring barley cultivar ‘Diamant’ was derived from the cv.‘Valticky’ by X-ray mutagenesis. More than 120 European spring barley varieties trace back to ‘Diamant’. This variety and nine German spring barley cultivars having ‘Diamant’ in their pedigree.” (Mlčochová et al, 2008
Mehr als 120 europäische Sorten von Gerste stammen also von der durch Bestrahlung erzeugten Diamant-Variante ab. Ich habe jetzt nicht recherchiert, welche Brauereien welche Sorten für ihr Bier verwenden und wie deren genetischer Stammbaum aussieht. Aber die Chancen stehen gut, dass das eine oder andere Bier, das ihr trinkt, seine Existenz dem Einfluss der radioaktiven Strahlung verdankt.
Übrigens: Radioaktivität taucht in dem Zusammenhang auch noch anderswo auf. Wenn Brauereien (oder andere Getränkehersteller) ihre Flaschen füllen, dann soll da natürlich immer die gleiche Menge enthalten sein. Um automatisch prüfen zu können, wann genug in der Flasche ist, nutzt man hier die Technik, die man auch von Rauchmeldern kennt. Da wird von einer radioaktiven Quelle Strahlung abgegeben und trifft auf einen Empfänger. Solange der die Strahlung registriert, ist alles in Ordnung. Die Strahlung – die i.A. vom chemischen Element Americium 241 kommt – ist aber so schwach, dass schon ein bisschen Rauch vor dem Detektor reicht, um sie zu blockieren. Ist das der Fall, schlägt der Melder an. Bei der Flaschenabfüllung geht es genau so: Blockiert Flüssigkeit die Strahlung, ist die Flasche voll. Und gesundheitsschädlich ist diese Technik natürlich auch nicht. Also: Prost!
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